OGH 9ObA139/15d

OGH9ObA139/15d26.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Partei G***** N*****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** W***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Anfechtung von Entlassungen, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 28. September 2015, GZ 5 Nc 8/15p‑4, mit dem der Ablehnungsantrag der klagenden Partei gegen einen Richter des Oberlandesgerichts Linz abgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00139.15D.1126.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Der Kläger begehrt mit seinen Klagen, die von der Beklagten ausgesprochenen Entlassungen für rechtsunwirksam zu erklären. Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung der Beklagten auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Zur abschließenden rechtlichen Beurteilung fehlten noch Feststellungen. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig.

Mit Schriftsatz vom 24. 8. 2015 lehnte der Kläger ein Mitglied des Berufungssenats ab. Der abgelehnte Richter ***** sei ‑ zuvor und auch zum Zeitpunkt der Entlassungen ‑ in einem anderen Rechtsmittelsenat des Berufungsgerichts tätig gewesen. Die damalige Vorsitzende dieses Senats sei die Ehegattin des Rechtsanwalts Dr. N*****. Der Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagten und der W***** GmbH, Ing. A***** W*****, werde seit 25 Jahren persönlich von Dr. N***** arbeitsrechtlich beraten und von der ***** Rechtsanwaltskanzlei ***** P***** GmbH vertreten. Dr. N***** sei auch Vorstandsmitglied der von Ing. A***** W***** gegründeten Familie W*****‑Privatstiftung, die bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz quasi Alleingesellschafter der Beklagten gewesen sei. Zudem bestehe ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Dr. N***** und der Familie W*****. Wenn der abgelehnte Richter daher an einer Entscheidung mitgewirkt habe, die über die Rechtmäßigkeit der Entlassung eines leitenden Angestellten der Beklagten zu entscheiden habe, so sei damit der Anschein der Befangenheit evident.

Der abgelehnte Richter erklärte sich nicht befangen. Er habe weder um die vom Kläger dargestellten (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Beklagten noch um die Funktion des Rechtsanwalts Dr. N***** in diesem Umfeld gewusst.

Die Beklagte erstattete eine Äußerung zum Ablehnungsantrag, in der sie ua darauf hinwies, dass der Beklagtenvertreter in den gegenständlichen Arbeitsrechtssachen nicht über Vermittlung der Kanzlei ***** P***** GmbH in ***** tätig geworden sei. Weder diese Rechtsanwaltskanzlei noch die in dieser Kanzlei seit ihrem Ruhestand als Konsulentin tätige ehemalige Vorsitzende des abgelehnten Richters seien mit den Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien befasst gewesen. Lediglich Dr. N***** sei in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der W***** Privatstiftung über die Entlassung und den Rechtsstreit informiert worden. Ein enges freundschaftliches Verhältnis zwischen Dr. N***** bzw seiner Ehegattin zur Familie W***** bestehe nicht.

Der für Ablehnungssachen betreffend Richter des Oberlandesgericht in Zivilsachen zuständige Senat des Oberlandesgerichts Linz gab dem Ablehnungsantrag nicht Folge. Ein mögliches persönliches Naheverhältnis der ehemaligen Vorsitzenden eines anderen Rechtsmittelsenats zur Beklagten, weitgehend vermittelt durch ihren als Rechtsanwalt tätigen Ehegatten, vermöge den Anschein der Befangenheit eines vormals im selben Rechtsmittelsenat tätig gewesenen Richters nicht schlüssig zu begründen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den Richter ***** als befangen zu erklären und den in den verbundenen Arbeitsrechtssachen ergangenen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts als nichtig aufzuheben.

Die Beklagte erstattete keine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist im Interesse des Ansehens der Justiz bei der Beurteilung, ob Befangenheit vorliegt, grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (RIS‑Justiz RS0045949). Schon der Anschein, ein Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, muss vermieden werden (RIS‑Justiz RS0046052). Es genügt daher, wenn die Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss, also bei objektiver Betrachtungsweise der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RIS‑Justiz RS0109379 [T4, T7]; RS0046024 [T7]).

In erster Linie kommen als Befangenheitsgründe private persönliche Beziehungen zu den Prozessparteien bzw Zeugen oder ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein der Voreingenommenheit hervorzurufen (RIS‑Justiz RS0045935). Das Ablehnungsverfahren soll aber auch nicht die Möglichkeit bieten, sich nicht genehmer Richter zu entledigen (RIS‑Justiz RS0111290; RS0109379).

Ausreichende Gründe, die bei objektiver Betrachtung die Befürchtung erwecken könnten, der abgelehnte Richter habe sich bei seiner Abstimmung im Senat von unsachlichen Motiven leiten lassen, liegen hier aber nicht vor. Zunächst ist dafür wesentlich, dass die Beklagte in den gegenständlichen Arbeitsrechtssachen nicht einmal von der Rechtsanwaltskanzlei ***** P***** GmbH vertreten wird. Dass Dr. N***** den Fall noch zu einem Zeitpunkt mit seiner Ehegattin besprochen habe, als diese noch als Richterin am Oberlandesgericht Linz tätig gewesen sei, ist, wie im Rekurs selbst ausgeführt wird, eine bloße Vermutung. Ansonsten lassen aber die persönlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Dr. N***** und Ing. A***** W***** für einen Verfahrensbeteiligten nicht den Eindruck entstehen, dass der abgelehnte Richter ***** deshalb nicht unvoreingenommen an der Entscheidung mitwirken habe können, weil er seinerzeit in einem anderen Rechtsmittelsenat tätig gewesen sei, dessen seinerzeitige Vorsitzende die Ehegattin des Rechtsanwalts Dr. N***** gewesen sei.

Mit dem der Entscheidung 9 ObA 5/92 zugrunde liegenden Sachverhalt ist der vorliegende nicht zu vergleichen. In 9 ObA 5/92 war eine Richterin gemäß § 20 Z 2 JN ausgeschlossen, weil ihr Ehegatte als Prozessbevollmächtigter einer am Verfahren beteiligten Partei auftrat. Dies ist hier nicht der Fall.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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