OGH 8Ob64/16v

OGH8Ob64/16v17.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Insolvenzsache des früheren Schuldners Dr. A***** K*****, Insolvenzverwalter Dr. Kurt Freyler, Rechtsanwalt in Wien, über die Revisionsrekurse der Einschreiterinnen 1) Dr. M***** K*****, und 2) K***** K*****, vertreten durch Dr. M***** K*****, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 7. März 2016, GZ 28 R 231/15v, 28 R 232/15s und 28 R 233/15p‑189, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00064.16V.0817.000

 

Spruch:

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Ansinnen der Einschreiterinnen besteht darin, dass ihre nachträglich geltend gemachten Forderungen, nämlich aus dem Titel des Ehegattenunterhalts zugunsten der Zweiteinschreiterin im Hinblick auf den vom EGMR dem früheren Schuldner zuerkannten Entschädigungsbetrag sowie aus dem Titel des Vertretungshonorars zugunsten der Ersteinschreiterin aus der rechtsfreundlichen Vertretung des früheren Schuldners vor dem EGMR, bei Verteilung des nachträglich zur Verfügung stehenden Vermögens als Masseforderungen Berücksichtigung finden. Dazu wird angemerkt, dass der frühere Schuldner der Auszahlung des der Nachtragsverteilung zugrunde gelegten Geldbetrags an den Insolvenzverwalter und der Verteilung dieses Betrags an die Insolvenzgläubiger ausdrücklich zugestimmt hat. Die Massezugehörigkeit des vom EGMR dem Schuldner wegen Abweisung seines Pensionsgesuchs durch die Rechtsanwaltskammer zugesprochenen Entschädigungsbetrags ist demnach nicht fraglich. Weiters wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 273 Abs 8 IO auf den Anlassfall die verfahrensrechtlichen Vorschriften insbesondere der §§ 252 bis 263 IO in der Fassung des IRÄG 2010 anzuwenden sind.

2. Der Beschluss des Erstgerichts in ON 174 betrifft die Kosten des Insolvenzverwalters. Nach § 125 Abs 2 letzter Satz KO (IO) entscheidet das Gericht zweiter Instanz über diese Frage endgültig. Ein weiterer Rechtszug ist damit ausgeschlossen (8 Ob 80/06g). Dieser Rechtsmittelausschluss gilt auch für die Beurteilung der Rechtsmittellegitimation durch das Rekursgericht. Im Übrigen sind die Rekursberechtigten in der in Rede stehenden Bestimmung ausdrücklich angeführt. Nach dieser eindeutigen Regelung sind einzelne Insolvenz‑ oder Massegläubiger nicht rechtsmittellegitimiert. Dieser Beurteilung des Rekursgerichts treten die Einschreiterinnen auch nicht entgegen.

Die sich auf den Beschluss in ON 174 beziehenden Revisionsrekurse sind damit absolut unzulässig.

3.1 Der Beschluss des Erstgerichts in ON 171 betrifft die Einleitung des Nachtragsverteilungsverfahrens und Einberufung des Insolvenzverwalters zur neuerlichen Ausübung seines Amts.

3.2 Die Zweiteinschreiterin hat diesen Beschluss nicht angefochten. Damit kann sie gegen diesen Beschluss keinen Revisionsrekurs mehr erheben. Ihr Rechtsmittel ist ebenfalls absolut unzulässig.

3.3 Den Rekurs der Ersteinschreiterin zum Beschluss in ON 171 hat das Rekursgericht (auch) als verspätet zurückgewiesen. Dagegen will der in dieser Hinsicht außerordentliche Revisionsrekurs der Ersteinschreiterin offenbar ins Treffen führen, dass die öffentliche Bekanntmachung der Anordnung der Nachtragsverteilung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, weil die neuerliche Ingangsetzung des Insolvenzverfahrens und das davon betroffene Vermögen nicht angegeben worden seien. Außerdem seien ordnungsgemäße Zustellungen an die Beteiligten unterblieben.

Die Zulassung der Nachtragsabwicklung ist gleichbedeutend mit der Einleitung des Nachtragsverteilungsverfahrens. Die Rechtsgrundlage dieses Beschlusses besteht in § 138 Abs 2 KO (IO) zufolge nachträglich hervorgekommenen Vermögens des Schuldners. In der Entscheidung 8 Ob 80/06g hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein Beschluss nach § 138 KO (IO) öffentlich bekannt zu machen ist. Dies wurde damit begründet, dass der Insolvenzverwalter mit der Beschlussfassung nach § 138 KO (IO) wieder zur Amtsausübung einberufen werde. Für die Bestellung des Insolvenzverwalters sei in § 80 Abs 1 KO (IO) ausdrücklich die öffentliche Kundmachung vorgesehen. Dies habe daher auch hinsichtlich der neuerlichen Einberufung des Insolvenzverwalters aus Anlass einer Nachtragsverteilung zu erfolgen.

Demnach ist in einem Beschluss auf Einleitung des Nachtragsverteilungsverfahrens nach § 138 KO (IO) auch die neuerliche Einberufung des Insolvenzverwalters anzuordnen. Ein solcher Beschluss ist im Sinn des § 257 Abs 2 IO in der Insolvenzdatei öffentlich bekannt zu machen.

Im Anlassfall wurde auch nach den Ausführungen der Ersteinschreiterin in der Insolvenzdatei (am 14. 4. 2015) bekannt gemacht, dass im fraglichen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners der ehemalige (namentlich genannte) Insolvenzverwalter zur Nachtragsverteilung neuerlich in sein Amt berufen wird. Daraus ergibt sich sowohl die Einleitung des Nachtragsverteilungsverfahrens als auch die neuerliche Einberufung des Insolvenzverwalters zu diesem Zweck. Damit liegt eine ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses nach § 138 KO (IO) vor.

Nach § 257 Abs 2 IO treten, wenn neben der öffentlichen Bekanntmachung eine besondere Zustellung vorgeschrieben ist, die Folgen der Zustellung schon durch die öffentliche Bekanntmachung ein, auch wenn die besondere Zustellung unterblieben ist. Nach ständiger Rechtsprechung wird daher die Rechtsmittelfrist bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung durch Aufnahme in die Insolvenzdatei in Lauf gesetzt, und zwar unabhängig davon, ob eine individuelle Zustellung erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0065237; 8 Ob 61/16b).

Ausgehend von diesen Grundsätzen wurden die Voraussetzungen für den Eintritt der Zustellungswirkung nach § 257 Abs 2 IO vom Rekursgericht ohne Rechtsirrtum bejaht. Daraus folgt, dass der von der Ersteinschreiterin erhobene Rekurs verspätet war.

4.1 Der Beschluss des Erstgerichts in ON 175 betrifft die Genehmigung des Nachtragsverteilungsentwurfs.

4.2 Das Rekursgericht hat die Rechtsmittellegitimation der Zweiteinschreiterin bejaht, weil sie im bereits abgeführten Konkursverfahren Dienstnehmeransprüche als Konkursforderungen angemeldet hatte. Es behandelte ihren Rekurs gegen den Beschluss in ON 175 daher inhaltlich, gab diesem aber keine Folge. In Ansehung der Zweiteinschreiterin fasste das Rekursgericht somit keinen Zurückweisungsbeschluss, sondern traf eine bestätigende Entscheidung.

Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 252 IO ist im Insolvenzverfahren ein Revisionsrekurs gegen bestätigende Beschlüsse jedenfalls unzulässig (8 Ob 31/16s mwN). Es ergibt sich somit, dass der Revisionsrekurs der Zweiteinschreiterin in seiner Gesamtheit als absolut unzulässig zu qualifizieren ist.

4.3 Den Rekurs der Ersteinschreiterin gegen den Beschluss in ON 175 hat das Rekursgericht hingegen mangels Legitimation zurückgewiesen. Sie berufe sich auf eine Masseforderung (Honorarforderung). Im Verteilungs‑ und Schlussrechnungsverfahren komme einem Massegläubiger nach § 124 KO Parteistellung nur dann zu, wenn seine Forderung feststehe und fällig sei. Dieser könne einwenden, der Masseverwalter habe seinen Anspruch bei der Befriedigung (Verteilung) übergangen. Eine Masseforderung scheide hier aus. Außerdem könne von einem feststehenden Anspruch keine Rede sein; die Ersteinschreiterin habe den Honoraranspruch erstmals in ihrem Rekurs geltend gemacht.

Die Ersteinschreiterin führt gegen die Genehmigung des Nachtragsverteilungsentwurfs (ON 175) in ihrem in dieser Hinsicht außerordentlichen Revisionsrekurs ins Treffen, dass kein Fall einer Nachtragsverteilung nach § 138 KO (IO), sondern der Fall einer Wiederaufnahme des Insolvenzverfahrens wegen vorhandenen Vermögens nach § 159 (iVm §§ 158 Abs 2, 212 analog) KO (IO) vorliege. Dies begründet sie damit, dass der vom EGMR festgesetzte Betrag nicht die Rückzahlung der Pensionsbeiträge des Schuldners, sondern einen gerechten Ausgleich betreffe.

Auch die Ersteinschreiterin kann sich schon infolge Rechtskraft des Beschlusses auf Einleitung des Nachtragsverteilungsverfahrens (ON 171) nicht mehr gegen die Durchführung dieses Verfahrens bzw die Zulassung der Nachtragsabwicklung wenden. Beim Beschluss des Erstgerichts in ON 175 handelt es sich um eine zwingende Rechtsfolge der Einleitung und Durchführung des Nachtragsverteilungsverfahrens. Demnach wendet sich die Ersteinschreiterin mit ihren Ausführungen in Wirklichkeit gegen den Beschluss nach § 138 KO (IO), was ihr jedoch nicht zusteht.

4.4 Schließlich führt die Ersteinschreiterin noch aus, dass auch im Rahmen einer Nachtragsverteilung nach § 138 KO (IO) ihre Honorarforderungen als Masseforderungen zu qualifizieren seien, weil diese mit der Erhaltung nach § 46 Z 2 IO in einem engen sachlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang stünden. Die Nachtragsmasse sei ausschließlich durch ihre Vertretung des Schuldners zustande gekommen.

Die Nachtragsverteilung stellt lediglich eine Ergänzung der Schlussverteilung dar. Sie ist weder eine Wiederaufnahme noch eine Fortsetzung des Insolvenzverfahrens. Es bleibt daher bei der Aufhebung (hier) des Konkurses. Die Argumentation der Ersteinschreiterin scheitert daher schon daran, dass der von ihr behauptete Honoraranspruch erst nach Aufhebung des Konkurses entstanden ist und daher keine Masseforderung darstellt. Dementsprechend hat sie diesen Anspruch erstmals im Rekursverfahren gegenüber der Masse geltend gemacht.

Im vorliegenden Verfahren kommt der Ersteinschreiterin somit nicht die Stellung einer Massegläubigerin zu. Für den von ihr behaupteten Anspruch auf Teilnahme ihrer nachträglichen Honorarforderung an der Nachtragsverteilung fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

Mit ihren sich auf den Beschluss des Erstgerichts in ON 175 beziehenden Ausführungen vermag die Ersteinschreiterin keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Auch ein Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor. Ebenso wenig war ihre Anregung auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens aufzugreifen.

5. Insgesamt waren die Revisionsrekurse der beiden Einschreiterinnen zurückzuweisen. Soweit das Rechtsmittel von der Zweiteinschreiterin erhoben wurde, erweist sich dieses als absolut unzulässig. Dies gilt auch für den Revisionsrekurs der Ersteinschreiterin in Bezug auf den Beschluss des Erstgerichts in ON 174.

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