OGH 1Ob115/16t

OGH1Ob115/16t30.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** P*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Maria Paumgartner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei H***** S*****, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in Neumarkt am Wallersee, wegen Feststellung (Streitwert 5.800 EUR) und Einwilligung (Streitwert 5.800 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 24. März 2016, GZ 53 R 307/15a‑24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 24. September 2015, GZ 32 C 108/15b‑19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00115.16T.0830.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Der Kläger war zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft mit einem Wohnhaus. Die Zufahrt zum Wohngebäude ist so schmal, dass nur ein Pkw Platz hat. Der Kläger hatte seit 1983 ein Auto, das er stets in der Einfahrtsstraße von dem Haus parkte. In einem 1986 mit der zweiten Miteigentümerin geschlossenen Realteilungsvertrag wurde die Einfahrt deren neu geschaffenem Grundbuchskörper zugeordnet. Dem Kläger wurde zugunsten seiner Liegenschaft die Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts eingeräumt, die auch verbüchert wurde. „Im Zuge des Abschlusses“ des Realteilungsvertrags hatte der Kläger seine Nachbarin gefragt, ob er nach wie vor in der Einfahrtsstraße parken könne, woraufhin sie meinte, es bleibe alles beim Alten. Als einige Jahre später auch der Lebensgefährte der Nachbarin einen Pkw hatte, wurde die Parkplatzsituation in der Form arrangiert, dass die beiden Fahrzeugbesitzer voneinander auf Dauer die Zweitautoschlüssel hatten, damit jeder das Fahrzeug des anderen wegfahren konnte, wenn das eigene Fahrzeug „verparkt“ war. Diese Vorgangsweise war dem Beklagten bekannt. Er erwarb die ursprünglich der Nachbarin gehörende Liegenschaft 2014 käuflich von einer Gesamtrechtsnachfolgerin in Kenntnis des bücherlich einverleibten Geh‑ und Fahrtrechts des Klägers. In den Monaten vor Unterfertigung des Kaufvertrags, in denen er bereits Räumungs‑ und Reinigungsarbeiten im Haus durchführte, händigte auch er dem Kläger über dessen Anfrage zunächst dauerhaft den Zweitschlüssel für sein Fahrzeug aus, damit dieser – der nachts als Taxifahrer tätig ist – die in der Einfahrtsstraße abgestellten Fahrzeuge bei Bedarf umparken konnte. Nach Unterzeichnung des Kaufvertrags forderte der Beklagte vom Kläger unter einem Vorwand seinen Zweitschlüssel wieder zurück und teilte ihm mit, dass dieser ab sofort in der „Straße“ nicht mehr parken dürfe.

Das Erstgericht stellte – im Sinne des Eventualbegehrens – fest, dass dem Kläger als Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegenüber dem Beklagten als Eigentümer des dienenden Grundstücks die Dienstbarkeit des Haltens und Parkens mit einem Pkw in einem bestimmten Bereich der Einfahrt zustehe, und erkannte den Beklagten schuldig, in der Einverleibung einer entsprechenden Dienstbarkeit einzuwilligen. Der Kläger habe zwar kein Parkrecht ersessen, weil die dreißigjährige Ersitzungszeit seit dem Abschluss des Realteilungsvertrags noch nicht abgelaufen sei – vorher habe er sein Fahrzeug im Rahmen seiner Rechte als Miteigentümer und nicht als Servitutsberechtigter geparkt –, doch sei die von ihm geltend gemachte Dienstbarkeit auf anderem Weg entstanden. Es komme nämlich auch ohne besondere Abrede zu einer stillschweigenden Dienstbarkeitsbestellung bei Übereignung von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dient. Da das Grundstück des Beklagten offenkundig dem Grundstück des Klägers gedient habe und auch weiterhin dienen habe sollen, zumal aufgrund der baulichen Gegebenheiten ein Parken auf dem Grund des Klägers nicht möglich ist und er auch stets in der (einzigen) Einfahrtsstraße parkte, sei unmittelbar durch die Realteilung die Dienstbarkeit des Parkens zu Gunsten des Grundstücks des Klägers entstanden. Der Beklagte könne sich nicht auf einen lastenfreien Erwerb im Vertrauen auf das Grundbuch gemäß § 1500 ABGB berufen, weil er bereits bei Abschluss des Kaufvertrags positive Kenntnis von dem Umstand gehabt habe, dass der Kläger stets sein Fahrzeug in der Einfahrtsstraße abstellte, und er auch gewusst habe, dass dieser aufgrund der baulichen Gegebenheiten keine Möglichkeit hat, sein Fahrzeug auf seinem eigenen Grund abzustellen. Das Parkrecht des Klägers sei demnach durch die Realteilung entstanden und auch nicht durch einen gutgläubigen Erwerb des Beklagten erloschen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klageabweisenden Sinn ab, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Vertragliche nicht verbücherte Servituten seien zwar zulässig, könnten jedoch nur die Vertragsparteien und deren Gesamtrechtsnachfolger binden. Für die Annahme der schlüssigen Einräumung einer Dienstbarkeit seien strenge Anforderungen zu stellen. Im vorliegenden Fall könne die im Rahmen der gepflogenen Gebrauchsordnung von der seinerzeitigen Nachbarin dem Kläger gestattete Nutzung der Einfahrt zum Parken nicht als konkludente Einräumung einer dinglichen Servitut verstanden werden, zumal eine solche die eigene Nutzung der Einfahrt zum Zufahren gänzlich unmöglich gemacht hätte. Vielmehr sei aufgrund der Umstände von einer bloß obligatorischen Einräumung eines Gebrauchsrechts auszugehen. Auch durch den Abschluss des Realteilungsvertrags sei es nicht zum Entstehen einer solchen Dienstbarkeit gekommen. Die damaligen Vertragsparteien hätten lediglich die grundbücherliche Einräumung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über die Einfahrt, nicht aber eine Servitut des Parkens vereinbart. Das eingeräumte Wegerecht umfasse nicht auch die Dienstbarkeit des Parkens, also das Abstellen von Fahrzeugen auf längere Zeit. Da schon die räumliche Enge der Einfahrt, die beide Objekte aufschließt, ein sinnvolles Parken von zwei Parteien nur dann zulässt, wenn diese sich im Rahmen wechselseitiger nachbarschaftlicher Rücksichtnahme und gegenseitigem Einvernehmen auf eine Gebrauchsordnung verstehen, wie sie auch tatsächlich gelebt worden sei, könne nicht angenommen werden, dass dem Kläger ein Recht zugebilligt hätte werden sollen, das die Nachbarin von ihrem Recht ausschließen würde, die Zufahrt gleichermaßen unter Beachtung des verbücherten Geh‑ und Fahrtrechts des Klägers zum Zufahren und kurzfristigen Halten zu nützen. Vor diesem Hintergrund könne auch nicht unterstellt werden, dass die Parteien bei Abschluss des Realteilungsvertrags die (gewünschte) Einräumung einer dinglichen Servitut des Parkens schlicht übersehen hätten. Der Kläger habe ein entsprechendes dingliches Recht auch nicht ersessen, weil es angesichts der vereinbarten Gebrauchsordnung sowohl am Ersitzungsbesitz als auch an der Redlichkeit des Klägers gefehlt habe. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Kläger letztlich doch Rechtsfragen aufzeige, denen erhebliche Bedeutung für die Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung zukomme, und Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Fall nicht bestehe, obwohl sich Fragen des (schlüssigen) Zustandekommens von Dienstbarkeitsvereinbarungen und der Ersitzung auch unter Miteigentümern immer wieder stellten, wenn ein Gebrauchsrecht an einer „Allgemeinfläche“ unwidersprochen von einem Miteigentümer über einen längeren Zeitraum allein ausgeübt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil darin nicht aufgezeigt wird, dass die Entscheidung von einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhinge.

Sowohl die Frage, ob und mit welchem Inhalt eine konkludente Vereinbarung zustande gekommen ist, als auch die, ob ein allenfalls bestehendes außerbücherliches Recht durch einen gutgläubigen Erwerb gemäß § 1500 ABGB erloschen ist, sind stets nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beantworten (RIS‑Justiz RS0042936 [T36], RS0034776 [T12, T14, T17]). Eine erhebliche Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht unterlaufen.

Was die (von beiden Vorinstanzen abgelehnte) Ersitzung betrifft, lassen die Revisionsausführungen jede Erklärung dafür vermissen, warum der Kläger während seiner Position als Miteigentümer Grund zur Annahme gehabt haben sollte, er könne das Recht, in einem bestimmten Bereich zu parken, aus einer ihm zukommenden Dienstbarkeit ableiten. Die Annahme, seine Nutzung sei jedenfalls bis zur Realteilung allein in Ausübung seiner Rechte als Miteigentümer erfolgt, begegnet keinen Bedenken.

Gleiches gilt für die Beurteilung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei von seiner damaligen Nachbarin kein (ausschließliches) Recht des Parkens im Zufahrtsbereich zu Gunsten seiner Liegenschaft eingeräumt worden. Dem Hauptargument, es könne nicht angenommen werden, dass die Nachbarin beabsichtigt hätte, sich eigener wesentlicher Befugnisse zu begeben, obwohl dies im schriftlichen Vertrag keinen Niederschlag gefunden hat, setzt der Revisionswerber nichts Stichhaltiges entgegen. Darüber hinaus sind seine Ausführungen teilweise auch widersprüchlich und schwer verständlich. Was er damit meint, dass ihm „zunächst“ die Dienstbarkeit zum „alleinigen“ Parken eingeräumt worden sei, ist unklar, lässt aber doch den Schluss zu, dass nachträglich eine abweichende Vereinbarung getroffen worden sei. Seine – im Zusammenhang mit der Ersitzung aufgestellte – Behauptung, es habe eine vertragliche Gebrauchsüberlassung nicht gegeben, ist mit seinem sonstigen Prozessstandpunkt unvereinbar.

Weitgehend ohne Erklärung bleibt auch, warum nach Auffassung des Revisionswerbers im Zusammenhang mit der Realteilung der ursprünglich gemeinschaftlichen Liegenschaft die Dienstbarkeit des Parkens zu Gunsten seines Grundstücks ohne weiteres zustande gekommen sein soll. Die Rechtsprechung, auf die er sich in diesem Zusammenhang beruft (RIS‑Justiz RS0119170), hat andere Fälle im Auge, nämlich solche, in denen bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers eine davon offenkundig der anderen dient und weiter dienen soll (ähnlich auch RIS‑Justiz RS0011643). Abgesehen davon, dass die Fälle der Realteilung einer Liegenschaft häufig anders liegen und eine bisher gepflogene Besitzungsregelung nicht ohne weiteres – als Servitut – aufrecht bleiben muss, wurde dem Interesse des Klägers an der Erreichbarkeit seiner Liegenschaft durch die Vereinbarung eines (dinglichen) Geh- und Fahrrechts ohnehin Rechnung getragen. Auch die in der Revision ins Treffen geführte Entscheidung 4 Ob 74/07x befasst sich lediglich mit dem Recht des Gehens und Fahrens.

Wenn der Revisionswerber schließlich einräumt, dass Dienstbarkeiten in verschiedensten Formen ausgestaltet sein könnten, und zwar etwa auch dahin, dass der „Dienstbarkeitsgeber“ die Dienstbarkeitsfläche weiter mitnutzen kann, übersieht er offenbar, dass er mit seinem Klagebegehren von vornherein die Feststellung eines ausschließlichen Rechts, auf einer bestimmten Fläche zu parken, angestrebt hat. Er legt auch in keiner Weise dar, welchen genauen Inhalt sein behauptetes dingliches Recht haben könnte, wenn gleichzeitig auch dem Eigentümer des dienenden Grundstücks die Möglichkeit der Nutzung des fraglichen Bereichs zukommen sollte. Der Zuspruch eines vom Klagebegehrens abweichenden aliud käme auch gar nicht in Betracht.

Nur der Vollständigkeit halber ist schließlich darauf hinzuweisen, dass sich der Beklagte schon im Verfahren erster Instanz darauf berufen hat, dass er angesichts des Grundbuchstandes mit der nunmehr vom Kläger behaupteten Dienstbarkeit nicht rechnen musste und das Eigentum somit ohne eine entsprechende Belastung erworben habe. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, war für den Beklagten – entgegen der Auffassung des Erstgerichts – das Bestehen eines der Liegenschaft des Klägers zukommenden Rechts, in einem bestimmten Bereich der Zufahrt ausschließlich zu parken in keiner Weise ersichtlich. Vielmehr nahm der Beklagte lediglich die offenbar über mehr als zwanzig Jahre gepflogene Praxis wahr, dass zu beiden Wohnobjekten gehörende Fahrzeuge im Zufahrtsbereich parkten und jeweils durch entsprechendes „Umparken“ dafür Sorge getragen wurde, dass auch das weiter hinten stehende Fahrzeug die (enge) Zufahrt wieder verlassen konnte. Musste der Beklagte aber mit einem darüber hinausgehenden Recht des Klägers nicht rechnen, muss er dieses im Sinne des § 1500 ABGB jedenfalls nicht gegen sich gelten lassen.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass sein Schriftsatz nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienlich zu qualifizieren ist.

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