OGH 5Ob157/16y

OGH5Ob157/16y29.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. E***** E*****, geboren am *****, 2. Ing. D***** E*****, geboren am *****, und 3. G***** E*****, MA, geboren am *****, alle vertreten durch Dr. Christian Frühwirth, öffentlicher Notar in Bad Radkersburg, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und anderer Grundbuchshandlungen ob EZZ 218 und 220 je KG *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 13. Mai 2016, GZ 4 R 10/16v‑6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldbach vom 3. Dezember 2015, TZ 9156/2015, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00157.16Y.0929.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wie folgt lautet:

Urkunden

1 Übergabsvertrag vom *****2 Geburtsurkunde vom *****3 Geburtsurkunde vom *****4 Bescheid vom *****Bewilligt wird1 in EZ 218 KG ***** die lastenfreie Abschreibung der Gst 49/26 49/72 138 und Zuschreibung zur EZ 220 KG *****2 in EZ 218 KG ***** auf Anteil B‑LNR 1 1 ANTEIL; 1/1 E***** E***** GEB: ***** ADR: ***** zu 1/2 (bezogen auf den Anteil) die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Ing. D***** E*****, geb. *****3 in EZ 218 KG ***** auf Anteil B‑LNR 1 1 ANTEIL; 1/1 E***** E***** GEB: ***** ADR: ***** zu 1/2 (bezogen auf den Anteil) die Einverleibung des Eigentumsrechtes für G***** E*****, geb. *****4 in EZ 218 KG ***** die Einverleibung der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechtes gemäß Punkt Viertens 1.) des Übergabsvertrages vom 09. 10. 210 für E***** E*****, geb. ***** G***** E*****, geb. *****5 in EZ 218 KG ***** die Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungs‑ verbotes sowie dessen Ersichtlichmachung im B‑Blatt für E***** E*****, geb. ***** G***** E*****, geb. *****6 in EZ 220 KG ***** auf Anteil B‑LNR 2 2 ANTEIL: 1/1 E***** E***** GEB: ***** ADR: ***** zu 1/2 (bezogen auf den Anteil) die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Ing. D***** E*****, geb. *****7 in EZ 220 KG ***** auf Anteil B‑LNR 2 2 ANTEIL: 1/1 E***** E***** GEB: ***** ADR: ***** zu 1/2 (bezogen auf den Anteil) die Einverleibung des Eigentumsrechtes für G***** E*****, geb. *****8 in EZ 220 KG ***** die Einverleibung der Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechtes für E***** E*****, geb. *****9 in EZ 220 KG ***** die Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungs‑ verbotes sowie dessen Ersichtlichmachung im B‑Blatt für E***** E*****, geb. ***** G***** E*****, geb. *****Verständigt wird1) Dr. Christian Frühwirth, GZ 10376/Dr.F./CR, Langgasse 53, 8490 Bad Radkersburg2) Ing. D***** E*****, geb. *****3) G***** E*****, geb. *****4) E***** E*****, geb. *****5) G***** E*****, geb. *****6) Marktgemeindeamt T*****7) Finanzamt O***** Vollzug und Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.“

 

Begründung:

Die Antragsteller begehrten aufgrund der eingangs angeführten Urkunden wie aus dem Spruch ersichtlich.

Das Erstgericht wies das Grundbuchgesuch ab, weil der Bescheid vom 15. 10. 2015 lediglich die rechtskräftige Feststellung gemäß § 6 Stmk Grundverkehrsgesetz (GVG) für die Übertragung des Eigentums enthalte, während für die Einräumung des Fruchtgenussrechts (§ 5 Abs 1 Z 2 Stmk GVG) ein Bescheid (§ 30 Abs 1 Stmk GVG) fehle. Das Begehren auf Mitübertragung der Eintragung B‑LNR 1 in der EZ 218 zur EZ 220 sei – ohne dass dies einen Abweisungsgrund darstelle – im Antrag nicht zu erfassen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Es führte rechtlich aus, dass der Oberste Gerichtshof zu einem ähnlichen Sachverhalt – wenngleich zum niederösterreichischen Grundverkehrsgesetz (nö GVG) – ausgesprochen habe, die Einräumung des Fruchtgenussrechts des Übergebers im Rahmen eines Übergabevertrags über land- und forstwirtschaftliche Liegenschaften bedürfe der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde (5 Ob 136/97d). Diese Ansicht sei bei – soweit überblickbar – vergleichbarer Rechtslage auf den vorliegenden Fall übertragbar und habe die Abweisung des gesamten Grundbuchgesuchs zur Folge.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 126 Abs 1 GBG) abhänge.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Bewilligung des Grundbuchgesuchs.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Rechtsentwicklung zulässig und berechtigt.

1. Nach § 5 Abs 1 Stmk GVG (LGBl 1993/134 idgF) sind genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte (ua) die Übertragung des Eigentums (Z 1) und die Einräumung des Fruchtnießungsrechts (Z 2). Gemäß § 30 Abs 1 Stmk GVG darf ein Recht (§ 5 Stmk GVG) an einem land- und forstwirtschaftlichen Grundstück (§ 2 Abs 1 Stmk GVG) im Grundbuch nur eingetragen werden, wenn dem Grundbuchgesuch die rechtskräftige Genehmigung beigeschlossen ist (§§ 8, 9 oder 11 Stmk GVG) oder die rechtskräftige Feststellung, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist (§ 6 Abs 2 Stmk GVG).

2. Zu dem – insoweit inhaltlich mit § 5 Abs 1 Stmk GVG – übereinstimmenden § 2 Abs 1 nö GVG 1989 – hat der Oberste Gerichtshof bereits in der vom Rekursgericht bezogenen Entscheidung 5 Ob 136/97d (= NZ 1998/406 [GBSlg] [krit Hoyer]) Stellung genommen und ausgeführt, dass auch die – hier ebenso vorliegende – Einräumung des Fruchtgenussrechts des Übergebers im Rahmen eines Übergabsvertrags über landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Liegenschaften gemäß § 2 Abs 1 nö GVG der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedürfe.

3. Die Entscheidung 5 Ob 136/97d ist auf beachtliche Kritik gestoßen. Hoyer merkte dazu (aaO) an, dass der Fruchtgenuss nur einen Teil der Befugnisse des Eigentümers (§ 354 ABGB) umfasse, aber nichts qualitativ anderes darstelle: Die Befugnisse des Eigentümers seien um die des Fruchtgenusses eingeschränkt (§ 364 ABGB). Aus dieser Sicht „behalte sich“ der Übergeber bei Übergabe des Eigentums „den Fruchtgenuß vor“. Ein rechtsgeschäftlicher Erwerb des Fruchtgenusses iSd § 2 Abs 1 nö GVG arg „Einräumung des Fruchtgenußrechtes“ liege also gar nicht vor, damit entfalle das Bewilligungserfordernis. Diesen Erwägungen ist zu folgen:

4.1. Hier räumten die Übernehmer – ganz üblicher Vertragsgestaltung entsprechend – dem Übergeber an bestimmten Grundstücken „das lebenslängliche und unentgeltliche Fruchtgenussrecht nach den gesetzlichen Bestimmungen ein“.

4.2. Qualitativ hat damit der bisherige Eigentümer nicht ein beschränktes dingliches Recht neu eingeräumt erhalten, sondern er hat sich bestimmte Nutzungen und Befugnisse eines Eigentümers, die ihm bisher ohnehin schon kraft seines Eigentums zustanden, vorbehalten.

4.3. Dieses Verständnis entspricht auch einer langjährigen, gerade für bäuerliche Übergaben einschlägigen Rechtsprechung nach der bei der Beurteilung (des Ausmaßes) der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit einer Liegenschaftsübergabe als Gegenleistung nur eine aus dem Vermögen des Übernehmers (allenfalls auch aus dem Vermögen eines Dritten für ihn) erbrachte Leistung zu veranschlagen ist, nicht aber auch der Vorbehalt von Nutzungen und sonstigen Befugnissen eines Eigentümers, die dem Übergeber schon bisher aufgrund seines Eigentums zustanden (RIS‑Justiz RS0012978). Ein bei der Übergabe vorbehaltenes lebenslanges Fruchtgenussrecht ist daher in diesem Kontext nur eine Minderung der Zuwendung, nicht aber Gegenleistung (5 Ob 178/13g mwN; 5 Ob 589/89).

4.4. Gegen die zu 4.2. beschriebene Sichtweise bestehen auch keine grundverkehrsrechtlichen Bedenken. Nach § 1 Stmk GVG ist es die Zielsetzung der Regelungen über den Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, die Grundlagen für einen leistungsfähigen Bauernstand entsprechend den strukturellen und natürlichen Gegebenheiten des Landes oder für leistungsfähige land- und forstwirtschaftliche Betriebe zu erhalten. Zu einer Beeinträchtigung dieser Zielsetzung kann es aber dann nicht kommen, wenn sich im Zuge einer bäuerlichen Übergabe allein der bisherige Eigentümer ein Fruchtgenussrecht zurückbehält und die Eigentumsübertragung an die Übernehmer ohnehin der grundverkehrsbehördlichen Überprüfung unterliegt. Daraus folgt im Ergebnis:

5.1. § 5 Abs 1 Z 2 Stmk GVG ist dahin einschränkend auszulegen, dass die Einräumung des Fruchtnießungsrechts dann kein genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft darstellt, wenn sich allein der bisherige Eigentümer und Übergeber der Liegenschaft im Zuge einer bäuerlichen Übergabe ein Fruchtgenussrecht an der übergebenen Liegenschaft oder Teilen daran „vorbehält“. Da im Sinn dieser einschränkenden Auslegung auch hier die Begründung des Fruchtgenussrechts zugunsten des Übergebers kein genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft darstellt, liegt der von den Vorinstanzen angenommene Abweisungsgrund nicht vor.

5.2. In Stattgebung des Revisionsrekurses war das Grundbuchgesuch somit zu bewilligen. Lediglich das Begehren auf Mitübertragung der Eintragung B‑LNR 1 in der EZ 218 zur EZ 220 hatte als unnötig zu entfallen. Einer gesonderten Teilabweisung bedurfte dies nicht, weil sich dadurch am gänzlich bewilligenden Charakter der Entscheidung nichts ändert.

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