European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00058.16K.0621.000
Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Verfahrensgegenstand sind die Kosten des Abbruchs und der Neuverlegung der Natursteinplatten im Außenbereich des Wohnhauses der Kläger samt Nebenkosten. Die Beklagte, die nicht mit der Verlegung beauftragt gewesen war, lieferte nach von ihr an Ort und Stelle durchgeführter Vermessung aus Griechenland importierte Natursteinplatten („Cristallo white“) im Ausmaß von (nur) ca 195 m 2 . Tatsächlich wären aber ca 223 m 2 für die von den Klägern in einheitlicher Optik angestrebten Verlegung der gesamten Fläche samt „Freisitz“ und Saunabereich notwendig gewesen. Ohne Einberechnung der Flächen für Freisitz und Sauna hätte die Menge der gelieferten Platten ausgereicht.
Die Kläger begehren gestützt auf Gewährleistung und Schadenersatz die Zahlung von 129.863,90 EUR sA für die Sanierung in Form einer kompletten Neuverlegung nach Abbruch des verlegten Materials samt Nebenkosten (Poolentleerung, Sanierung der Rasenflächen etc). Sie brachten dazu vor, sie hätten bei der Beklagten Bodenplatten für die gesamte Terrasse beinhaltend die Flächen im Bereich Sauna, Haus und Freisitz, Hauseingang inklusive Terrasse über der Garage und auch den gesamten Weg für ihre Liegenschaft bestellt. Vor Bestellung und Auftragsvergabe habe die Beklagte an Ort und Stelle mehrmals Naturmaße genommen und ihnen ausdrücklich zugesichert, dass in dem zu bestätigenden Angebot ausreichend Material für die Bodenplatten angeführt sei. Die Beklagte habe von Anfang an darauf hingewiesen, dass nur sie das korrekte Flächenmaß eruieren könne, weswegen sie eine erhöhte Sorgfaltspflicht treffe. Ein optisch einheitliches Erscheinungsbild sei ausdrücklich bedungene Eigenschaft für die Gesamtbestellung in einer Lieferung, eine Musterplatte dafür als Referenzmuster die Vorgabe gewesen. Anlässlich der Lieferung der Natursteinplatten habe die Beklagte sogar noch einmal die zu verlegende Fläche nachgemessen und ihnen ausdrücklich zugesichert, dass ausreichend Bodenplatten vorhanden seien. Später sei eine Nachlieferung mit der gleichen Strukturfarbe und dem gleichem Muster versprochen worden. Der Schaden wäre niemals entstanden, wenn die Beklagte durch ihre Mitarbeiter nicht falsch vermessen, dann zu wenig Material geliefert und eine falsche Ware nachgeliefert hätte.
Die Beklagte bestritt, wendete eine Gegenforderung von 2.336,30 EUR für die Ergänzungslieferung ein und erwiderte, es sei zwar richtig, dass sie von den Klägern beauftragt gewesen sei, für deren Bauvorhaben Natursteinplatten zu liefern, und dass zuvor eine Vermessung durch ihre Mitarbeiter durchgeführt worden sei. Die unterschiedlichen Flächenausmaße seien aber auf die Frage zurückzuführen, ob die zu verlegende Fläche auch die Bereiche Sauna und Freisitz umfasst hätten oder ob diese Bereiche ausgespart bleiben sollten. Grundsätzlich sollten Fachkräfte in der Lage sein, „Naturmaßnahmen“ und die Berechnung der daraus resultierenden Flächen richtig vorzunehmen. Im vorliegenden Fall hätten sämtliche „Nachvermessungen“ zum gleichen Ergebnis geführt, weil auch diese nachträglichen Kontrollmessungen unter der Annahme erfolgt seien, dass die Bereiche Sauna und Freisitz ausgespart bleiben sollten. Die Kläger hätten zuerst noch erwogen, Freisitz und Sauna miteinzubeziehen, worauf das [erste] Anbot über 265 m 2 beruht habe. Das tatsächliche Flächenausmaß sei erst Ende September/Anfang Oktober 2011 durch einen ihrer Mitarbeiter gemeinsam mit der Zweitklägerin festgehalten worden. Von dieser sei ausdrücklich erklärt worden, dass nunmehr sowohl der Freisitz als auch der Saunabereich ausgespart bleiben sollten. Die Kläger hätten sich offenbar erst nachträglich entschlossen, auch Sauna und Freisitz in Stein ausführen zu lassen. Ohne die Teilbereiche Freisitz und Sauna errechne sich eine zu verlegende Fläche im Ausmaß von 185 m 2 , weswegen unter Berücksichtigung des Verschnitts ca 195 m 2 [und damit Platten in ausreichender Menge] geliefert worden seien. Ihre Mitarbeiter hätten sich nicht „total vermessen“, sondern es sei die Erstlieferung in dem von der Zweitklägerin gewünschten Flächenausmaß erfolgt. Damit sei die ursprüngliche Minderlieferung nicht von ihr verschuldet worden. Wenn die ursprüngliche Minderbestellung von den Klägern zu vertreten sei, bedeutete die darauf folgende Nachbestellung keinen Verbesserungsversuch. Für den Fall, dass sie ein Verschulden an der ursprünglichen Minderlieferung treffe, stünde den Klägern aus Gründen der Verhältnismäßigkeit lediglich ein Anspruch auf Preisminderung zu, nicht jedoch auf Abbruch der gesamten Oberflächengestaltung samt anschließender Neuausführung. Die gelieferten Platten wiesen als Natursteine gemäß der ÖNORM hinzunehmende Unregelmäßigkeiten auf.
Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 120.954,50 EUR, nicht aber die Gegenforderung als zu Recht bestehend, sprach der Klägerin diesen Betrag zu und wies das Mehrbegehren von 8.910,19 EUR sA samt einem Zinsenmehrbegehren ab. Es traf ua Feststellungen zur Auftragsvergabe, insbesondere dazu, dass im E‑Mail vom 6. 3. 2011 um Beachtung der Tatsache, dass sowohl Sauna wie auch der Freisitz in die Berechnung miteinfließen, da alles im selben Stein verlegt werden sollte, ersucht wurde, die Kläger von „diesem Auftragsinhalt niemals abgegangen“ seien, zuerst ein Anbot über 265 m² und danach über 195 m² für „Terrasse, Hauseingang, Weg“ gelegt sowie auch eine Auftragsbestätigung über die Bestellung von 195,12 m² übermittelt worden sei, der Erstkläger „Sicherheit“ gewollt habe, dass genügend Plattenmaterial vorhanden wäre, worauf eine neuerliche Messung durchgeführt worden sei, dass zu wenig Platten vorhanden gewesen seien und die Nachlieferungen Abweichungen zum ursprünglich gelieferten Material aufgewiesen hätten.
Der gegen den abweisenden Teil dieses Urteils erhobenen Berufung der Kläger gab das Berufungsgericht nicht Folge; es änderte aber über die Berufung der Beklagten das Ersturteil – ohne auf die in der Berufung geltend gemachte Tatsachenrüge einzugehen – aus rechtlichen Erwägungen in eine gänzliche Klagsabweisung ab. Es vertrat die Ansicht, es seien 195 m 2 bestellt und auch geliefert worden. Ein Verstoß gegen den geschlossenen Vertrag liege gar nicht vor. Ein von dieser objektiven Übereinstimmung der Willenserklärungen abweichender Parteiwille sei nicht festgestellt worden. Die Unmöglichkeit der Nachlieferung von optisch nicht abweichenden Platten rechtfertige allenfalls den Ersatz des Vertrauensschadens. Zu einer Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums hätten die Kläger kein Vorbringen erstattet.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, der im Sinne des in eventu gestellten Aufhebungsantrags Berechtigung zukommt.
In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben und führt aus, es werde offenbar ein nicht festgestelltes „Fehlvermessen“ vorausgesetzt bzw behauptet. Das Berufungsgericht habe sich in den entscheidungswesentlichen Punkten ohnehin an den Feststellungen des Erstgerichts orientiert. Die Berechnung der zu verlegenden Flächen sei auf Weisung der Zweitklägerin ohne Einbeziehung von Sauna und Freisitz erfolgt. Dem entgegenstehende Feststellungen des Erstgerichts seien von der Beklagten ausführlich in ihrer Berufung gegen das Ersturteil gerügt worden. Mit der von ihr darin gerügten Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung habe sich das Berufungsgericht – offensichtlich aus rechtlichen Erwägungen – nicht auseinandergesetzt. Diese in der Berufung der Beklagten getätigten Ausführungen würde ausdrücklich nicht fallen gelassen und aufrechterhalten.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revisionswerber machen zusammengefasst geltend, es sei nicht die Lieferung von Natursteinen im Ausmaß von 195 m² vereinbart worden, sondern die Lieferung einer ausreichenden Menge von Natursteinen, um die gesamte gewünschte Fläche in einheitlicher Optik pflastern zu können.
2. Zu den von den Klägern aufgestellten Behauptungen, es sei „ausdrücklich zugesichert“ worden, dass „in dem zu bestätigenden Angebot der beklagten Partei ausreichend Material für die Bodenplatten angeführt“ sei bzw dass anlässlich der Lieferung der Natursteinplatten die Beklagte sogar noch einmal die zu verlegende Fläche nachgemessen und ihnen ausdrücklich zugesichert habe, dass ausreichend Bodenplatten vorhanden seien, fehlen zwar bisher Feststellungen, jedoch bestreitet die Beklagte gar nicht, dass es ihr nach der zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung zugekommen war, die Ausmessung der gewünschten Fläche nach den Angaben der Kläger vorzunehmen und ein Anbot mit einer ausreichenden Menge an Platten für eine Verlegung in einheitlicher Optik zu erstellen. Auch die behaupteten ausdrücklichen Zusicherungen können sich naturgemäß ohnehin nur auf die von den Auftraggebern als in einheitlicher Optik zu gestaltende angegebene Fläche beziehen.
Die Streitteile waren im Verfahren von Beginn an gar nicht uneins darüber, dass die Beklagte es übernommen hatte, eine ausreichende Menge von Platten zur Verlegung anzubieten, sondern allein darüber, welche Fläche von der Verlegung angeblich betroffen war.
Der erkennende Senat teilt daher nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, es müsse die Tatsachenrüge zur Feststellung „vom Auftragsinhalt, auch Sauna und Freisitz mit Platten zu verlegen, sind die Kläger niemals abgegangen“ nicht behandeln, sei doch die Einladung zum Anbot (das E‑Mail vom 6. 3. 2011) keine Vertragserklärung, weil ein Bindungswille nicht zum Ausdruck gebracht werde, und lasse sich – bei Annahme, dies habe auch eine Vertragserklärung der Kläger umfasst – daraus allenfalls das Vorliegen eines Dissenses über die Menge ableiten. War es nämlich unstrittig die vertragliche Verpflichtung der Beklagten, ein Anbot über eine ausreichende Menge an Platten für die zu verlegende Fläche (deren Umfang hier im Tatsächlichen wegen der unbehandelt gebliebenen Tatsachenrüge noch nicht gesichert feststeht) zu erstellen, kommt dem Wortlaut des nach dem Vorbringen der Kläger „auf deren [gemeint die Beklagte] eigene Initiative und infolge deren Nachmessung auf 195 m²“ korrigierten und von ihnen angenommenen Anbots „Terrasse+Hauseingang+Weg: Cristallo white“ und der Frage, welche Fläche nach dem Erklärungswert davon umfasst war, Bedeutung zu, hingegen der Mengenangabe der Platten in Quadratmetern bloß die Funktion einer Kalkulationsgrundlage (vgl Kletečka in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.02 §§ 1165, 1166 Rz 53 f). Von entscheidender Bedeutung für den Rechtsstreit ist daher, ob diese Fläche auch die Bereiche Sauna und Freisitz umfasste.
3. Selbst die Beklagte erachtete in ihrer Berufung die Frage, ob sie die ursprüngliche Minderlieferung aufgrund eines von ihr zu vertretenden Messfehlers verschuldet habe oder ob die ursprüngliche Bestellung auf einer ausdrücklichen Weisung der Zweitklägerin anlässlich der Naturmaßnahme am 25. 8. 2011 beruht habe, als die für das Verfahren relevante Problematik. Wenn sie nun in der Revisionsbeantwortung darlegt, die Berechnung der zu verlegenden Flächen sei auf Weisung der Zweitklägerin ohne Einbeziehung von Sauna und Freisitz erfolgt, die Menge von 195 m² Natursteinplatten habe „offenbar“ den nachträglich geänderten Wünschen der Kläger nicht entsprochen, übergeht sie wie das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichts zum E‑Mail vom 6. 3. 2011 (in dem um Beachtung der Tatsache, dass sowohl Sauna wie auch der Freisitz in die Berechnung miteinfließen, ersucht wurde) und insbesondere jene in der Berufung bekämpfte, dass die Kläger von „diesem Auftragsinhalt niemals abgegangen“ seien sowie dessen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung, es hätten zur Frage, ob Anweisungen der Zweitklägerin gegeben worden seien, „was die Bereiche Sauna und Freisitz“ anlange, „Feststellungen entsprechend dem diesbezüglichen Vorbringen“ der Beklagten [Anm: dass bei Festlegung des tatsächlichen Flächenausmaßes Ende September/Anfang Oktober 2011 von der Zweitklägerin erklärt worden sei, dass sowohl Freisitz als auch Saunabereich ausgespart bleiben sollten] nicht getroffen werden können.
4. Das Berufungsgericht wird daher die der Beklagten zur Frage der Angaben zum Umfang der Fläche, die in Natursteinplatten verlegt werden sollte, erhobene Tatsachenrüge zu behandeln haben. Vom Ergebnis der Behandlung dieser Tatsachenrüge wird abhängen, ob auf die in der Berufung erhobenen weiteren Bemängelungen einzugehen sein wird.
Dem Berufungsgericht ist demnach die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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