OGH 9Ob64/16a

OGH9Ob64/16a28.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr in der Rechtssache der klagenden Partei R***** T*****, vertreten durch Mag. Alexander Todor‑Kostic, Mag. Silke Todor‑Kostic, Rechtsanwälte in Velden, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Petrowitsch, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen 18.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. Juli 2016, GZ 2 R 109/16s, 2 R 110/16p‑67, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Graz vom 8. Oktober 2015, GZ 23 Cg 28/14w‑63, Folge und der Berufung der beklagten Partei nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00064.16A.1028.000

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.253,88 EUR (darin 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat die Revision zu den gewährleistungsrechtlichen Folgen einer vereinbarten CE‑Kennzeichnung zugelassen. Dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet aber noch nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt (RIS‑Justiz RS0102181). Dies ist auch hier nicht der Fall. Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Die Streitteile vereinbarten, dass das von der Beklagten an die Klägerin im Jahr 2011 verkaufte Fitnessgerät (Ergometer mit Fernseher und Tunnel mit Infrarotlampen zur Bestrahlung während des Trainings) eine CE-Kennzeichnung aufzuweisen habe. Es war auch mit einer solchen Kennzeichnung versehen und erfüllte nach den Feststellungen die wesentlichen Anforderungen an die Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke nach der EN 60335‑1/A15:2011. Die Beklagte gab eine EG-Konformitätserklärung nach der EMV‑Richtlinie (RL 2004/108/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit und zur Aufhebung der Richtlinie 89/336/EWG), nicht aber hinsichtlich der hier noch maßgeblichen Niederspannungs-Richtlinie (RL 2006/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen) ab. Als die Klägerin das Fitnessgerät weiterzuverkaufen versuchte, schrieb die Beklagte der niederländischen Käuferin, dass sie keine Serviceleistungen, Garantie oder Haftung für gebrauchte Geräte anbieten könne, die nicht über den Generalvertreter verkauft würden. Die Geräte hätten keine ISO‑Zertifizierung und seien nicht nach dem neuesten Stand der Technik. Der Einsatz von aus dritter Hand gekauften Gebrauchtgeräten sei nicht erlaubt und berechtige sie, die Geräte sofort aus dem Verkehr zu ziehen. Auf ihrer Homepage warnte die Beklagte vor Privatverkäufen, weil Gebrauchtgeräte ohne vorherige technische Überprüfung durch den Hersteller nicht im professionellen Einsatz betrieben werden könnten („TÜV CE ungültig“). Der Verkauf kam nicht zustande.

Das Berufungsgericht erachtete das Fitnessgerät als mangelhaft und gab dem Wandlungsbegehren der Klägerin unter Berücksichtigung eines Benützungsentgelts Folge, weil bei Vereinbarung einer CE‑Kennzeichnung erwartet werden könne, dass die für eine solche Kennzeichnung erforderlichen Konformitätsbewertungen tatsächlich durchgeführt worden seien.

3. Ob ein Mangel vorliegt, richtet sich nach dem konkreten Vertragsinhalt. Eine Leistung ist nur dann als mangelhaft anzusehen, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem Geschuldeten, also dem Vertragsinhalt, zurückbleibt (2 Ob 78/15f; RIS‑Justiz RS0018547). Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt. Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen (RIS‑Justiz RS0018547 [T5, T6], RS0114333 [T5]).

4. Die CE‑Kennzeichnung ist jene Kennzeichnung, durch die der Hersteller erklärt, dass das Produkt den geltenden Anforderungen genügt, die in den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft über ihre Anbringung festgelegt sind (Art 2 Z 20 der VO [EG] 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung [EWG] Nr 339/93 des Rates). Indem der Hersteller sie anbringt oder anbringen lässt, gibt er an, dass er die Verantwortung für die Konformität des Produkts mit allen in den einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft enthaltenen für deren Anbringung geltenden Anforderungen übernimmt (Art 30 Abs 3 leg cit). Dementsprechend wurde zu 8 ObA 70/12w ausgesprochen, dass mit der CE‑Kennzeichnung (dort nach § 8 Maschinen-Sicherheitsverordnung in der im Jahr 2009 geltenden Fassung) vom Hersteller, dessen Vertreter oder vom Inverkehrbringer die Übereinstimmung einer Maschine mit den zutreffenden Bestimmungen dieser Verordnung, insbesondere mit den grundlegenden Sicherheitsanforderungen, bescheinigt wird (vgl auch Herda, EuGH: CE-Kennzeichnung bei Bauprodukten, RdW 2015, 14).

5. Nach Art 8 der Niederspannungs-RL 2006/95/EG mussten die elektrischen Betriebsmittel vor dem Inverkehrbringen mit der in Artikel 10 vorgesehenen CE‑Kennzeichnung versehen werden, die anzeigt, dass sie den Bestimmungen dieser Richtlinie einschließlich den Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Anhang IV (interne Fertigungskontrolle) entsprechen. Eine entsprechende nationale Bestimmung enthielt § 6 Abs 1 der mit BGBl II 21/2016 aufgehobenen Niederspannungsgeräte-Verordnung 1995, BGBl 51/1995.

6. Da danach dann, wenn eine CE‑Kennzeichnung zur vereinbarten Eigenschaft des Produkts zählt, auch von der Übereinstimmung des Produkts mit den produktspezifisch geltenden EU-Richtlinien ausgegangen werden kann und zu dieser auch die Einhaltung des jeweiligen Konformitätsbewertungsverfahrens zählt, ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass dessen Fehlen einen gewährleistungsbegründenden Mangel der Sache iSd § 922 ABGB begründet, hier nicht weiter zu beanstanden. Das Argument der Revision, dass ein Konformitäts-bewertungsverfahren nicht an den Endabnehmer, sondern an die Verwaltungsbehörden gerichtet sei, verkennt, dass die Streitteile mit der ausdrücklichen Vereinbarung der CE‑Kennzeichnung die (vollständige) Einhaltung der produktspezifischen Bestimmungen zum Vertragsinhalt machten, an dem das Vorliegen eines Mangels zu messen ist.

7. Die Revision ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO; die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979).

Stichworte