OGH 14Os75/16k

OGH14Os75/16k14.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen DI Dr. Herbert M***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2,

148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Privatbeteiligten Verlassenschaft nach Elizabeth N***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. April 2016, GZ 111 Hv 24/16m‑15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00075.16K.0914.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Der Privatbeteiligten fallen die durch ihr ganz erfolglos gebliebenes Rechtsmittel verursachten Kosten des Strafverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde DI Dr. Herbert M***** vom Vorwurf, er habe in W*****

(I) von 11. Juli 2007 bis 17. Jänner 2012 Verfügungsberechtigten der Verlassenschaft nach der am 23. April 2007 in Australien verstorbenen Elizabeth N***** fremde bewegliche Sachen im Wert von über 5.000 Euro mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er „nach Kenntnisnahme vom Ableben der Elizabeth N***** spätestens Ende Mai 2007 diesen Umstand gegenüber Mitarbeitern der U***** AG verschwieg“, in zahlreichen Angriffen insgesamt 82.510 Euro von einem auf die Verstorbene lautenden Konto „mittels Bankomatkarte bei Geldausgabeautomaten behob“ und sich diese Beträge zueignete, wobei er die Diebstähle in der Absicht ausführte, sich durch deren wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen;

(II) am 9. und 28. Juli 2009 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, in zwei Angriffen Mitarbeiter der U***** AG durch die Vorspiegelung eines bestehenden Auftragsverhältnisses zwischen ihm und Elizabeth N*****, obwohl die Genannte bereits am 23. April 2007 verstorben war, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Ausfolgung von 5.160 Euro (1) und 1.750 Euro (2) Bargeld zu Lasten eines auf die Verstorbene lautenden Kontos verleitet, wodurch die Verlassenschaft nach Elizabeth N***** einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden erlitt „und er einen schweren Betrug (§ 147 Abs 2 StGB) gewerbsmäßig beging“,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Privatbeteiligten Verlassenschaft nach Elizabeth N***** kommt keine Berechtigung zu.

Sie beruft sich auf den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Privatbeteiligtenvertreters, worin dieser unter Bezugnahme auf seine davor geäußerte Rechtsansicht, nach der „die schriftliche Aussage von Deszo S***** keine formelle Einvernahme im Sinne der StPO war“, (wörtlich bloß) die „persönliche Einvernahme des Deszo S*****, sei es, dass er geladen wird, sei es im Rechtshilfeweg“ begehrt hat (ON 14 S 42).

Mit ihrem – auch inhaltlich nicht zutreffenden – Einwand, das Schöffengericht habe den Antrag im Rahmen seiner ablehnenden Beschlussfassung (ON 14 S 43) nur „in der Variante 'sei es im Rechtshilfeweg' abgewiesen, und somit ... in der Variante der Ladung durch das erkennende Gericht gesetzwidrigerweise gar nicht erledigt“, übersieht die Rechtsmittelwerberin zunächst, dass die

Nichterledigung einer Antragstellung ihrer

Abweisung gleichkommt (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO).

Die Abweisung aber erfolgte dem Beschwerdestandpunkt zuwider schon deshalb zu Recht, weil das Begehren nicht den vom Gesetz (§ 55 StPO) und von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verlangten formalen Mindestanforderungen entsprach. Danach hat jeder Beweisantrag

– unabhängig von der Person des Antragstellers – neben dem (hier alleine genannten) Beweismittel das Beweisthema zu enthalten und anzugeben, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis (= Beweisthema) erwarten lasse, sowie inwieweit dieses für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage

von Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0118444).

Während der Antragsteller zu einem weiteren Vorbringen in Bezug auf die Tauglichkeit der Beweisführung nur dann verhalten ist, wenn diese für das erkennende Gericht nicht ohne weiteres erkennbar ist (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327 f), sieht das Gesetz im Hinblick auf die – hier unterbliebene – Anführung des Beweisthemas keine entsprechenden Ausnahmen vor. Dessen explizite Nennung kann auch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur in besonders gelagerten Einzelfällen unterbleiben (vgl 13 Os 51/10i).

Ein solcher lag hier schon mit Blick auf die umfassenden, den Angeklagten ohnehin belastenden Angaben des Deszo S***** vor einem Solicitor in Australien (ON 9 S 12 ff), die nach dem – nur in Bezug auf den vor Schluss des Beweisverfahrens festgehaltenen Vortrag des gesamten Akteninhalts (ON 14 S 43) bestrittenen, ansonsten ungerügt gebliebenen – Protokoll über die Hauptverhandlung vor Antragstellung einvernehmlich verlesen (und im Urteil umfassend erörtert) wurden (ON 14 S 41; US 7 ff), nicht vor.

Das zur

Antragsfundierung

nachgetragene Beschwerdevorbringen, das sich zudem zum Großteil in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (und einem Privatbeteiligten auch sonst nicht zustehenden; §§ 465 Abs 3, 489 Abs 1 StPO) Schuldberufung erschöpft, stellt eine unzulässige Neuerung dar und ist daher unbeachtlich (vgl RIS‑Justiz RS0099117). Soferne mit diesen Ausführungen ein durch die – nach dem Vorgesagten einverständlich erfolgte – Verlesung der Niederschrift bewirkter Verstoß gegen § 252 StPO behauptet werden soll, genügt der Hinweis, dass Privatbeteiligte zur Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 3 StPO nicht legitimiert sind (§ 282 Abs 2 StPO).

Dem Vorwurf, das Erstgericht habe den Antrag in der Hauptverhandlung „als zulässig behandelt, über diesen im Schöffensenat formal beraten und diesen dann, soweit es ihn erledigt hat“ – zudem zu Unrecht – „wegen Entscheidungsreife der Strafsache, abgewiesen“ (vgl dagegen im Übrigen ON 14 S 43), und sei erstmals in der Urteilsbegründung, „wenn keine Verbesserungsmöglichkeit mehr besteht“, von einer „gesetzwidrigen Antragstellung“ ausgegangen, ist zunächst zu entgegnen, dass die Richtigkeit der Begründung für eine abweisliche Entscheidung nicht unter Nichtigkeitssanktion steht, wenn nur dem Antrag (wie hier) auch nach der – auf den Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen – Ansicht des Obersten Gerichtshofs (im Ergebnis) keine Berechtigung zukam (RIS‑Justiz RS0121628; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 318).

Abgesehen davon, dass eine mit dem Vorbringen vage angesprochene Manuduktionspflicht auch gegenüber einem Verteidiger grundsätzlich nicht besteht ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 315), kann mit der dem Privatbeteiligten seit 1. Jänner 2008 – eingeschränkt auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO und nur unter den weiteren gesetzlich normierten Voraussetzungen (§ 282 Abs 2 StPO) – eingeräumten Nichtigkeitsbeschwerde ausschließlich die Abweisung eines Beweisantrags (§ 55 StPO), nicht auch sonstiger Anträge geltend gemacht werden. Unterlassene Anleitung (§ 10 Abs 2 StPO) ist nicht deren Gegenstand. Damit haben Privatbeteiligte keinen mit Nichtigkeitsbeschwerde durchsetzbaren Anspruch auf Einhaltung der in § 238 Abs 3 StPO erwähnten Begründungspflicht (ein entsprechender Antrag wurde in der Hauptverhandlung auch gar nicht gestellt) oder – selbst bei (hier nicht gegebenem) Fehlen eines rechtskundigen Vertreters – auf Anleitung zur Stellung von Beweisanträgen (vgl zum Ganzen Ratz , WK‑StPO § 282 Rz 44).

Mit der spekulativen Behauptung, die abweisliche Entscheidung über den Beweisantrag fuße nicht auf einer „gesetzmäßigen Beratung des Schöffensenats“, sondern sei „offensichtlich“ vom Vorsitzenden alleine getroffen worden, weil es in der für die angebliche Beratung in Anspruch genommenen Zeitspanne von nur drei Minuten (ON 14 S 43) „absolut unmöglich“ gewesen wäre, den Schöffen die rechtlichen und faktischen Kriterien für die Entscheidungsfindung „auch nur annähernd darzulegen“, wird Nichtigkeit aus Z 4 nicht behauptet.

Soweit die Beschwerde die Forderung nach Vernehmung des Deszo S***** nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) auch unter Berufung auf die Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung erhebt, verlässt sie ein weiteres Mal den einem Privatbeteiligten gesteckten Anfechtungsrahmen und verkennt darüber hinaus, dass dieser – gegenüber jenem der Z 4 zudem subsidiäre – Nichtigkeitsgrund zum Nachteil des Angeklagten gar nicht geltend gemacht werden kann (§ 281 Abs 2 StPO; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 479).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 zweiter Satz StPO.

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