OGH 14Os134/15k

OGH14Os134/15k22.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Costel B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Schlepperei nach §§ 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 erster Fall FPG und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 29 Hv 62/15i (vormals AZ 18 HR 98/15g) des Landesgerichts Krems an der Donau, über die Grundrechtsbeschwerde des Cristian‑Constantin P***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 10. November 2015, AZ 21 Bs 334/15v (ON 123), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Cristian‑Constantin P***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Cristian‑Constantin P***** gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 23. Oktober 2015, GZ 18 HR 98/15g‑65, mit dem die über ihn am 9. Oktober 2015 verhängte (ON 22) Untersuchungshaft fortgesetzt worden war, nicht Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO an.

Gestützt auf konkret benannte polizeiliche Ermittlungsergebnisse, die teilweise geständige Verantwortung des Beschuldigten und ihn belastende Angaben mutmaßlicher Mittäter ging das Beschwerdegericht dabei ‑ durch identifizierenden Verweis auf die Beschlussannahmen des Erstgerichts (BS 2 f, 5; vgl dazu RIS‑Justiz RS0122395 [T1]) ‑ vom dringenden Verdacht aus, Cristian‑Constantin P***** habe von Ende März 2015 bis zumindest Ende Juni 2015 zu noch festzustellenden Zeitpunkten in zumindest 13 Angriffen in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Schlepperei eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im Rahmen eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses, der auf die Ausführung von Verbrechen der gewerbsmäßigen Schlepperei in Bezug auf eine größere Zahl von Fremden gerichtet war, mit den im Folgenden genannten Mittätern die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von mehr als zehn Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich und seine Mittäter durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

A) von Ende März bis Ende April 2015 im Auftrag von Claudiu‑Caius M***** gemeinsam mit Ioan‑Daniel E***** und Angelo‑Cristian E***** in drei Angriffen, indem er in seinem PKW jeweils vier Flüchtlinge gegen ein Entgelt von zumindest 500 Euro pro Fahrt und die beiden Mittäter in ihrem PKW jeweils weitere drei Flüchtlinge von Budapest über Nickelsdorf nach Schwechat‑Ost und von dort aus einmal drei Flüchtlinge über Passau nach Deutschland brachten;

B) Anfang Mai 2015 bis zumindest Ende Juni 2015 in zehn weiteren Angriffen gemeinsam mit den oben genannten Mittätern, indem er in seinem PKW jeweils drei bis vier Flüchtlinge gegen ein 600 Euro bis 1.000 Euro übersteigendes Entgelt pro Fahrt von der serbisch-ungarischen Grenze über Nickelsdorf nach Wien oder Schwechat‑Ost brachte und den Brüdern E***** jeweils 600 Euro bis 1.000 Euro pro Fahrt dafür zahlte, dass sie mit ihrem Pkw teils von der serbisch‑ungarischen Grenze, teils von Nickelsdorf vorausfuhren, um ihn vor allfälligen Polizeikontrollen zu warnen.

In rechtlicher Hinsicht

subsumierte das Oberlandesgericht dieses Verhalten ‑ aus der Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Landesgerichts Krems an der Donau deutlich genug ersichtlich ‑ dem Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG idF vor BGBl I 2015/121.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen fristgerecht erhobenen Grundrechtsbeschwerde des Cristian‑Constantin P*****, (ON 151), die sich ausschließlich gegen die Verdachtsannahme eines auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes richtet, kommt keine Berechtigung zu.

Ihrem Vorbringen zuwider liegt im Hinblick auf die subjektive Tatseite weder der ‑ unter Rekurs auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (11 Os 125/15i) -nominell geltend gemachte Begründungsmangel (Z 5 vierter Fall), noch ein der Sache nach behaupteter Rechtsfehler mangels Feststellungen zufolge Fehlens eines ‑ für die rechtliche Beurteilung indes maßgebenden (vgl RIS‑Justiz RS0119090) ‑ Sachverhaltsbezugs vor.

Unter einem Entgelt im Sinn des § 114 Abs 1 FPG ist die Gewährung oder Forderung eines Vermögensvorteils zu verstehen. Das ist jeder Vorteil, der einer Bewertung in Geld zugänglich ist, somit ‑ soweit hier relevant ‑ jede Geld‑ oder andere Sachzuwendung. Er stellt im gegebenen Zusammenhang die sogenannte „Risikoprämie“ des Täters für die Förderung der rechtswidrigen Einreise oder Durchreise eines Fremden dar, was etwa die Erfassung eines adäquaten Fuhrlohns bei einer Taxifahrt ausschließt (

EBRV 952 BlgNR 22. GP 111). Eine ‑ in den Gesetzesmaterialien angesprochene ‑ Geringfügigkeitsgrenze ist im Gesetz nicht vorgesehen (vgl dazu auch Tipold in WK² FPG § 114 Rz 12).

Vorliegend setzte sich das Oberlandesgericht ausführlich mit den anlässlich der einzelnen Schlepperfahrten zurückgelegten Wegstrecken und dem dafür erforderlichen Zeitaufwand auseinander, stellte dem ‑ nach der (umfassend begründeten, BS 3 ff) Verdachtslage ‑ dafür lukrierten Entgelt die Aufwendungen (in Höhe des konkret bezifferten amtlichen Kilometergeldes) gegenüber und errechnete daraus eine dem Beschwerdeführer nach deren Abzug tatsächlich (netto) verbliebene (unversteuerte) Entlohnung von 50 bis 65 Euro pro Stunde.

Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen begegnet der aus dieser Sachverhaltsgrundlage in rechtlicher Hinsicht gezogene Schluss auf den Eintritt einer vom Vorsatz umfassten unrechtmäßigen Bereicherung keinen Bedenken.

Aus welchem Grund insoweit eine Orientierung „am angemessenen Lohn ..., welchen Personen erhalten, welche vergleichbare Transportdienste durchführen“, also ein Vergleich mit „Preisen gewerblicher Beförderung“ erforderlich gewesen wäre, obwohl der Beschwerdeführer ‑ nach den insoweit unbestrittenen Beschlussannahmen (BS 4) ‑ über keine Taxi‑ oder Mietwagenkonzession verfügte, legt die Beschwerde weder dar, noch ergeben sich aus der in diesem Zusammenhang zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung (erneut 11 Os 125/15i; vgl auch 13 Os 9/14v) oder den oben zitierten Gesetzesmaterialien, die ausdrücklich auf „Taxifahrten“ Bezug nehmen, diesbezügliche Anhaltspunkte.

Cristian‑Constantin P***** wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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