OGH 14Os36/16z

OGH14Os36/16z28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Jülg als Schriftführer in der Strafsache gegen Milic V***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 28. Jänner 2016, GZ 605 Hv 12/15t‑59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00036.16Z.0628.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im Schuldspruch und demzufolge im Strafausspruch aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Milic V***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt.

Danach hat er von 26. bis 30. August 2015 in N***** und an anderen Orten in einverständlichem Zusammenwirken mit dem gesondert verurteilten Mersad H***** und anderen unbekannten Mittätern (§ 12 StGB) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von mindestens drei Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gefördert, indem er einen von ihm angekauften LKW der Marke Ford Transit mit falschen Kennzeichentafeln versah, österreichische und ungarische Autobahnvignetten kaufte und den LKW Mersad H***** zwecks Durchführung von Schleppungen zur Verfügung stellte, während er selbst ein Begleitfahrzeug lenkte, wobei mit dem LKW Ford Transit 20 Fremde syrischer und unbekannter Staatsangehörigkeit an der ungarisch-serbischen Grenze übernommen und gegen einen nicht festgestellten Geldbetrag an die Schlepperorganisation durch Ungarn nach Österreich verbracht wurden, wobei die Tat auf eine Weise begangen wurde, durch die die Fremden, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, indem sie auf der Ladefläche des Ford Transit stehend oder hockend die etwa vierstündige Fahrt ohne Pause bei mangelnder Versorgung an Nahrungsmitteln, mangelnden Hygienemöglichkeiten und mangelnder Luftzufuhr verbringen mussten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist im Recht.

Im Ergebnis macht der Beschwerdeführer zutreffend (der Sache nach aus Z 5 vierter Fall) eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zum (objektiven) Tatgeschehen geltend. Insoweit erblickte der Schöffensenat, der ansonsten nur pauschal nicht näher genannte „Polizeiermittlungen“ referierte, in den Angaben des Zeugen Mersad H***** erkennbar eine notwendige Bedingung (RIS‑Justiz RS0116737; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 410) für die Konstatierungen zu der dem Angeklagten angelasteten Tathandlung (US 3 f). Dieser Zeuge hatte zwar anlässlich seiner (in der Hauptverhandlung gemäß § 258 Abs 1 StPO vorgekommenen [ON 58]) polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter in dem ihn betreffenden Ermittlungsverfahren zur vorliegenden Schlepperfahrt (insbesondere zum Ablauf, zu den dabei verwendeten Fahrzeugen und zu einzelnen, daran beteiligten Personen) ausgesagt (ON 4 AS 19 bis 27), dabei aber den Angeklagten gar nicht belastet.

Darüber hinaus verweist die Beschwerde zu Recht darauf, dass die von Mersad H***** berichteten Todesdrohungen unbekannter Personen gegen ihn und seine Familie für den Fall der Bekanntgabe von Hintermännern (ON 58 S 8 ff), einen willkürfreien Schluss auf die Annahme der „Wichtigkeit des Angeklagten in der Schlepperorganisation“ (vgl US 4) nicht zulassen.

Die vorliegenden Begründungsdefizite machen – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Urteilsaufhebung bereits bei nichtöffentlicher Beratung unvermeidlich (§ 285e StPO), worauf der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war.

Im zweiten Rechtsgang werden mängelfreie Konstatierungen zu treffen sein, wobei auch Indizienbeweise eine taugliche Grundlage des Schuldspruchs bilden, wenn die aus ihnen gezogenen Schlüsse den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechen (RIS‑Justiz RS0098249).

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