European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00103.15H.1007.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Yetis L***** (zu I.) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB, (zu II.) des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und (zu III.) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er ‑ soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung ‑ in G*****
I. am 2. oder 3. Oktober 2014 Remziye L***** mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, am Körper zu verletzen versucht, indem er mit einem Küchenmesser zwei Mal in Richtung ihrer Bauchgegend stach, während er sinngemäß zu ihr sagte, dass er sie umbringen werde, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil die Genannte den Stichen ausweichen und die Hand, in der er das Messer hielt, festhalten und schließlich aus dem Raum flüchten konnte;
II. am 5. November 2014 Remziye L***** dadurch zu töten versucht, dass er mit einer Axt von oben Richtung Kopf der am Küchentisch sitzenden Frau schlug, wobei diese mit beiden Händen den Stiel der Axt ergriff, sich gleichzeitig duckte, den Hieb dadurch abbremsen und ausweichen konnte, sodass sie lediglich der Axtstiel am Kopf und die Schneide im Bereich der Schulter traf, und ihr Muhammed L***** zur Hilfe kam, mit beiden Händen die Axt packte, sodass sie weggeschleudert wurde, worauf sich Yetis L***** erneut auf das Opfer stürzte und sie mit beiden Händen am Hals heftig würgte, bis ihn Muhammed L***** durch Faustschläge zum Loslassen brachte, wobei Remziye L***** durch die Tat verschiedene ‑ im Urteil beschriebene ‑ Verletzungen im Kopf‑, Hals‑ und Nackenbereich erlitt.
Die Geschworenen hatten zu I. die Hauptfrage 1 in Richtung §§ 15, 87 Abs 1 StGB verneint, die Eventualfrage 1 in Richtung §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 bejaht und demgemäß die Eventualfrage 2 in Richtung § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB unbeantwortet gelassen, zu II. die Hauptfrage 2 in Richtung §§ 15, 75 StGB bejaht und die dazu gestellten Eventualfragen unbeantwortet gelassen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und Z 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.
Die Fragenrüge (Z 6) reklamiert zu I. die Stellung von Zusatzfragen zur Hauptfrage 1 und zur Eventualfrage 1 nach dem Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB), weil der Angeklagte bei zwei Vernehmungen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung angegeben habe, er habe seine Frau zwar mit dem Messer bedroht, aber dann „von seinem Tun freiwillig Abstand genommen“, indem er das Messer fallen lassen habe. Dies sei im Wesentlichen auch von der Zeugin Remziye L***** bestätigt worden.
Soweit die Zusatzfrage auch zur ‑ von den Geschworenen verneinten ‑ Hauptfrage 1 begehrt wird, scheitert sie bereits daran, dass ihre Unterlassung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss üben konnte (§ 345 Abs 3 StPO).
Eine prozessordnungsgemäße Fragenrüge hat ein die begehrte (hier: Zusatz-)Frage indizierendes Sachverhaltssubstrat zu nennen, wobei ein Sachverhalt, der nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung als ernst zu nehmendes Indiz von vornherein ausscheidet, für ihre Zulässigkeit nicht genügt (RIS-Justiz RS0100860 [T1]; Ratz , WK-StPO § 345 Rz 23).
Indem der Angeklagte bei sämtlichen Vernehmungen lediglich eine (vollendete) Drohung unter Verwendung eines Messers zugestand, den Versuch einer durch Messerstiche in die Bauchgegend begangenen (schweren) Körperverletzung aber in Abrede stellte, lässt sich aus seinen Aussagen auch keine freiwillige Aufgabe der Ausführung der letztgenannten Tat ableiten, sondern nur der Umstand, dass er die von ihm behauptete Drohung weder wiederholt noch verwirklicht habe. Demnach sind die reklamierten Angaben des Angeklagten ‑ wie auch deren angebliche (im Übrigen mit der Aktenlage nicht in Einklang stehende: vgl ON 3 S 59, ON 13 S 11, ON 27 S 10, ON 50 2. Teil S 4) ‑ Bestätigung durch die Zeugin Remziye L***** nach allgemeiner Lebenserfahrung von vornherein nicht geeignet, ein Indiz für einen Rücktritt vom Versuch der Körperverletzung zu begründen.
Der Nichtigkeitsgrund der Z 10a greift erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsannahmen zu entscheidenden Tatsachen aufkommen lassen, mit anderen Worten gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unrichtige Lösung der Schuldfrage qualifiziert nahelegen. Eine über diese Prüfung hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ‑ wie es die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt ‑ wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0118780&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0118780&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ). Der Umstand, dass aus den vorgeführten Beweisen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, ist für sich allein nicht geeignet, jene erheblichen Bedenken darzutun, auf die der bezeichnete Nichtigkeitsgrund abstellt (RIS-Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0099674&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).
Mit der (überdies rein spekulativen) Behauptung zu II., aus der von den Zeugen Remizye L***** und Muhammed L***** bei der Tatrekonstruktion beschriebenen Haltung der Axt ergebe sich ‑ nach Meinung des Beschwerdeführers ‑, dass es dem Angeklagten nur möglich gewesen sei, eine schwere Körperverletzung, nicht aber den Tod herbeizuführen, vermag die Beschwerde beim Obersten Gerichtshof keine erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage II. zu Grunde liegenden Annahmen zu erwecken, der Angeklagte habe seine Gattin (durch einen Axthieb) zu töten versucht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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