OGH 12Os37/16g

OGH12Os37/16g16.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Charles N***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 15. Jänner 2016, GZ 38 Hv 109/15s‑119, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00037.16G.0616.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der Taten unter § 148 zweiter Fall StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen unbekämpften Freispruch enthaltenden Urteil wurde Charles N***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese in einem insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

1. im Zeitraum von 16. Oktober bis 30. November 2014 in B***** und an anderen Orten Alfred und Martha A***** durch die Vorspiegelung, Architekt sowie fähig und willens zu sein, für den fachgerechten Umbau ihres Dachgeschoßes zu sorgen sowie die übergebenen Geldbeträge für den Einkauf der hierfür erforderlichen Materialien und zur Bezahlung von Handwerkern zu verwenden, zur Übergabe von insgesamt 75.000 Euro, wobei der Schaden angesichts der an das Opfer erfolgten Lieferung von Baumaterialien im Wert von (richtig:) 8.723,34 Euro insgesamt 66.276,66 Euro beträgt;

2. im November 2014 in B***** Alfred A***** durch die Vorspiegelung seiner Bereitschaft, den Betrag durch Arbeiten am Dachgeschoß zurückzuerstatten, zur darlehensweisen Übergabe von 2.500 Euro;

3. am 24. Juni 2014 in A***** Evelyne P***** durch die Vorspiegelung, den übergebenen Geldbetrag gewinnbringend zu ihren Gunsten zu veranlagen, zur Übergabe von 4.000 Euro;

4. im Jahr 2012 in S***** in insgesamt 38 Angriffen Franz Ni***** als Verfügungsberechtigten der R*****, Bernhard Pe***** als Verfügungsberechtigten der S***** AG und weitere nicht mehr ausforschbare Personen durch die Vorspiegelung seiner Befugnis, namens und zu Gunsten des Vereins Ö***** Spenden zu sammeln, zur Übergabe von insgesamt 1.295 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Entgegen der ohne gebotener Bezeichnung der genauen Fundstelle (RIS‑Justiz RS0124172) ausgeführten Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags, den Marktleiter des Unternehmens O***** ergänzend zu vernehmen, „weil er ursprünglich behauptet hätte, dass nicht alle Rechnungen zugeordnet werden können, weil sie bar beglichen worden wären, die Rechnungen aber eine Kundennummer aufweisen würden“ (ON 118 S 9 und 11), keine Verteidigungsrechte verletzt, weil das angeführte Beweisthema insbesondere aufgrund des vom Angeklagten selbst zugestandenen „Honorars“ in der Höhe von 25.000 Euro (ON 107 S 1, 6 und 10) keinen für die Schuld‑ oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstand (vgl §§ 55 Abs 2 Z 2 StPO; RIS‑Justiz RS0120980 und RS0116736 [T16]) betrifft.

Das in der Nichtigkeitsbeschwerde zur weiteren Antragsfundierung nachgetragene Vorbringen ist aufgrund des insoweit geltenden Neuerungsverbots prozessual verspätet und damit unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 325).

Ebenso verhält es sich mit dem vom Erstgericht abgewiesenen Antrag des Beschwerdeführers, den ersten Obmann des Ö***** zum „Spenden sammeln“ zu vernehmen (ON 118 S 9 und 11), weil die Frage, ob das Sammeln von (Geld‑)Spenden im Verein zulässig war, keinen Rückschluss zulässt, ob der Beschwerdeführer die von ihm inkassierten Spenden nach Täuschung der Spender für sich behalten hat; die beantragte Zeugeneinvernahme war daher nicht geeignet, eine erhebliche Tatsache zu beweisen (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO; vgl auch RIS‑Justiz RS0116503, RS0118444; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 339 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus ihrem Anlass war jedoch in Ansehung der rechtlichen Unterstellung der dem Angeklagten angelasteten Taten (auch) unter § 148 zweiter Fall StGB von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) die Charles N***** zum Nachteil gereichende Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO wahrzunehmen.

Das Erstgericht stellte fest, dass zu Schuldspruch 1./ in zumindest zwei Teilbeträgen insgesamt 75.000 Euro, zu Schuldspruch 2./ 2.500 Euro, zu Schuldspruch 3./ 4.000 Euro und zu Schuldspruch 4./ 1.295 Euro an den Angeklagten übergeben wurden (US 3 f). Weiters traf es die Feststellung, wonach der Angeklagte die Absicht gehabt hätte, sich durch die wiederkehrende Begehung von wertqualifizierten Betrugshandlungen längere Zeit hindurch, zumindest über mehrere Monate, ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, wobei er ein Einkommen erzielen wollte, das monatlich 400 Euro und bei den einzelnen Angriffen 5.000 Euro überstieg (US 4 f).

Für die rechtliche Unterstellung des Sachverhalts als Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (US 9) bedarf es nach dem klaren Wortlaut des – entsprechend einem Günstigkeitsvergleich nach § 61 StGB anzuwendenden – § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB idF BGBl I 2015/112 („bereits zwei solche Taten begangen“) der fallbezogen jedoch fehlenden Feststellung von insgesamt drei binnen Jahresfrist gesetzter schwerer Betrugshandlungen oder der – ebenfalls nicht getroffenen – Konstatierung, der Angeklagte habe zwei weitere schwere Betrugstaten schon im Einzelnen geplant gehabt (§ 70 Abs 1 Z 2 StGB).

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in der rechtlichen Unterstellung der Taten unter § 148 zweiter Fall StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch, nicht jedoch im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche, aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a StPO.

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