OGH 4Ob10/16y

OGH4Ob10/16y27.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.‑Prof. Dr. G***** F*****, vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei B*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Günther Schmied und Mag. Markus Passer, Rechtsanwälte in Graz, der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, 2. A*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Bartl & Partner Rechtsanwälte KG in Graz, 3. H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Günter Millner und andere Rechtsanwälte in Graz, 4. S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Riesemann Rechtsanwalts GmbH in Graz, 5. I*****GmbH, *****, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Verbesserung (Streitwert 16.500 EUR) und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), über die ordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 16.500 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 29. September 2015, GZ 3 R 62/15k‑112, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Februar 2015, GZ 44 Cg 59/13g‑102, mit Ausnahme der Entscheidung über die Leistungsfrist bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00010.16Y.0127.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.363,10 EUR (darin 227,18 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger, der eine zum Zeitpunkt des Kaufvertrags noch nicht errichtete Eigentumswohnung von der beklagten Bauträgerin erwarb, begehrte ‑ neben einem bereits rechtskräftig abgewiesenen Feststellungs-begehren ‑ die Verbesserung zahlreicher Mängel. Die Mehrzahl der Mängel betreffen die allgemeinen Teile der Liegenschaft. Seine Aktivlegitimation stützte der Kläger ua auf den (inhaltlich unstrittigen) Wohnungseigentumsvertrag. Darin vereinbarten die Wohnungseigentümer, dass bei Gewährleistungsansprüchen ein Gewährleistungsberechtigter ohne weitere Beschlussfassung und Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft auch hinsichtlich allgemeiner Teile der Liegenschaft (auch gerichtlich) berechtigt ist, die (Wieder‑)Herstellung des bedungenen Zustands zu verlangen, und zwar zunächst die Verbesserung (Nachbesserung, Nachtrag) oder danach den Austausch.

Die beklagte Partei bestritt einerseits das Vorliegen von Mängeln und brachte anderseits vor, dass sie dem Kläger die bedingungslose Sanierung der gerügten Mängel angeboten habe, was von diesem verweigert worden sei. Der Kläger mache zudem nahezu nur Mängel an allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage geltend, habe dazu aber alleine keine Legitimation.

Das Erstgericht trug der beklagten Partei in Stattgabe des Leistungsbegehrens auf, binnen 14 Tagen eine Reihe von (aus den Feststellungen abzuleitenden) Mängeln des Wohnungseigentumsobjekts und auch der allgemeinen Teile der Wohnungseigentumsanlage zu verbessern. Dem Einwand der beklagten Partei, dass der Kläger die Verbesserung nicht begehren könnte, weil er diese verweigert habe, hielt es entgegen, dass von der beklagten Partei keiner der Mängel anerkannt worden und der Kläger auch nicht verpflichtet gewesen sei, eine nur pauschal angebotene Verbesserung anzunehmen. Der zur Verbesserung bereite Kläger ziele mit seinem Begehren gerade auf die Naturalrestitution ab. Mangels eines Interessenskonflikts mit den anderen Wohnungseigentümern sei der Kläger auch aktiv legitimiert, Mängel geltend zu machen, die die Allgemeinflächen des Hauses betreffen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei und der dritten Nebenintervenientin nur insoweit Folge, als es die Leistungsfrist mit drei Monaten bestimmte. Im Übrigen gab es diesen Berufungen und auch jener des Klägers nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und auch, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die beklagte Partei könne sich schon deshalb nicht auf eine Verweigerung der Sanierung durch den Kläger berufen, weil sie die Verbesserung weder konkret noch unbedingt angeboten habe. Auch das Berufungsgericht bejahte die Aktivlegitimation des Klägers mit Hinweis auf den fehlenden Interessenskonflikt zwischen dessen Interessen und jenen der übrigen Wohnungseigentümer. Zudem sehe der Wohnungseigentumsvertrag explizit vor, dass ein Wohnungseigentümer Gewährleistungsansprüche für allgemeine Teile der Liegenschaft geltend machen könne.

Das Berufungsgericht wies die dagegen erhobene ordentliche Revision des Klägers samt dessen Antrag auf nachträgliche Änderung des Zulassungsausspruchs (§ 508 ZPO) rechtskräftig zurück. Hingegen änderte es seinen Zulässigkeitsausspruch auf Antrag der beklagten Partei nachträglich ab und erklärte die ordentliche Revision der beklagten Partei für zulässig. Nach Ansicht des Berufungsgerichts fehle Rechtsprechung zur Frage der Aktivlegitimation eines Wohnungseigentümers zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen betreffend Allgemeinteile im Zusammenhang mit der Gefährdung von widerstreitenden Gemeinschaftsinteressen und auch darüber, ob die Aktivlegitimation bereits aus dem Wohnungseigentumsvertrag folgen könne.

In ihrer Revision releviert die beklagte Partei die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Zur Begründung der erheblichen Rechtsfrage wiederholt sie im Wesentlichen ihren Standpunkt zur Aktivlegitimation des Klägers und zum behaupteten Sanierungsangebot.

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

2.1 Nach der ständigen Rechtsprechung können auch einzelne Wohnungseigentümer Gewährleistungs-ansprüche an gemeinschaftlichen Anlagen geltend machen, ohne dass diesbezüglich die übrigen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen oder selbst als Kläger auftreten müssen (RIS‑Justiz RS0108157; RS0082907; RS0119208). Wenn und soweit das Vorgehen des einzelnen Eigentümers Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte, ist ein Beschluss der Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder oder eine diesen Mehrheitsbeschluss substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters erforderlich (RIS‑Justiz RS0108157 [ua T3, T6, T7, T10, T14, T16]; RS0108158 [ua T7, T17, T24]; RS0082907 [T7, T8, T13, T20]). In der möglichen Wahl zwischen Verbesserungs- und Preisminderungsbegehren kann ein Interessenskonflikt liegen (5 Ob 282/00g; 5 Ob 99/03z; 5 Ob 251/09m). Ein Mehrheitsbeschluss ist allerdings mangels eines Interessenskonflikts dann nicht erforderlich, wenn die Beteiligten bereits eine Regelung getroffen haben (5 Ob 296/00s; 5 Ob 214/01h; 5 Ob 190/02f; 5 Ob 21/09p).

2.2 Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die zwischen allen Wohnungseigentümern im Wohnungseigentumsvertrag einvernehmlich getroffene Regelung über die selbständige (gerichtliche) Geltendmachung durch die einzelnen Eigentümer („ohne weitere Beschlussfassung und Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft“) einen Mehrheits-beschluss entbehrlich macht, bedarf keine Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung, zumal auch sonst anerkannt ist, dass eine erforderliche Willensbildung zwischen den Wohnungseigentümern auch im Wohnungseigentumsvertrag getroffenen werden kann (vgl etwa 5 Ob 290/07v; 5 Ob 57/11k; 5 Ob 210/13p; 5 Ob 76/13g; Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht2 § 25 WEG Rz 1; Kolmasch, Das Wohnungseigentumsgesetz § 25 MRG; Löcker in Hausmann/Vonkilch, § 25 WEG Rz 11 und § 28 WEG Rz 105).

2.3 Die von den Vorinstanzen vertretene Ansicht, dass der Kläger die Verbesserung von Mängeln auch bei den allgemeinen Teilen der Liegenschaft begehren kann, begründet somit keine erhebliche Rechtsfrage.

2.4 Das trifft auch auf den Vorwurf zu, das Verfahren leide an einem sekundären Verfahrensmangel, weil nicht feststehe, welche Mängel an allgemeinen Teilen vorliegen. Für die Aktivlegitimation kommt es hier gerade nicht darauf an, ob ein Mangel das Wohnungseigentumsobjekt des Klägers oder allgemeine Teile betrifft.

3. Die beklagte Partei vermag auch im Zusammenhang mit den Behauptungen über ihre bedingungslose Sanierungsbereitschaft und die faktische Verweigerung der Sanierung durch den Kläger nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu begründen. Ob eine Verbesserungsverweigerung vorliegt, ist stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und bildet daher im Regelfall keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage (vgl nur 4 Ob 163/11s mwN und 1 Ob 121/14x; RIS‑Justiz RS0044197 [T2]). Zudem war hier nicht die Fälligkeit des Entgelts der beklagten Partei streitgegenständlich, sondern der Verbesserungsanspruch des Klägers, den dieser auch dann nicht verliert, wenn er in unberechtigter Weise auf Art, Umfang und Durchführung der Verbesserung mehr Einfluss nehmen will, als er es allenfalls nach dem zugrundeliegenden Vertrag konnte (RIS‑Justiz RS0021684).

4.1 Der nur „zur Abrundung des Bildes“ geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde geprüft, er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

4.2 Eine durch die Aktenlage nicht gedeckte Verneinung des Vorliegens eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels durch das Berufungsgericht kann zwar eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens begründen (RIS‑Justiz RS0043166). Eine solche aktenwidrige Begründung ist dem Berufungsgericht im Zusammenhang mit der unterlassenen Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Hydrologie oder Bodenmechanik nicht vorzuwerfen. Die beklagte Partei stützte die entsprechende Verfahrensrüge in ihrer Berufung ausschließlich auf den Umstand, dass „die Beiziehung eines Bodengutachters zum Beweis des Mangels beantragt war“, womit sie ausdrücklich und ausschließlich auf den Beweisantrag des Klägers Bezug nahm. Das Berufungsgericht hat sich im Einklang mit dem Akteninhalt mit dieser Verfahrensrüge auseinandergesetzt und die Mangelhaftigkeit verneint. Der beklagten Partei ist es verwehrt, in der Revision erstmals zu rügen, dass das Erstgericht auch einem weiteren Beweisantrag einer der Nebenintervenienten mit einem gegenteiligen Beweisthema nicht entsprochen hat.

5. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision damit zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen.

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