OGH 21Os2/16a

OGH21Os2/16a7.12.2016

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 7. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Vavrovsky und Dr. Pressl sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Sailer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Salzburg vom 11. Mai 2016, GZ DISZ/3‑16‑950.504, DISZ/4‑16-950.504, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, und des Beschuldigen zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0210OS00002.16A.1207.000

 

Spruch:

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch a) und demgemäß im Straufausspruch aufgehoben und der Beschuldigte vom Vorwurf, er habe die Vertretung der Edith S***** in dem von dieser gegen Mag. Johann ***** wegen mangelhafter Rechtsvertretung angestrengten Verfahren AZ 1 Cg 98/15a (mittlerweile AZ 2 Cg 116/15f) des Landesgerichts Salzburg übernommen und aufrechterhalten, obwohl er zuvor Edith S***** in eben dieser Angelegenheit gemeinsam mit Mag. ***** rechtlich beraten und Schriftsätze vorbereitet hat und sohin selbst Schadenersatz- und Regressansprüchen gegenüberstehen könnte, was zu einem absehbaren Interessenskonflikt führt, freigesprochen.

In Neubemessung der Geldbuße wird über den Beschuldigten eine solche von 500 Euro verhängt. Mit der Berufung wegen Strafe wird er auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt, weil er

a) die Vertretung der Edith S***** in dem von dieser gegen Mag. Johann ***** wegen mangelhafter Rechtsvertretung angestrengten Verfahren AZ 1 Cg 98/15a (mittlerweile AZ 2 Cg 116/15f) des Landesgerichts Salzburg übernommen und aufrecht erhalten hat, obwohl er zuvor Edith S***** in eben dieser Angelegenheit gemeinsam mit Mag. ***** rechtlich beraten und Schriftsätze vorbereitet hatte und sohin selbst Schadenersatz- und Regressansprüchen gegenüberstehen könnte, was zu einem absehbaren Interessenskonflikt führt, sowie

b) die schriftlichen und telefonischen Anfragen des Anwaltskollegen Mag. Wolfgang ***** über einen längeren Zeitraum, nämlich von Juni 2015 bis Anfang Dezember 2015, nicht beantwortet hat.

Er wurde hierfür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch a) richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe, welcher Berechtigung zukommt.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Disziplinarrats hat der Beschuldigte in einem beim Bezirksgericht Salzburg anhängigen Oppositionsverfahren die Tante seiner Ehegattin, Edith S*****, unterstützt und beraten, indem er die Schriftsätze an das Gericht vorbereitete. Diese brachte sein damaliger Regiepartner Rechtsanwalt Mag. Johann ***** bei Gericht ein, wo er allein in seinem Namen als Vertreter auftrat, Verhandlungen verrichtete und seine Leistungen gegenüber Edith S***** abrechnete.

Nachdem Edith S***** im Oppositionsverfahren unterlag, behauptete diese, der Prozessverlust sei darin begründet, dass es Mag. ***** unterlassen habe, in einer Verhandlung am 8. September 2010 „geeignete Anträge“ zu stellen. Er hätte sich gegen die Verlesung eines Verhandlungsprotokolls einer Strafverhandlung aussprechen müssen und habe es verabsäumt, zwei namentlich genannte Zeugen zu beantragen.

Zu AZ 1 Cg 98/15a (nun AZ 2 Cg 116/15f) des Landesgerichts Salzburg brachte Edith S*****, vertreten durch *****, mit der genannten Behauptung eine Klage auf Bezahlung von 155.412,35 Euro sowie auf Feststellung der Haftung des Mag. ***** aufgrund sorgfaltswidriger Prozessführung bzw Vertretung in der gerichtlichen Auseinandersetzung gegen deren ehemaligen Ehegatten Dr. Nikolaus S*****, insbesondere im Verfahren AZ 31 C 86/09a des Bezirksgerichts Salzburg, ein. Im Rahmen der Klagebeantwortung wurde dem Beschuldigten der Streit mit der Begründung verkündet, dass im Falle der Sachfälligkeit des Mag. ***** auch er haften würde, weil er sämtliche Sach‑ und Rechtsinformationen mit Edith S***** aufgenommen habe. Das Mandatsverhältnis ist weiterhin aufrecht.

Der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) ist beizupflichten, dass die inkriminierte Vorgangsweise des Beschuldigten, mag sie auch auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, keinen Verstoß gegen das Verbot der Doppelvertretung (§ 10 Abs 1 RAO, § 12a RL‑BA) darstellt: Edith S***** wurde von Rechtsanwalt Mag. ***** nach außen hin vertreten und hatte allein diesem Vollmacht erteilt. Dass sie auch vom Beschuldigten insoweit „vertreten“ wurde, als dieser ihr mit Rat zur Seite stand und Schriftsätze, die dann von Mag. ***** eingebracht wurden, konzipierte, bedingt noch keine Interessenskollission.

Im nunmehrigen Prozess wegen angeblich mangelhafter Vertretung vor Gericht vertritt der Beschuldigte seine Verwandte in einer anderen Rechtssache. Dass ihm dort vom Beklagten der Streit verkündet wurde, ist ohne Belang. Diesem steht es im Übrigen frei, Mitverschuldenseinwände zu erheben.

Bei der durch den teilweisen Freispruch erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Vorstrafe, den raschen Rückfall (RIS‑Justiz RS0090981) und das Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen (zu b), als mildernd das reumütige Geständnis und dem Umstand, dass der Tatzeitraum zum Großteil vor dem Vorerkenntnis lag.

Dementsprechend war eine Geldbuße (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) zu verhängen, die mit 500 Euro auch die Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten hinreichend berücksichtigt (§ 16 Abs 6 DSt).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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