OGH 3Ob34/16w

OGH3Ob34/16w16.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, und des ihr beigetretenen Nebenintervenienten Mag. J*****, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Tramposch & Partner Rechtsanwälte KG in Innsbruck, wegen 120.720 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2015, GZ 4 R 164/15i‑54, womit das „Endurteil“ (richtig: Urteil) des Handelsgerichts Wien vom 20. Juli 2015, GZ 33 Cg 157/11d-49, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00034.16W.0316.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und dem Berufungsgericht wird eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die Streitteile schlossen im September 1990 auf unbestimmte Zeit einen Immobilien-Leasing-Vertrag betreffend ein Gewerbeobjekt in einem von der Beklagten errichteten Gewerbepark in Wien. Die Klägerin verzichtete als Leasingnehmerin für die Dauer von 20 Jahren auf das Recht der Kündigung des Vertrags. Nach Ablauf von 20 Jahren war sie berechtigt, das Leasingobjekt zu kaufen und daran Wohnungseigentum eingeräumt zu erhalten. Der Kaufpreis sollte dem kalkulatorischen Restwert beim Leasinggeber zuzüglich aller diesem aus dem Verkauf entstehenden Kosten und Abgaben entsprechen.

Im Leasingvertrag wurde vereinbart, dass die Beklagte mangels anderer Vereinbarung im Fall einer vorzeitigen Vertragsauflösung so zu stellen ist, wie wenn der Leasingvertrag von der Leasingnehmerin wie vereinbart erfüllt worden wäre, dass der Leasinggeberin also die von der vorzeitigen Vertragsbeendigung bis zum vereinbarten Vertragsende noch ausstehenden Leasingentgelte ‑ abgezinst zur jeweils geltenden Bankrate der Österreichischen Nationalbank zuzüglich des kalkulierten (vereinbarten) Restwerts ‑ zustehen. Das Leasingentgelt wurde auf Basis der vorläufigen, anteilig auf das Leasingobjekt entfallenden Gesamtinvestitionskosten der Beklagten für die Errichtung des Gewerbeparks berechnet. Mit den Leasingraten sollten also die Gesamtinvestitionskosten des Leasingobjekts abgedeckt werden. Der kalkulatorische Restwert ist jener Betrag, der durch die Leasingraten noch nicht amortisiert wurde.

Auf Wunsch der Klägerin verkaufte die Beklagte ihr schon vor Ablauf der vereinbarten Mindestvertragsdauer von 20 Jahren mit Kaufvertrag vom 16. Februar 2009 das Leasingobjekt um einen Kaufpreis von 1.207.230,87 EUR brutto. Maßgeblich für die Ermittlung dieses Kaufpreises war der kalkulatorische Restwert.

Die Liegenschaft befindet sich in einem fast 200 Jahre alten Industriegebiet, das Standort für die chemische Industrie war. Durch diese Nutzung kam es zu massiven Bodenkontaminationen. Im Oktober 2007 erstellte die P***** GmbH einen Untersuchungsbericht, demzufolge das Vorhandensein einer beträchtlichen Kontaminierung gewiss ist, die Maßnahmenschwellenwerte jedoch noch nicht überschritten sind.

Bei Abschluss des Kaufvertrags war dieser Untersuchungsbericht dem Geschäftsführer der Beklagten bekannt. Die Beklagte informierte die Klägerin weder im Zuge der Vertragsverhandlungen noch bei Unterzeichnung des Kaufvertrags darüber, obwohl der von der Klägerin beauftragte Vertragsverfasser, der nunmehrige Nebenintervenient, aufgrund der Vorgabe der Beklagten, dass ein Gewährleistungsausschluss zu vereinbaren sei, hellhörig wurde und mit seiner Ansprechpartnerin auf Seiten der Beklagten Rücksprache wegen allfälliger Kontaminationen hielt. Die Klägerin hatte bei Vertragsabschluss keine Kenntnis von der Kontamination.

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung eines Kaufpreisteils von 120.720 EUR (= 10 % des Kaufpreises). Weiters erhob sie zwei ‑ mittlerweile rechtskräftig abgewiesene ‑ Feststellungsbegehren. Da die Beklagte die ihr bekannte Verunreinigung des Erdreichs arglistig verschwiegen habe, sei die Klägerin zur Vertragsanpassung wegen List und Irrtums berechtigt. Wäre sie über die Kontaminierung aufgeklärt worden, hätte sie den Kaufvertrag nicht zu den gleichen Bedingungen abgeschlossen, sondern nur einen geringeren Kaufpreis gezahlt.

Die Beklagte wendete im ersten Rechtsgang im Wesentlichen ein, die Bodenbeschaffenheit sei für die Preisbildung unerheblich gewesen, weil der vereinbarte Preis dem bereits im Leasingvertrag festgelegten kalkulatorischen Restwert entsprochen habe. Der vereinbarte Kaufpreis sei ohnehin niedriger als der Wert der Liegenschaft unter Berücksichtigung der Kontamination.

Im ersten Rechtsgang sprach das Erstgericht mit Teilzwischenurteil aus, dass das Leistungsbegehren der Klägerin dem Grunde nach zu Recht bestehe. Zwar liege keine arglistige Irreführung seitens der Beklagten vor; ihr Verhalten sei aber als grob fahrlässig zu werten, sodass der im Kaufvertrag vereinbarte Ausschluss der Irrtumsanfechtung unwirksam sei. Bei Kenntnis vom Untersuchungsbericht hätte die Klägerin nur einen geringeren Kaufpreis bezahlt.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in ein das Leistungsbegehren abweisendes Teilurteil ab. Es behandelte nur die Rechtsrüge und ging davon aus, dass eine Preisanpassung daran scheitere, dass die Beklagte dazu nicht bereit gewesen sei.

Infolge Revision der Klägerin hob der Oberste Gerichtshof das Berufungsurteil mit Beschluss vom 17. Juli 2013, 3 Ob 23/13y, auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung auf. Der Oberste Gerichtshof legte in dieser Entscheidung unter anderem Folgendes dar:

[…] 1.4. Ein arglistiges Verhalten der beklagten Partei in Bezug auf die Herbeiführung eines Irrtums bei der klagenden Partei ist demnach zu bejahen. [...]

2.1. […] Bei der Vertragsanpassung ist nicht nur auf den Willen des Irrenden, sondern auch auf den des anderen Vertragsteils abzustellen. Die Irrtumsregeln haben nämlich den Zweck, jenen Zustand herbeizuführen, der bei irrtumsfreiem Handeln bestünde. Könnte der Irrende bei wesentlichem Irrtum, den er als unwesentlichen behandeln darf, den Vertrag stets aufrecht halten, dessen Inhalt aber beliebig verändern, so würde seinem Partner durch die Vertragsanpassung ein Vertragsinhalt aufgezwungen, den dieser nicht akzeptiert hätte, und es würde damit in die privatautonome Willensgestaltung der Parteien eingegriffen […].

2.2. Der listig Irregeführte ist für die Voraussetzungen der §§ 870 und 872 ABGB behauptungs- und beweispflichtig, darunter auch für die Unwesentlichkeit des Irrtums iSd § 872 ABGB (RIS‑Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0016237&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T4]). Er muss insbesondere behaupten und beweisen, dass der Vertrag bei Kenntnis der wahren Umstände mit einem anderen Inhalt - hier: mit einem anderen Kaufpreis - abgeschlossen worden wäre.

Dieser Beweis wurde von der klagenden Partei erbracht: [...]

2.3. Es ist dann Sache des Täuschenden, Tatsachen zu behaupten und erforderlichenfalls auch zu beweisen, aus denen sich ein zuverlässiger Schluss dafür ableiten lässt, dass er bei Aufklärung des Irrtums den Vertrag nicht gegen ein angemessenes statt des vereinbarten Entgelts geschlossen hätte (RIS-Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0014792&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).

Nur wenn positiv feststeht, dass der Vertragspartner nicht zu den geänderten Bedingungen abgeschlossen hätte, ist die Vertragsanpassung abzulehnen. Andernfalls ist darauf abzustellen, mit welchem Inhalt redliche, nicht in einem Irrtum verfangene Parteien den Vertrag abgeschlossen hätten (RIS-Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0014792&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ). Dahinter steht, dass dann, wenn eine Kontamination offen gelegt worden wäre, typischerweise der begehrte (nicht reduzierte) Kaufpreis von keinem potenziellen Käufer zu erlangen gewesen wäre, weshalb es nahe liegt, dass der Verkäufer - bei Verkaufsabsicht - einen reduzierten Kaufpreis akzeptiert (siehe P. Bydlinski, Entscheidungsanmerkung zu http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=9Ob50/10h&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , JBl 2011, 540 [44]).

Diesen ihr obliegenden Beweis, dass sie als Vertragspartnerin nicht zu geänderten Bedingungen abgeschlossen hätte, hat die beklagte Partei - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht erbracht, zumal eine entsprechende positive Feststellung nicht getroffen werden konnte. Daher kommt es nicht auf die Vorstellungen der arglistig handelnden beklagten Partei an; vielmehr ist entscheidend, wie redliche Parteien den Vertrag abgeschlossen hätten.

Auch wenn sich der in concreto vereinbarte Kaufpreis nach dem kalkulatorischen Restwert richtete, hätten redliche Parteien bei Kenntnis eine Reduktion vorgenommen. Der Kaufpreis war kein „Zwangskaufpreis“, weil die klagende Partei nicht nur die Option hatte, erst am Ende der 20jährigen Laufzeit das Leasingobjekt (zu besseren rechtlichen Bedingungen, nämlich ohne Ausschluss verschiedener möglicher Einwendungen) zu kaufen; sie hatte aber auch die Option, das Objekt überhaupt nicht zu kaufen .

Das Berufungsgericht hob daraufhin mit Beschluss vom 26. September 2013, GZ 4 R 312/12z‑21, das Ersturteil auf, weil das Erstgericht das von der Beklagten zum Beweis für ihre Behauptung, der Wert der Liegenschaft sei auch unter Berücksichtigung der Kontaminierung höher als der von der Klägerin gezahlte Kaufpreis, nicht eingeholt hatte. Es sei von entscheidungswesentlicher Bedeutung, ob der Beklagten der Beweis gelinge, dass sie den Kaufvertrag zu geänderten Bedingungen nicht abgeschlossen hätte. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass die Liegenschaft trotz Kontamination einen höheren Wert habe als den vereinbarten Kaufpreis, wäre dies ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Beklagte keinen geringeren Kaufpreis akzeptiert hätte. Bei der Gegenüberstellung von Liegenschaftswert und vereinbartem Kaufpreis sei auch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die bereits gezahlten Leasingraten allenfalls anzurechnen seien, in den Kaufvertrag also nur noch ein Restkaufpreis eingeflossen sei; maßgeblich sei jedenfalls, ob der Wert der Liegenschaft höher sei als der Gesamtkaufpreis.

Im zweiten Rechtsgang brachte die Klägerin ergänzend vor, in den für die begehrte Vertragsanpassung relevanten Gesamtkaufpreis seien die in den Leasingraten enthaltenen Kaufpreisanteile einzubeziehen. Der von ihr für die Übertragung des Eigentums am Leasingobjekt bezahlte Gesamtkaufpreis entspreche nicht bloß dem kalkulatorischen Restwert, sondern habe die Gesamtinvestitionskosten der Beklagten abgedeckt; darüber hinaus habe sie mit den Leasingraten und dem Kaufpreis laut Kaufvertrag eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals und eine Gewinnmarge für die Beklagte geleistet. Das Berechnungsmodell für die Leasingraten sei an jenes eines typischen Finanzierungsleasings angelehnt gewesen.

Die Beklagte wendete ein, in den Leasingraten sei kein Kaufpreisanteil enthalten gewesen. Die Leasingraten dienten dem Ausgleich des Wertverlusts während des Leasings. Darüber hinaus enthielten sie Zinsen für die Bereitstellung des Kapitals, Verwaltungskosten, einen Zuschlag für das Ausfallrisiko und natürlich eine Gewinnmarge. Der Gesamtkaufpreis entspreche daher dem kalkulatorischen Restwert. Die Beklagte wäre auch bei Offenlegung der Kontamination vor Vertragsabschluss nicht bereit gewesen, die Liegenschaft um einen geringeren Kaufpreis zu veräußern. Sogar nach dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten (Beilage ./S), dessen Richtigkeit bestritten werde, sei der Verkehrswert der Liegenschaft unter Berücksichtigung der Kontamination um rund 600.000 EUR höher als der im Kaufvertrag vereinbarte Kaufpreis.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte mit „Endurteil“ zur Zahlung von 120.720 EUR. Es stellte ‑ von der Beklagten in der Berufung als unrichtig bekämpft und von der Klägerin in der Berufungsbeantwortung als unvollständig gerügt ‑ fest, dass in den von der Klägerin gezahlten Leasingraten Kaufpreisanteile enthalten gewesen seien, deren exakte Höhe nicht feststellbar sei; jedenfalls seien darin aber Kaufpreisanteile von insgesamt 120.720 EUR enthalten gewesen. Der Oberste Gerichtshof habe zu 3 Ob 23/13y ein arglistiges Verhalten der Beklagten bejaht. Beim Leasingvertrag habe es sich nicht um eine reine Gebrauchsüberlassung (operating leasing), sondern um eine Anschaffung (finance leasing) gehandelt, weil das wirtschaftliche Eigentum am Leasinggegenstand der Leasingnehmerin zuzurechnen gewesen sei. Da der Kaufpreis aus einem Teil der Leasingraten sowie dem (im Kaufvertrag vereinbarten) Restkaufpreis bestehe, habe eine Vertragsanpassung „analog“ § 872 ABGB ausgehend vom Gesamtkaufpreis zu erfolgen. Dabei sei darauf abzustellen, mit welchem Inhalt redliche, nicht in einem Irrtum verfangene Parteien den Vertrag abgeschlossen hätten. Im vorliegenden Fall würde ein redlicher Vertragspartner (gemeint: Verkäufer) die Vertragsanpassung (eine Reduktion des Kaufpreises) gegen sich gelten lassen. Es wäre, wenn überhaupt, nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten feststellbar, wie hoch die Kaufpreisanteile der einzelnen Leasingraten gewesen seien. Der Gesamtkaufpreis, anhand dessen mit der relativen Berechnungsmethode die Vertragsanpassung zu errechnen sei, sei deshalb gemäß § 273 Abs 1 ZPO auszumitteln. Aufgrund der Lebenserfahrung sei es einleuchtend, dass eine kontaminierte Liegenschaft weniger wert sei als eine nicht kontaminierte. Ein Betrag von 120.720 EUR würde sich sehr wahrscheinlich bei der Berechnung anhand der relativen Berechnungsmethode ergeben. Es werde deshalb schätzungsweise im Sinn einer ungefähren Annäherung an die wirkliche Sachlage davon ausgegangen, dass der Klägerin zumindest der eingeklagte Betrag zustehe.

Das Berufungsgericht wies über Berufung der Beklagten das Zahlungsbegehren ab. Es behandelte weder die Mängel- noch die Beweisrüge der Beklagten, sondern nur deren Rechtsrüge. Das Erstgericht habe zwar keine Feststellung dazu getroffen, ob und wenn ja, wie die Beklagte im Fall der Offenlegung der Kontamination bei den Kaufpreisverhandlungen kontrahiert hätte. Dies schade jedoch nicht, weil selbst ausgehend davon, dass der Beklagten der Beweis ihres eigenen Alternativverhaltens misslungen sei, auch die Heranziehung des hypothetischen Verhaltens einer redlichen Verkäuferin an ihrer Stelle zum Berufungserfolg führe. Ausgangspunkt für die Annahme der Bereitschaft eines redlichen Verkäufers zur Kaufpreisreduzierung sei, dass eine Kontamination typischerweise zur Erzielbarkeit eines geringeren als des begehrten Kaufpreises führe. Der vorliegende Fall weise allerdings atypisch mehrere Besonderheiten auf: Typischerweise seien Kontaminationen in absehbarer Zeit (etwa im Zuge eines Bauvorhabens oder über behördlichen Auftrag) zu entsorgen. Dieser voraussichtliche Entsorgungsaufwand führe regelmäßig zu einer Verringerung des Liegenschaftswerts und finde daher auch meist Berücksichtigung bei der Kaufpreisbildung. Im vorliegenden Fall stehe jedoch nicht fest, ob der Klägerin aus der Kontamination künftige Schäden, wie Entsorgungs- und Beseitigungskosten, drohten. Zu den weiteren von der Beklagten in diesem Zusammenhang vorgebrachten atypischen Verhältnissen, aufgrund derer die Kontamination nicht zu einer Verringerung des Werts der Liegenschaft führe, habe das Erstgericht keine Feststellungen getroffen. Der Verkehrswert der Liegenschaft liege unstrittig zwischen 1.820.000 EUR und 1.832.000 EUR (jeweils netto). Daraus folge, dass hier von der Besonderheit auszugehen sei, dass die Beklagte, hätte die Klägerin mangels preislichen Entgegenkommens vom vorgezogenen Kauf Abstand genommen und auch nach dem „Ende des Leasingvertrags“ (gemeint: nach Ablauf der 20‑jährigen Mindestvertragsdauer) ihre Kaufoption verfallen lassen, die freie Verfügbarkeit über einen Liegenschaftsanteil wiedererlangt hätte, dessen Wert um mehrere 100.000 EUR höher gewesen sei als der mit der Klägerin vereinbarte Restkaufpreis. Dass ein redlicher Verkäufer an ihrer Stelle bei einem derart weiten Auseinanderklaffen von Verkehrswert und optionsbedingt erzielbarem Kaufpreis kein Interesse am Abschluss des Kaufvertrags mit dem nun begehrten Preisnachlass gehabt hätte, liege auf der Hand. Dies stehe in Zusammenhang mit der weiteren Besonderheit, dass sich die Kaufpreisfindung nicht an den bei Vertragsabschluss aktuellen Gegebenheiten orientiert habe, sondern an den im Leasingvertrag vereinbarten Verhältnissen, wenn auch unter Berücksichtigung einer auf Wunsch der Käuferin um rund zwei Jahre vorgezogenen Optionsausübung. Die von der Klägerin begehrte Vertragsanpassung müsse daher scheitern.

Das Berufungsgericht ließ die Revision wegen Fehlens höchstgerichtlicher Leitlinien zur Frage zu, unter welchen Voraussetzungen ein atypischer Sonderfall vorliege, der die Annahme typischer Verhaltensweisen (hier also der Bereitschaft eines redlichen Liegenschaftsverkäufers zur kontaminationsbedingten Vertragsanpassung) entgegen stehe.

In ihrer Revision macht die Klägerin insbesondere geltend, das Berufungsgericht habe angesichts des in ihrer Berufungsbeantwortung (wie auch jener des Nebenintervenienten) als fehlend gerügten Feststellung, wonach die Klägerin einen Gesamtkaufpreis von zumindest 2.122.032,37 EUR geleistet habe, nicht davon ausgehen dürfen, dass der Verkehrswert des Kaufgegenstands beträchtlich über dem Kaufpreis liege.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Aufgrund der Entscheidung 3 Ob 23/13y steht für das weitere Verfahren nicht nur bindend (§ 511 Abs 1 ZPO) fest, dass die Beklagte die Klägerin arglistig getäuscht hat, indem sie ihr die ihr bekannte Kontamination des Grundstücks verschwiegen hat, sondern auch Folgendes: Die (dafür behauptungs- und beweispflichtige) Beklagte hat ‑ schon weil sie im ersten Rechtsgang kein entsprechendes Vorbringen erstattete ‑ nicht unter Beweis gestellt, dass sie bei Aufklärung des Irrtums den Vertrag nicht gegen ein angemessenes anstelle des vereinbarten Entgelts geschlossen hätte. Deshalb ist im Rahmen der Vertragsanpassung darauf abzustellen, mit welchem Inhalt redliche, nicht in einem Irrtum verfangene Parteien den Vertrag abgeschlossen hätten.

2. Diesen Umfang der Bindungswirkung hat das Berufungsgericht verkannt, als es in seinem Aufhebungsbeschluss ausführte, es sei von entscheidungswesentlicher Bedeutung, ob die Beklagte bereit gewesen wäre, zu einem niedrigeren Kaufpreis zu kontrahieren. Die vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang aufgetragene Verfahrensergänzung ‑ dahin, ob der vereinbarte (Gesamt-)Kaufpreis niedriger ist als der Verkehrswert des Kaufgegenstands unter Berücksichtigung der Kontamination ‑ ist allerdings trotzdem von Relevanz; ist es doch in der Tat zumindest nicht naheliegend, dass ein redlicher Verkäufer bereit wäre, den unter Zugrundelegung einer mangelfreien Liegenschaft ausgehandelten Kaufpreis zu reduzieren, wenn dieser ohnehin unter dem (mängelbedingt reduzierten) Wert der Liegenschaft liegt.

3.1. Die im angefochtenen Urteil vertretene Auffassung, die Vertragsanpassung müsse schon daran scheitern, dass der Verkehrswert des Kaufgegenstands (mit 1.820.000 EUR bis 1.832.000 EUR) um mehrere 100.000 EUR höher sei als der mit der Klägerin festgelegte Restkaufpreis, ist schon deshalb unrichtig, weil, wie das Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluss zutreffend ausgeführt hat, auf den Gesamtkaufpreis abzustellen ist, dient doch die Vertragsanpassung der Wiederherstellung der subjektiven Äquivalenz. Aus diesem Grund ist auch die Höhe der geminderten Gegenleistung wie die Preisminderung bei der Gewährleistung nach der relativen Berechnungsmethode zu ermitteln (RIS‑Justiz RS0014772).

3.2. Der erkennende Senat teilt auch nicht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall könne ‑ atypisch ‑ deshalb nicht unterstellt werden, dass wegen der Kontamination nur ein geringerer Kaufpreis erzielbar sei, weil das künftige Erfordernis von (teuren) Entsorgungsarbeiten nicht feststehe. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass potenzielle Käufer im Zweifel ‑ solange nicht positiv feststeht, dass die Behebung der Kontamination niemals, auch nicht im Fall einer geänderten Nutzung der Liegenschaft, erforderlich sein wird ‑ die dafür erforderlichen Kosten einkalkulieren, also nur einen entsprechend niedrigeren Kaufpreis zu zahlen bereit sein werden.

4. Das Berufungsgericht wird deshalb neuerlich über die Berufung der Beklagten zu entscheiden haben. Dabei wird es zu beachten haben, dass die Feststellungen des Erstgerichts für eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht ausreichen. Bisher steht nämlich kein einziger der drei für die Anwendung der relativen Berechnungsmethode erforderlichen Parameter (Wert der Liegenschaft mit bzw ohne Mangel und vereinbarter [Gesamt-]Kaufpreis) fest:

4.1. Feststellungen zum Verkehrswert der Liegenschaft ohne Kontamination fehlen, zumal das Erstgericht das von ihm zunächst in Aussicht genommene Sachverständigengutachten bisher nicht eingeholt hat.

4.2. Dass die Leasingraten auch einen Teil der (künftigen) Gegenleistung für den Erwerb des Leasingobjekts durch die Klägerin (also des Gesamtkaufpreises) beinhalteten, ergibt sich, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, bereits aus dem unstrittigen Inhalt des Leasingvertrags, in dem von einem nach Ablauf der Mindestvertragsdauer zu leistenden Kaufpreis in Höhe des kalkulatorischen Restwerts die Rede ist. Im Übrigen wäre es doch sehr überraschend, wenn die Beklagte, wie sie behauptet, das Leasingobjekt um einen deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Betrag an die Leasingnehmerin verkauft hätte, ohne während der Vertragslaufzeit die Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis („Restwert“) aus den Leasingraten lukriert zu haben.

Allerdings sagt die Feststellung, dass in den Leasingraten „jedenfalls“ (also: mindestens) 120.720 EUR an Kaufpreisanteilen enthalten waren (der Gesamtkaufpreis also zumindest um diesen Betrag höher war als der Kaufpreis laut Kaufvertrag), nichts darüber aus, ob der Gesamtkaufpreis ‑ wie von der Beklagten behauptet ‑ niedriger war als der Verkehrswert der Liegenschaft unter Berücksichtigung der Kontamination. Darauf kommt es aber, wie bereits ausgeführt, für die Berechtigung der Klägerin zur Vertragsanpassung an.

Sofern sich das Berufungsgericht nicht veranlasst sehen sollte, die von der Klägerin in ihrer Berufungsbeantwortung begehrte Feststellung zum Gesamtkaufpreis (2.122.032,37 EUR) zu treffen, wäre dieser im fortgesetzten Verfahren auf geeignete Weise ‑ wenn nötig durch Einholung eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens ‑ zu ermitteln.

4.3. Auch der Verkehrswert der Liegenschaft unter Berücksichtigung der Kontamination ist entgegen der Ansicht der Vorinstanzen in Wirklichkeit nicht (innerhalb der tatsächlich sehr engen Bandbreite zwischen 1.820.000 EUR und 1.832.000 EUR) unstrittig:

Nach dem von der Klägerin eingeholten Privatgutachten Beilage ./S beträgt der Wert der Liegenschaft zum Stichtag des Kaufvertragsabschlusses unter Berücksichtigung der Kontamination zwar tatsächlich 1.832.000 EUR netto. Die im Auftrag der Beklagten bereits im August 2008 ‑ also vor dem relevanten Stichtag ‑ erstellte „Wertermittlung“ Beilage ./III ergibt demgegenüber „zum Stichtag“ (am Tag der Besichtigung [8. August 2008] oder am Tag der Erstellung [25. August 2008]) einen Marktwert (Verkehrswert) von 1.820.000 EUR ohne Berücksichtigung der Kontamination; wird darin doch ausdrücklich „Altlastenfreiheit“ unterstellt.

5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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