European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E114317
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die mj M* und die mj S* C* sind die Töchter der P* und des D*. Sie leben im Haushalt der Mutter.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 13. 6. 2012, GZ 1 Pu 129/11z‑65, wurde der Vater verpflichtet, für jede der beiden Minderjährigen ab 1. 10. 2011 einen Unterhaltsbeitrag von jeweils monatlich 263 EUR zu zahlen.
Aufgrund dieses Titels erhöhte das Erstgericht mit Beschlüssen jeweils vom 3. 8. 2012 die bereits bisher nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährten Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von 200 EUR (für die mj M*) bzw 238 EUR (für die mj S* C*) für den Zeitraum vom 1. 6. 2012 bis 31. 5. 2017 auf jeweils monatlich 263 EUR.
Am 28. 7. 2015 beantragten die beiden Minderjährigen, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger, die Einstellung der Titelvorschüsse und die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 2 UVG in Richtsatzhöhe mit dem Vorbringen, der Aufenthalt des Vaters sei weiterhin unbekannt.
Das Erstgericht stellte mit Beschlüssen jeweils vom 3. 8. 2015 (ON 92 und ON 93 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses ON 96) die den beiden Minderjährigen bewilligten Titelvorschüsse mit Ablauf des Juni 2015 ein und gewährte diesen mit (getrennten) Beschlüssen vom selben Tag (ON 94 und ON 95) für den Zeitraum vom 1. 7. 2015 bis 31. 10. 2017 jeweils Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG in Richtsatzhöhe. Als Begründung für die Einstellung der Titelvorschüsse wurde ausgeführt, dass ab 1. 7. 2015 Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG gewährt werden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters (vertreten durch eine Zustellkuratorin) gegen die Gewährungsbeschlüsse (ON 94 und ON 95) Folge, hob diese Beschlüsse auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.
Im fortgesetzten Verfahren hielten die beiden Minderjährigen ihren Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG aufrecht, schränkten diesen jedoch der Höhe nach auf die Titelhöhe von jeweils monatlich 263 EUR ein. Im Hinblick auf eine Maßnahme der vollen Erziehung schränkte die mj S* C* darüber hinaus ihren Antrag auf Gewährung von Richtsatzvorschüssen auf den Zeitraum bis 30. 9. 2015 ein.
Im zweiten Rechtsgang gewährte das Erstgericht mit Beschlüssen vom 17. 9. 2015 (ON 106 und ON 107) den Minderjährigen neuerlich Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG, diesmal jedoch (nur mehr) in Höhe von jeweils monatlich 263 EUR für den Zeitraum 1. 7. 2015 bis 31. 10. 2017 (für die mj M*) bzw für den Zeitraum 1. 7. 2015 bis 30. 9. 2015 (für die mj S* C*).
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters gegen den die mj M* betreffenden Gewährungsbeschluss (ON 106) Folge, änderte diesen dahingehend ab, dass der Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 2 UVG abgewiesen wurde, behob aus Anlass dieser Entscheidung den Einstellungsbeschluss (ON 92) ersatzlos und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Weiters wies das Rekursgericht den Rekurs gegen den die mj S* C* betreffenden Gewährungsbeschluss zurück und erklärte insoweit den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Rechtlich führte das Rekursgericht zur Behebung des Einstellungsbeschlusses zusammengefasst aus, dieser Beschluss sei zwar zutreffend ergangen, in Verbindung mit der nunmehrigen Abweisung des Antrags auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG komme es jedoch zu dem den Zielen des UVG widersprechenden Ergebnis, dass die Minderjährige bis zur neuerlichen Antragstellung auf Gewährung von Titelvorschüssen keine Unterhaltsvorschüsse erhielte, zumal eingestellte Titelvorschüsse nicht wieder aufleben. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er eine solche vom Kind nicht verhinderbare Zeit ohne Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in Kauf nehme. Zur Vermeidung dieser Konsequenz sei daher der Einstellungsbeschluss des Erstgerichts vom 3. 8. 2015 von Amts wegen zu beheben, womit einer Weitergewährung von Titelvorschüssen nichts im Wege stehe. Der Revisionsrekurs sei zulässig, da oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit einer amtswegigen Behebung des Einstellungsbeschlusses im Falle einer in zweiter Instanz erfolgten Abweisung eines Antrags auf Gewährung von Richtsatzvorschüssen fehle.
Der Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz, richtet sich ausschließlich gegen die ersatzlose Behebung des Einstellungsbeschlusses betreffend die mj M* (der Beschluss des Rekursgerichts hinsichtlich der Abweisung des Antrags der mj M* auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 2 UVG blieb unbekämpft).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
Der Revisionsrekurswerber macht im Wesentlichen geltend, die ersatzlose Behebung des Beschlusses auf Einstellung der Titelvorschüsse hinsichtlich der mj M* sei verfehlt, weil der Beschluss des Erstgerichts mangels Bekämpfung in Rechtskraft erwachsen sei. Eingestellte Vorschüsse könnten nicht wieder aufleben, sondern nur auf Antrag neu bewilligt werden.
Dazu ist auszuführen:
1. Nach § 4 Z 2 UVG sind Vorschüsse zu gewähren, wenn eine Titelschöpfung nicht gelingt oder eine Erhöhung innerhalb der Dreijahresfrist nicht möglich ist. Kommt es zu einer Gewährung von Richtsatzvorschüssen, weil eine Erhöhung nicht möglich war, so sind die allenfalls laufenden Titelvorschüsse nach § 20 Abs 1 Z 4 lit a und Abs 2 UVG (von Amts wegen) einzustellen. Eine parallele Gewährung von Titel‑ und Richtsatzvorschüssen ist nicht möglich; ein für den Zeitraum der Vorschussgewährung nach § 4 Z 2 UVG allenfalls bestehender Exekutionstitel auf Leistung des Unterhalts erlischt nach § 28 Abs 2 UVG (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 20 UVG Rz 13; LGZ Wien EFSlg 66.733).
2.1 Die Einstellung der Titelvorschüsse und die Bewilligung von Richtsatzvorschüssen für denselben Zeitraum stellen eine untrennbare Einheit dar, da der Titelvorschuss durch den Richtsatzvorschuss lediglich ersetzt wird (6 Ob 2367/96y).
2.2 Davon, dass von einer untrennbaren Einheit zwischen der Einstellung von Titelvorschüssen unter gleichzeitiger Bewilligung von Richtsatzvorschüssen auch dann auszugehen ist, wenn die Einstellung der Titelvorschüsse und die Bewilligung der Richtsatzvorschüsse ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ mittels zweier getrennter, am selben Tag gefasster Beschlüsse erfolgt, geht der Revisionsrekurswerber selbst aus und weist zur Begründung zutreffend darauf hin, es wäre sachwidrig darauf abzustellen, ob das Gericht einen einzigen Beschluss oder zwei getrennte Beschlüsse fasst.
3. Auch im Außerstreitverfahren tritt die Teilrechtskraft nur dann ein, wenn der nicht angefochtene Teil einer Entscheidung inhaltlich selbständig beurteilt werden kann. Steht der nicht angefochtene Teil jedoch in untrennbarem Zusammenhang mit der noch überprüfbaren Entscheidung, so tritt hinsichtlich des nicht angefochtenen Teils keine formelle Rechtskraft ein (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 15 UVG Rz 39; RIS‑Justiz RS0007209).
4. Infolge der untrennbaren Einheit der Einstellung der Titelvorschüsse und der Bewilligung von Richtsatzvorschüssen für denselben Zeitraum konnte daher der Beschluss über die Einstellung der Titelvorschüsse nicht für sich allein, sondern nur gemeinsam mit dem Beschluss über die zugrundeliegende Gewährung von Richtsatzvorschüssen rechtskräftig werden. Die Erhebung des Rekurses gegen die Gewährung von Richtsatzvorschüssen verhinderte somit den Eintritt der formellen Rechtskraft auch des Einstellungsbeschlusses.
5.1 Da das Rekursgericht den Antrag auf Gewährung von Richtsatzvorschüssen abgewiesen hat, hatte es beim Titelvorschuss zu verbleiben. Es bestand daher kein Grund (mehr) für die Einstellung des schon bewilligten Titelvorschusses (6 Ob 2367/96y). Folgerichtig ist das Rekursgericht daher mit der ersatzlosen Behebung des ‑ formell nicht rechtskräftigen ‑ Beschlusses über die Einstellung der Titelvorschüsse vorgegangen.
5.2 Mangels Eintritts der formellen Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses steht dessen ersatzloser Behebung auch nicht entgegen, dass nach herrschender Auffassung nach § 20 UVG (rechtskräftig) eingestellte Vorschüsse nicht gleichsam automatisch (nach Wegfall des Einstellungsgrundes) wieder „aufleben“, sondern ein neuer Vorschussantrag zu stellen ist (Knoll, UVG in ÖA [1990] § 20 UVG Rz 8; Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 20 UVG Rz 10; LGZ Wien EFSlg 39.003).
Der Revisionsrekurs bleibt demnach erfolglos.
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