Spruch:
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen Freispruch enthaltenden Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 21. September 2015, AZ D 2/15 und D 23/13, wurde ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt.
Danach hat er
‑ im Jänner 2013 einen im Dezember 2012 bei ihm erlegten Treuhanderlag von 170.000 Euro im Ausmaß von 125.000 Euro dadurch widmungswidrig verwendet, dass er diesen Betrag verabredungswidrig für die Abdeckung eines eigenen, über den Betrag von 45.000 Euro hinausgehenden Honoraranspruchs verwendete, ohne dass dieser Honoraranspruch bereits fakturiert gewesen wäre;
‑ einen strittigen Honorarbetrag von 152.825,04 Euro verspätet am 6. Mai 2013 bei Gericht erlegt, obwohl das Vertretungsverhältnis bereits im Jänner 2013 aufgelöst worden war und die Honorarnote von seinem Mandanten beeinsprucht worden war;
‑ einen unstrittigen Betrag von 17.174,96 Euro, welcher Teil des Anfang Dezember 2012 erlegten Gesamtbetrages von 170.000 Euro war, widerrechtlich und unbegründet bis 12. März 2013 einbehalten;
‑ mit Honorarnote vom 21. Jänner 2013 Leistungen teilweise in unangemessener Höhe an die S***** GmbH verrechnet, indem er pauschal eine Bemessungsgrundlage von 153.639,27 Euro den abgerechneten Leistungen zugrunde legte, obwohl wesentliche Leistungsteile mit einer wesentlich geringeren Bemessungsgrundlage verrechnet hätten werden müssen;
‑ Leistungen, welche er für den Gesellschafter der S***** GmbH, Josef H*****, im Zusammenhang mit einem Abtretungsvertrag erbracht hat, der S***** GmbH verrechnet (D 23/13);
‑ ein seit März 2014 strittiges Honorar in Höhe von zumindest 5.000 Euro weder an den Klienten ausbezahlt noch bei Gericht hinterlegt (D 2/15).
Der Disziplinarbeschuldigte wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zur Disziplinarstrafe einer Geldbuße von 7.000 Euro sowie zum Kostenersatz verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Schuldspruch richtet sich eine Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld sowie eine Berufung des Kammeranwalts wegen des Ausspruchs über die Strafe.
Der sich gegen den zu D 2/15 ergangenen Schuldspruch richtende und mit Blick auf § 281 Abs 1 Z 8 StPO erhobene Einwand, der betreffende Vorwurf sei im Antrag des Kammeranwaltes vom 1. Dezember 2014 gar nicht enthalten gewesen, verkennt, dass nicht dieser Antrag, sondern der Einleitungsbeschluss den Bezugspunkt für die Beurteilung der Frage darstellt, ob der Rahmen der vom Disziplinarverfahren umfassten Taten (vgl RIS-Justiz RS0102147) überschritten wurde (§§ 28 Abs 2, 36 Abs 1 DSt; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 28 DSt, 930 f).
Im Übrigen war die unterbliebene Rückerstattung der Akontozahlungen durch den Disziplinarbeschuldigten ohnehin auch ausdrücklich Gegenstand des erwähnten Antrags gemäß § 22 Abs 3 DSt.
Ins Leere geht auch das zu diesem Schuldspruch im Rahmen der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erstattete Vorbringen, der Disziplinarbeschuldigte sei aufgrund einer am 28. März 2014 eingebrachten Stellungnahme von einer Bereinigung dieser Angelegenheit ausgegangen, weil das inkriminierte Verhalten den unbekämpften Feststellungen zufolge bis zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung andauerte (ES 8 und ES 13).
Die einleitenden allgemeinen Ausführungen zu D 23/13 lassen einen Bezug zu einem konkreten Schuldspruch nicht erkennen und entziehen sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.
Soweit der Disziplinarbeschuldigte zum letzten zu D 23/13 ergangenen Schuldspruch behauptet, die S***** GmbH hätte einer Verrechnung der für ihren Gesellschafter Josef H***** erbrachten Leistungen an sie zugestimmt, ergänzt er den Entscheidungssachverhalt durch eigene Annahmen und argumentiert solcherart nicht auf Basis der vorliegenden Konstatierungen. Das hiezu weiter erstattete Vorbringen zu einem von Josef H***** erteilten Auftrag, zur Beiziehung eines Notars als Vertreter „des Gesellschafters“ im Zusammenhang mit dem geplanten Abtretungsvertrag und zur vom Mehrheitsgesellschafter aufgestellten Bedingung für einen Abschluss (ersichtlich gemeint: des Abtretungsvertrags), wonach eine Generalbereinigung (auch) mit dem Minderheitsgesellschafter Josef H***** erfolgen sollte, zeigt mangels einer sich daraus ergebenden Indizierung der behaupteten Zustimmung der S***** GmbH auch keinen entsprechenden Feststellungsmangel auf, womit die auf diesen Schuldspruch bezogene Rüge insgesamt die Darstellung materieller Nichtigkeit verfehlt.
Aus diesem Vorbringen ergeben sich auch keine im Wege einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld aufzugreifende Bedenken gegen die diesem Schuldspruch zugrunde liegenden Sachverhaltsannahmen.
Der Einwand, der Vorwurf der Heranziehung einer pauschalen Bemessungsgrundlage sei schon deshalb rechtlich nicht haltbar, weil für die Höhe der Honoraransätze allein das – im vorliegenden Fall in der Abwendung der drohenden Insolvenz und der Erhaltung einer Liegenschaft im Wert von 930.000 Euro bestehende – Interesse des Auftraggebers maßgeblich sei, weshalb „für viele der erbrachten Leistungen eine noch wesentlich höhere Bemessungsgrundlage erlaubt“ gewesen wäre (inhaltlich Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO), verfehlt die prozessordnungsgemäße Darstellung materieller Nichtigkeit, weil er sich nicht eindeutig auf die konkret vorgeworfenen Honoraransätze bezieht (ES 11 und ES 16), im Hinblick auf das behauptete Interesse durch Hinzufügung eigener Sachverhaltselemente nicht von den vorliegenden Feststellungen ausgeht (RIS-Justiz RS0099810) und darüber hinaus nicht darlegt, weshalb für die Bewertung des angesprochenen Interesses in Bezug auf ein Insolvenzverfahren allein der Wert der vorhandenen Aktiva maßgeblich sein sollte (RIS-Justiz RS0116569).
Im Übrigen geht der in diesem Zusammenhang vorgebrachte Hinweis auf den „Blickwinkel des wirtschaftlichen Erfolges“ aufgrund des verhandelten Preises für die (durch Josef H*****) erworbenen Gesellschaftsanteile (ES 8) ins Leere, weil sich der diesem Schuldspruch zugrunde liegende Vorwurf allein auf „an die S***** GmbH erbrachte Leistungen“ bezieht (ES 10).
Soweit die auf den zweiten und dritten zu D 23/13 ergangenen Schuldspruch bezogene Rüge erkennbar die getrennte Darstellung der (verschiedene Teilbeträge des Treuhanderlags von 170.000 Euro betreffenden) Tathandlungen im Spruch des Erkenntnisses moniert, verabsäumt sie die gebotene Ableitung aus dem Gesetz, weshalb verschiedenartige und auf unterschiedliche Teilbeträge bezogene Tathandlungen (nämlich der verspätete gerichtliche Erlag eines strittigen Teilbetrages einerseits und die verspätete Auszahlung eines unstrittig zu leistenden Teilbetrages [ES 9] andererseits) zusammenzufassen wären (RIS-Justiz RS0116569).
Der Einwand, die Kontaktaufnahme des Disziplinarbeschuldigten mit der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich am 8. März 2013 sei nicht berücksichtigt worden (inhaltlich § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO), entzieht sich mangels Bezugnahme auf konkret bezeichnete Beweisergebnisse einer inhaltlichen Erwiderung.
Die hiezu im Rahmen der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erstatteten Ausführungen, wonach dem Disziplinarbeschuldigten die Person des Erlagsgegners bis zuletzt unklar gewesen sei und er bis zuletzt auf eine einvernehmliche Regelung mit seinem ehemaligen Klienten und seinem Vertreter gehofft habe, betreffen – ebenso wie die Erörterung der Motivation des Disziplinarbeschuldigten – keine entscheidenden Tatsachen (RIS-Justiz RS0088761). Im Hinblick auf die bereits im Jänner 2013 erfolgte Auflösung des Vertretungsverhältnisses (ES 8) gilt Gleiches für den (ungeachtet verfehlter Bezugnahme auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO inhaltlich der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zuzuordnenden) Hinweis auf den (ohnehin festgestellten [ES 10]) Umstand, dass der Erlagsantrag „bereits“ am 5. April 2013 gestellt worden sei.
Schließlich vermögen auch die allgemeinen rechtspolitischen Erwägungen zur Regelung des § 19 RAO sowie die Behauptung, das Ziel dieser gesetzlichen Bestimmung wäre fallaktuell im Ergebnis ohnehin erreicht worden, keine Bedenken gegen die vom Disziplinarrat betroffenen Sachverhaltsannahmen zu erwecken.
Der gegen den Vorwurf der widmungswidrigen Verwendung eines Treuhanderlages gerichtete Einwand, der Disziplinarrat habe den Zeugen Dr. Berthold R***** nicht vernommen, bezieht sich weder auf einen entsprechenden Antrag des Disziplinarbeschuldigten (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) noch legt er dar, wodurch der Disziplinarbeschuldigte an einer entsprechend sachgerechten Antragstellung in der mündlichen Verhandlung gehindert war (§ 281 Abs 1 Z 5a StPO). Solcherart entzieht sich dieses Vorbringen einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0115823 [T3]).
Soweit sich die Berufung mit ihrem weiteren zu diesem Schuldspruch erstatteten – trotz teilweiser Bezugnahme auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO inhaltlich der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zuzuordnenden – Vorbringen gegen jene Konstatierung wendet, aus denen der erkennende Disziplinarrat ein aufrechtes Treuhandverhältnis ableitete, vermag sie keine Bedenken gegen die diesbezüglichen Erwägungen des vorliegenden Erkenntnisses zu wecken.
Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld kommt daher keine Berechtigung zu.
Die vom Disziplinarbeschuldigten erhobene Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld ist gemäß § 467 Abs 3 iVm § 77 Abs 3 DSt auch als Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe anzusehen, zu welcher der Disziplinarbeschuldigte – sieht von seiner Stellungnahme zur Berufung des Kammeranwalts ab – kein konkretes Vorbringen erstattet hat).
Bei der Bemessung der Strafe wurden vom Disziplinarrat als mildernd das Geständnis des Disziplinarbeschuldigten zu D 2/15 und als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Disziplinarvergehen sowie mehrfache einschlägige Vorstrafen gewertet.
Entgegen der Berufung des Kammeranwalts erweist sich die in erster Instanz ausgemessene Geldbuße als durchaus angemessen, wird doch damit ein deutliches Signal zur Rechtsbewährung gesetzt, das sowohl spezial‑ als auch generalpräventiv ausreichend wirkt. Einer Erhöhung der Geldbuße oder einer zusätzlichen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft bedarf es daher nicht.
Umgekehrt liegen keinerlei Ansatzpunkte vor, wonach die Geldbuße zu mildern wäre.
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe sowohl des Disziplinarbeschuldigten als auch des Kammeranwalts war daher ebenfalls ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.
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