OGH 3Nc6/16m

OGH3Nc6/16m31.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden und die Vizepräsidentin Dr. Lovrek und den Hofrat Dr. Jensik als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des F*****, derzeit unbekannten Aufenthalts, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030NC00006.16M.0331.000

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 1. Februar 2016, GZ 10 P 100/13f‑16, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Sachwalterschaftssache des F***** an das Bezirksgericht Fünfhaus wird nicht genehmigt.

Begründung

Der in Feldkirch geborene Betroffene hielt sich bei Einleitung des Sachwalterschaftsverfahrens im Sprengel des Bezirksgerichts Feldkirch auf. Später fuhr er (wieder) nach Wien und hielt sich dort an verschiedenen Orten auf, wurde untergebracht oder war (und ist bis heute?) obdachlos.

Das Bezirksgericht Feldkirch übertrug nach Information über einen im 14. Bezirk gelegenen gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnheim) die Zuständigkeit unter Hinweis auf den neuen Aufenthaltsort in Wien an das Bezirksgericht Fünfhaus. Dieses lehnte die Übernahme des Verfahrens mit dem Bemerken ab, dass sich kein Hinweis auf einen gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen im Sprengel des Bezirksgerichts Fünfhaus ergebe: Aktuell ist lediglich eine Obdachlosenmeldung durch den Verein Neustart Wien (Bewährungshilfe); die ursprüngliche Meldung (Hauptwohnsitz) in dem im Sprengel des Bezirksgerichts Fünfhaus gelegenen Wohnheim endete bereits im Oktober 2015. Das Bezirksgericht Feldkirch legt daraufhin den Akt mit dem Ersuchen um Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vor.

Die Zuständigkeitsübertragung ist nicht zu genehmigen.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Grundsatz der perpetuatio fori ‑ wonach jedes Gericht in Rechtssachen, die rechtmäßiger Weise bei ihm anhängig gemacht wurden, bis zu deren Beendigung zuständig bleibt, wenn sich auch die Umstände, die bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens geändert hätten (§ 29 JN) ‑ durchbrochen werden. Diese Bestimmung bezweckt die Sicherstellung der wirksamsten Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes. Eine Übertragung muss daher im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen sein (4 Nc 21/13w mwN).

§ 111 JN nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist, weshalb die Pflegschaftsaufgaben grundsätzlich von jenem Gericht wahrgenommen werden sollen, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung liegt (RIS‑Justiz RS0049144, RS0047027 [T10]).

Im vorliegenden Fall nahm das Bezirksgericht Feldkirch an, dass sich der Betroffene im Sprengel des Bezirksgerichts Fünfhaus aufhalte. Nach der Aktenlage ist er aber obdachlos und offenbar unsteten Aufenthalts. Selbst wenn er sich gelegentlich im Sprengel des Bezirksgerichts Fünfhaus aufhalten sollte, genügt das nicht für die Annahme, dass sich hier der Mittelpunkt seiner Lebensführung befände oder die Zuständigkeit gerade dieses Gerichts aus anderen Gründen in seinem Interesse wäre (vgl 4 Nc 21/13w). Die Übertragung der Zuständigkeit ist daher nicht zu genehmigen.

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