OGH 13Os153/15x

OGH13Os153/15x9.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schönmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Gheorghe L***** und einen weiteren Angeklagten wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 erster Fall FPG (idF vor BGBl I 2015/121) und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Jeno G***** gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 30. Oktober 2015, GZ 601 Hv 14/15g‑35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00153.15X.0309.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Jeno G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ‑ soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung ‑ Jeno G***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 erster Fall FPG (idF vor BGBl I 2015/121) schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. August 2015 in M***** und an anderen Orten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Gheorghe L***** als Mittäter als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig (§ 70 StGB) die rechtswidrige Einreise und Durchreise von Fremden in und durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er für ein vorausbezahltes Entgelt von 200 Euro über Auftrag und Anweisung des Gheorghe L***** mit einem PKW Opel Vectra mit im Urteil näher bezeichnetem französischem Kennzeichen sechs Fremde von Budapest nach M***** transportierte, wobei Gheorghe L***** den Transport mit einem Vorausfahrzeug begleitete und mit ihm während der Fahrt über ein Walkie-Talkie in Verbindung stand.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Jeno G***** mit einer auf Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die auf eine (methodisch vertretbare) Ableitung aus dem Gesetz gestützte Behauptung, das Erstgericht sei bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 588).

Diesen Anforderungen werden die Rechts- und die Subsumtionsrüge nicht gerecht:

Der Einwand eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen (Z 9 lit a) zur Rechtswidrigkeit der geförderten Einreise der Fremden (§ 114 Abs 1 FPG) vernachlässigt die Urteilsfeststellungen, wonach der Nichtigkeitswerber sechs geschleppte Flüchtlinge mit einem Pkw über die ungarisch‑österreichische Grenze beförderte und dabei vom Mitangeklagten Gheorghe L***** sowie zwei weiteren Mitgliedern der vorliegend tätig gewordenen Schlepperorganisation in einem Vorausfahrzeug begleitet und von diesem per Walkie-Talkie vor allfälligen Polizeistreifen auf der Fahrtroute gewarnt wurde und wonach er wusste, dass er die rechtswidrige Einreise von Fremden in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union förderte (US 4 f). Diesen Konstatierungen ist unmissverständlich zu entnehmen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19 mwN), dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die rechtmäßige Einreise der Fremden (etwa die Erfüllung der Pass‑ und Visumpflicht nach § 15 Abs 1 und 2 FPG) nicht vorlagen.

Mit dem Einwand, durch die im Tatzeitpunkt seitens der österreichischen Behörden bestehende Duldung der unkontrollierten und ungehinderten Ein‑ und Durchreise von Fremden sei aufgrund einer „innenpolitischen Entscheidung“ die VO (EU) 604/2013 („Dublin III-Verordnung“) „außer Kraft gesetzt worden“ und seien solcherart auch die gesetzlichen Bestimmungen über die Rechtmäßigkeit der Einreise von Fremden „faktisch außer Kraft getreten“, wird die Normgeltung (vgl Art 18 B-VG) der hier in Rede stehenden gesetzlichen Bestimmungen (§ 15 FPG) nicht methodengerecht in Frage gestellt.

Die gegen die Annahme der Qualifikation nach § 114 Abs 4 erster Fall FPG gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) vermisst ‑ insbesondere in Ansehung der Dauer des Zusammenschlusses und dessen Ausrichtung ‑ Feststellungen zu einem eine kriminelle Vereinigung verwirklichenden Tatsachensubstrat. Damit übergeht sie die Urteilskonstatierungen, wonach sich der Nichtigkeitswerber an einem auf zumindest einige Wochen angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur organisierten Durchführung von Schleppungen beteiligte, dessen „sehr hoher“ Organisationsgrad (auch) dadurch gekennzeichnet war, dass laufend mehrere Fahrer für einzelne Teilstrecken angeheuert wurden, (arbeitsteilig) Entgeltzahlungen durch Mitglieder der Organisation an die Fahrer erfolgten, von dieser Schlepperfahrzeuge und Kommunikationsmittel beschafft wurden und die Schleppung am (in Budapest gelegenen) Übergabeort koordiniert wurde (US 3, 5 f, 10 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Jeno G***** obliegt damit dem Oberlandesgericht (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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