European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00121.15Y.1215.000
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Wels als Geschworenengericht vom 18. September 2015, GZ 11 Hv 113/15d‑23, verletzt § 7 Abs 2 erster Satz StPO.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Dominik S***** wird für die ihm nach dem Schuldspruch zur Last liegenden Verbrechen nach § 3g VerbotsG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 3g erster Fall VerbotsG zu einer Freiheitsstrafe von
fünfzehn Monaten
verurteilt.
Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Wels als Geschworenengericht vom 18. September 2015, GZ 11 Hv 113/15d‑23, wurde Dominik S***** auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen mehrerer Verbrechen nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt und hiefür zu einer achtzehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er sich in W***** und an anderen Orten Österreichs auf andere als die in §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er am 16. Mai 2015 in W***** (1) und von 2008 bis 2015 an Badeseen und in Freibädern in Oberösterreich (2) seine am Rücken befindliche Tätowierung eines „Reichsadlers“ samt der von einem Eichen‑ bzw Lorbeerkranz umfassten Zahl „18“ öffentlich zur Schau stellte.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht den langen Tatzeitraum und „die absolute Uneinsichtigkeit des Angeklagten“ als erschwerend, als mildernd dagegen dessen „bisherige Unbescholtenheit“ (US 3).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht der Strafausspruch mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Durch die Annahme des Erschwerungsgrundes „absoluter Uneinsichtigkeit“ des Angeklagten haben die Tatrichter vorliegend der Sache nach dessen leugnende Verantwortung als eine für die Sanktionsfindung (mit-)entscheidende Tatsache herangezogen. Dies widerspricht dem ‑ verfassungsrechtlich aus Art 6 Abs 2 MRK und Art 90 Abs 2 B‑VG abzuleitenden, einfachgesetzlich durch § 7 Abs 2 erster Satz StPO ausdrücklich normierten ‑ Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung (nemo‑tenetur‑Prinzip; 12 Os 38/15b; 13 Os 13/15h; vgl auch RIS‑Justiz RS0090897 [T3, T8, T9 und T10]).
Da eine dem Verurteilten nachteilige Wirkung der Gesetzesverletzung nicht auszuschließen ist, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
Bei der Strafneubemessung war die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben Art innerhalb eines langen Zeitraums (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) erschwerend, mildernd dagegen
der bisher ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB).
Davon ausgehend entspricht eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten dem Unrechts‑ und Schuldgehalt der Taten sowie der Täterpersönlichkeit.
Die Strafe war schon wegen des Verschlechterungsverbots (§ 292 erster Satz iVm § 290 Abs 2 StPO) erneut bedingt nachzusehen. Dabei war die
Probezeit (ebenso wie vom Erstgericht) mit dem in § 43 Abs 1 erster Satz StGB vorgesehenen Höchstmaß (drei Jahre) zu bestimmen, um dem Angeklagten einen zusätzlichen Anreiz zu künftigem Wohlverhalten zu bieten.
Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass der Beginn der Probezeit mit Rechtskraft des angefochtenen Urteils am 22. September 2015 zu laufen begonnen hat (§ 49 StGB; Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 55).
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