European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00044.16H.0627.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mladen T***** – abweichend von der in Richtung §§ 12 dritter Fall, 232 Abs 2 StGB erhobenen Anklage (ON 77) – der „Verbrechen der Weitergabe und des Besitzes nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs 1 StGB idF BGBl I 2015/112“ (erkennbar gemeint: § 233 Abs 1 Z 1 erster, dritter und vierter Fall StGB [vgl US 3 dritter Abs]) als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er zwischen 17. September 2014 und 15. Jänner 2015 im Großraum I***** dadurch, dass er Yulian S***** zur Liegenschaft seines Bruders bestellte, um ihm den vermeintlichen Abnehmer von Falschgeld vorzustellen, und gegenüber S***** die Vertrauenswürdigkeit des vermeintlichen Abnehmers bestätigte und damit dessen Tatentschluss förderte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass das nachgemachte Geld als echt und unverfälscht in Verkehr gebracht wird, zur Ausführung der nachstehenden Taten des Yulian S***** und des Cvetan Sh***** beigetragen, wobei diese „mit dem Vorsatz, dass nachgemachtes Geld im Nennwert von mehr als 50.000 Euro als echt und unverfälscht ausgegeben werde, nachstehende Handlungen begingen“:
I./ Yulian S***** zwischen 23. September und 23. Oktober 2014 zwei Stück gefälschte 500‑Euro‑Banknoten in erstklassiger Qualität mit einem Gesamtnominalwert von 1.000 Euro von Bulgarien nach Österreich eingeführt, nachdem er es außer dem in § 232 Abs 2 StGB genannten Fall von einem anderen übernommen hatte, befördert und besessen und das genannte Falschgeld am 23. Oktober 2014 im Lokal „B*****“ in I***** an einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts übergeben;
II./ Yulian S***** und Cvetan Sh***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) als Mittäter
1./ zwischen 27. Oktober und 10. November 2014 40 Stück gefälschte 500‑Euro‑Banknoten in erstklassiger Qualität mit einem Gesamtnominalwert von 20.000 Euro, von Bulgarien nach Österreich eingeführt, außer dem in § 232 Abs 2 StGB genannten Fall von einem anderen übernommen, befördert und besessen, wobei S***** die Einfuhr des Falschgeldes von Bulgarien nach Österreich veranlasste, es in der Folge von einem gutgläubigen Busfahrer übernahm, beide das Falschgeld beförderten und besaßen und Sh***** dieses am 10. November 2014 in I***** an einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts übergab, und
2./ zwischen 9. und 15. Jänner 2015 201 Stück gefälschte 500‑Euro‑Banknoten in erstklassiger Qualität mit einem Gesamtnominalwert von 100.500 Euro, wobei S***** das Falschgeld in Bulgarien außer dem in § 232 Abs 2 StGB genannten Fall von einem anderen übernahm, in der Folge nach Österreich einführte, sohin beförderte und besaß, dieses sodann an Sh***** übergab, der, nachdem er das genannte Falschgeld somit ebenfalls besaß und beförderte, davon 200 Stück am 15. Jänner 2015 in I***** an einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts übergab.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpfen der Angeklagte mit einer auf Z 5, 9 lit a und 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützten, die Staatsanwaltschaft mit einer aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Soweit die Mängelrüge (Z 5) die Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf Falschgeldgeschäfte von mehr als 50.000 Euro (US 10) als undeutlich und unzureichend begründet kritisiert (Z 5 erster und vierter Fall), spricht sie keine entscheidende Tatsache an, weil die Urteilstaten lediglich dem, keine Wertqualifikation enthaltenden Tatbestand des § 233 Abs 1 StGB in der geltenden Fassung unterstellt wurden.
Die Tatrichter stellten (zu II./2./) fest, dass Yulian S*****, der misstrauisch geworden war, sich telefonisch beim Angeklagten erkundigte, ob der verdeckte Ermittler tatsächlich sicher sei, was der Angeklagte bestätigte. Durch diese Bestätigung der Vertrauenswürdigkeit bekräftigte er S***** in seinem Tatentschluss, worauf es ihm auch ankam (US 8, 10). Weshalb weitere Konstatierungen zum genauen Inhalt der „misstrauischen Anfrage“ notwendig sein sollten, legt die Rüge (der Sache nach Z 9 lit a) nicht dar.
Auf den Gebrauch von Codewörtern in dem Telefongespräch (so der Angeklagte S***** in seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung [ON 104 S 33]) sind die Tatrichter ausdrücklich eingegangen (Z 5 zweiter Fall), doch haben sie der leugnenden Einlassung des Nichtigkeitswerbers, die codierten Bezeichnungen „Schuhe“ oder „Stiefel“ für Falschgeld nicht gekannt zu haben, keinen Glauben geschenkt (US 13 erster Absatz).
Das Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), infolge der Falschgeldübergabe an einen verdeckten Ermittler könne nur „absolut untauglicher Versuch einer Beteiligung beim Angeklagten“ vorliegen, orientiert sich nicht an den Urteilsannahmen (vgl aber RIS-Justiz RS0099810), welchen ein bloßer Versuch der durch § 233 Abs 1 Z 1 StGB pönalisierten Handlungsweisen nicht entnommen werden kann (US 7 ff). Gleiches gilt für die Tatbeteiligung des Angeklagten selbst, die die Geschäftsanbahnung (US 5) und die Bestärkung des unmittelbaren Täters Yulian S***** zur Folge hatte (US 8 dritter Absatz, 9 f).
Im Übrigen würde selbst unter der – hier urteilsfremden – Prämisse der Verhinderung der Tatvollendung durch ein Sicherheitsorgan lediglich ein relativ untauglicher, also strafbarer Versuch vorliegen (vgl Hager/Massauer in WK² StGB §§ 15, 16 Rz 110; RIS‑Justiz RS0089787 [T1]).
Die prozessförmige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) setzt den Vergleich der im Urteil getroffenen Feststellungen mit den Diversionsvoraussetzungen des § 198 StPO voraus (RIS‑Justiz RS0119091; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 659). Diese Kriterien verfehlt der Beschwerdeführer, der mit seinen Hinweisen auf fehlenden Gewinn und den Einsatz eines verdeckten Ermittlers (vgl jedoch US 19, wonach es keine Tatprovokation gab) weder darlegt, warum vorliegend die Schuld nicht als schwer anzusehen wäre (§ 198 Abs 2 Z 2 StPO), noch die gebotene Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Kriterien (vgl US 19) vornimmt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Nach den Urteilsfeststellungen nahmen die unmittelbaren Täter S***** und Sh***** über einen gewissen R***** Kontakt zu einem mutmaßlich bulgarischen Staatsangehörigen namens M***** bzw K***** auf, der wiederum den unmittelbaren Tätern die Falsifikate zukommen ließ (US 6 ff). Während die Staatsanwaltschaft davon ausging, dass dieser – nicht ausgeforschte – Falschgeldlieferant zumindest Mittelsmann im Sinn des § 232 Abs 2 StGB war (Anklageschrift ON 77 S 12), gelangten die Tatrichter zum Ergebnis, es könne nicht festgestellt werden, dass M***** bzw K***** im Einverständnis mit einem an der Fälschung Beteiligten handelte oder Mittelsmann war. Die unmittelbaren Täter wussten nach den Urteilsannahmen nicht, woher das Falschgeld stammte (US 6 und 9).
Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider begründeten die Tatrichter diese Annahmen nicht nur mit der dies bestreitenden Einlassung des S***** (US 12), sondern – logisch und empirisch mängelfrei – auch damit, dass die große Menge Falschgeld von hoher Qualität auf eine professionelle Organisation hindeute, bei der die tatsächlichen Fälscher ihre Identität vor den Mittelsmännern verdeckt halten würden (US 11 letzter Absatz).
Mit den daran anschließenden Überlegungen, wonach der kurze zeitliche Abstand zwischen den Taten und die Unüblichkeit des Fälschungsobjekts „500‑Euro‑Banknote“ für eine „Mittelsmannkette“ sprechen würden, stellt die Anklagebehörde bloß eigenständige Beweiswerterwägungen an. Auf die Behauptung, auch andere Schlüsse als jene des Schöffengerichts seien vorstellbar, kann eine Mängelrüge nicht gestützt werden (RIS‑Justiz RS0098400).
Mit der Kritik an den Ausführungen des Erstgerichts, wegen des Einschreitens des verdeckten Ermittlers habe keine Gefahr einer Falschgeldverbreitung bestanden (US 9), wird keine entscheidende Tatsache angesprochen.
Gleiches gilt für die tatrichterliche Erwägung, S***** habe die Bekanntschaft mit dem Fälscher nur vorgespiegelt, weil bei einer professionellen Fälscherorganisation das Verdecken der Identität der Fälscher anzunehmen sei (US 11); auch unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (in Bezug auf die Nichtkenntnis des S***** von der Person des Fälschers) ist sie nicht zu beanstanden (Z 5 vierter Fall).
Mit den nicht von den Urteilsannahmen ausgehenden spekulativen Erwägungen zur Frage, ob durch den Einsatz eines ahnungslosen Buslenkers (vgl US 7 letzter Absatz) die Kette der Mittelsmänner unterbrochen wird oder nicht, und zur subjektiven Tatseite bei den unmittelbaren Tätern (US 6) werden keine Begründungsdefizite aufgezeigt.
Insgesamt versucht die Mängelrüge mit ihrer Forderung nach einem Austausch der Negativfeststellungen durch andere Konstatierungen lediglich die tatrichterliche Beweiswürdigung in der Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung zu bekämpfen, wobei sie überdies nicht plausibel macht, weshalb durch die begehrte Feststellung einer „Mittelsmannkette“ die Beurteilung der subjektiven Tatseite beim Angeklagten T***** (US 9 f) eine Änderung in Richtung § 232 Abs 2 StGB erfahren könnte.
Die eine Verurteilung wegen § 232 Abs 2 StGB intendierende Subsumtionsrüge (Z 10) macht einen Feststellungsmangel nicht gesetzesgemäß geltend, weil die von ihr für die Tatbeteiligung des M***** bzw K***** im Sinne des § 232 Abs 2 StGB ins Treffen geführten Verfahrensergebnisse hinsichtlich der Verfügbarkeit von Falschgeld in kurzen Abständen und der Diskrepanz zwischen Nominalwert der Banknoten und dem für die Falsifikate verlangten Bargeld nicht auf einen ungeklärt gebliebenen, aber durch Feststellungen zu klärenden Sachverhalt hindeuten (vgl RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK‑StPO Rz 600). Vielmehr vernachlässigt die Beschwerdeführerin die dezidierten (Negativ‑)Feststellungen zur Mittelsmannfunktion des M***** bzw K*****, die auch inkludieren, dass dieser nicht selbst der Falschgeldproduzent war (US 6, 9).
Mit ihren Ausführungen dazu und zur subjektiven Tatseite der unmittelbaren Täter bekämpft die Rüge lediglich – unter diesem Nichtigkeitsgrund unzulässig – die Beweiswürdigung des Erstgerichts.
Mit dem Vorbringen, dem Angeklagten sei „zwanglos ein zumindest bedingter Vorsatz [in Richtung § 232 Abs 2 StGB] zu unterstellen“, verfehlt die Subsumtionsrüge neuerlich den in der Gesamtheit der Urteilsannahmen gelegenen Bezugspunkt der Anfechtung.
Die weitere Subsumtionsrüge (Z 10) kritisiert, der Angeklagte habe – ausgehend vom Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und den Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 9 f) – auch zum „Besitz“ des Falschgeldes durch die unmittelbaren Täter beigetragen und hätte daher auch wegen des sechsten Falls des § 233 Abs 1 Z 1 StGB verurteilt werden müssen.
Gegenstand von Rechts‑ und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt (RIS‑Justiz RS0099810), wobei allein der Ausspruch gemäß § 260 Abs 1 Z 2 StPO den Schuldspruch darstellt und solcherart den Ausgangspunkt des Vergleichs bildet ( Lendl , WK-StPO § 260 Rz 27), während die Feststellung der entscheidenden Tatsachen in den Entscheidungsgründen nicht durch die Erwähnung im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) ersetzt werden kann (RIS‑Justiz RS0114639).
Indem sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zur objektiven Tatseite des reklamierten Besitzes nicht auf die Urteilsfeststellungen, sondern nur auf das Referat der entscheidenden Tatsachen im Spruch stützt, unterlässt sie diesen gebotenen Vergleich und ist daher nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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