OGH 7Ob219/15d

OGH7Ob219/15d16.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Erlagssache der Antragstellerin Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA), gegen die Antragsgegner 1. T***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch B & S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. E***** AG, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. unbekannte weitere mögliche Geschädigte aus den den Verfahren AZ 3 St 39/14v und 3 St 36/12z der WKStA zugrundeliegenden Straftaten, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des G***** P*****, vertreten durch oehner petsche‑demmel pollak rechtsanwaelte gmbh in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. September 2015, GZ 48 R 192/15p‑8, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00219.15D.1216.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht wies den Antrag der WKStA auf gerichtliche Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB des von der Ersterlagsgegnerin bei der Verwahrungsabteilung des Oberlandesgerichts Wien erlegten Geldbetrags von 600.000 EUR ab.

Den dagegen von G***** P***** erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht wegen Fehlens der Parteistellung und der Rekurslegitimation zurück.

1. Im Erlagsverfahren nach § 1425 ABGB ist von einem in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstand, somit also von einem Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Art, auszugehen (RIS‑Justiz RS0007215 [T10]). Die Bewertung ergibt sich aus dem strittigen Erlagsbetrag, weshalb das Rekursgericht zu Recht von einem Bewertungsausspruch abgesehen hat. Der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Rekursgericht entschieden hat, übersteigt 30.000 EUR (§ 62 Abs 3 und 5 AußStrG).

2. Die vom Revisionsrekurswerber aufgezeigte Rechtsfrage, ob einem Täter, zu dessen Gunsten mit seinem Wissen und Wollen bei der Staatsanwaltschaft ein Betrag zur Inanspruchnahme des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue von einem Dritten erlegt wurde, Parteistellung als Erlagsgegner im Erlagsverfahren zukommt, stellt sich nicht.

3. Auch im Außerstreitverfahren ist nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (formell und materiell) beschwert ist (RIS‑Justiz RS0043815 [T41]). Nach herrschender Auffassung muss ein Rechtsmittelwerber grundsätzlich formell beschwert sein, was bedeutet, dass die Entscheidung von dem Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweichen muss (RIS‑Justiz RS0041868 [T5]). Schon diese Voraussetzung liegt nicht vor, weil nicht ein Antrag des Revisionsrekurswerbers, sondern ein solcher der WKStA abgewiesen wurde.

Darüber hinaus ist der Rechtsmittelwerber auch materiell nicht beschwert. Materielle Beschwer liegt vor, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werden (RIS‑Justiz RS0041868). Dies ist im Regelbedarf dann zu verneinen, wenn der den Erlag annehmende Beschluss nur zugunsten eines Erlagsgegners ergeht (RIS‑Justiz RS0110881 [T1, T9, T10, T11]). Dagegen geht die Rechtsprechung im Verfahren nach § 1425 ABGB von einer Beeinträchtigung der materiellen Rechtsstellung des Erlagsgegners dann aus, wenn der Erlag zugunsten mehrerer Erlagsgegner angenommen wurde (RIS‑Justiz RS0110882).

Hier wurde die Annahme des Erlags aber abgelehnt. In einem solchen Fall ist die Beeinträchtigung der materiellen Rechtsstellung des Erlagsgegners ‑ auch bei Benennung mehrerer Erlagsgegner ‑ nicht gegeben und das Rechtsmittel als unzulässig anzusehen (1 Ob 78/09s = RIS‑Justiz RS0110882 [T7]). Selbst wenn der Revisionsrekurswerber demnach Parteistellung als Erlagsgegner genießen würde, wäre er durch die Ablehnung der Annahme des Erlags weder formell noch materiell beschwert, sodass die Zurückweisung seines Rekurses durch das Rekursgericht nicht zu beanstanden ist.

4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte