OGH 10Ob87/15i

OGH10Ob87/15i1.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Pflegschaftssache des ***** geborenen mj S*****, in Pflege und Erziehung des Vaters P*****, und vertreten durch das Land Niederösterreich als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft St. Pölten, Fachgebiet Rechtsvertretung Minderjähriger, Am Bischofteich 1, 3100 St. Pölten), über den Revisionsrekurs der Mutter H*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 8. Juli 2015, GZ 23 R 272/15w, 23 R 273/15t‑83, womit dem Rekurs der Mutter gegen den Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 22. Mai 2015, GZ 2 Pu 52/10y‑68, teilweise Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00087.15I.1001.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der am ***** geborene S***** lebt seit 27. Juni 2014 im Haushalt des Vaters. Am 19. Dezember 2014 stellte er, vertreten durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger, den Antrag, die Mutter ab 27. Juni 2014 zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von 365 EUR zu verpflichten (ON 47).

Mit Beschluss vom 22. Mai 2015 bestellte das Erstgericht einen Buchsachverständigen und erteilte ihm den Auftrag, ein Gutachten zum durchschnittlichen Nettoeinkommen und zu den durchschnittlichen monatlichen Nettoprivatentnahmen der Mutter zu erstatten. Der Sachverständige wurde „ermächtigt, insoweit dies zur Gutachtenserstattung erforderlich ist, in die Akten von Verwaltungsbehörden Einsicht zu nehmen, wobei ihm das Akteneinsichtsrecht in dem Umfang eingeräumt werden soll als es auch dem Gericht selbst zukommt. Die vom Sachverständigen kontaktierten Verwaltungsbehörden werden um Erteilung von Auskünften an den Sachverständigen im Umfang der gegenüber dem Gericht bestehenden Auskunftspflicht ersucht.“

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter (ON 71) teilweise Folge und präzisierte die Ermächtigung an den Sachverständigen in folgender Weise: „Der Sachverständige wird ermächtigt, insoweit dies zur Gutachtenserstattung erforderlich ist, Auskünfte des Arbeitsmarktservice, der in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung und anderer Sozialleistungen gewährender Stellen sowie des Finanzamtes über Beschäftigungs‑ oder Versicherungsverhältnisse oder Einkommen der Mutter H***** einzuholen, wobei ihm gegenüber die gleiche Auskunftspflicht besteht wie gegenüber dem Gericht gemäß § 102 Abs 2 AußStrG.“

Der Revisionsrekurs wurde mit dem Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den Auskunftspflichten der in § 102 Abs 2 AußStrG genannten Institutionen begründet, namentlich dazu, ob diese vom Gericht auch gegenüber Sachverständigen bestehend angeordnet und somit delegiert werden können, aber auch, ob die in § 102 Abs 2 letzter Satz AußStrG normierte Auskunftspflicht von Finanzämtern nur unter der in diesem Satz umschriebenen Voraussetzung bestehe, dass also die Unterhaltspflicht dem Grunde nach feststehe und das Gericht die Höhe des Unterhalts nicht auf andere Weise feststellen könne, oder ob diese Auskunftspflicht des Finanzamts allenfalls an weitere, in § 102 Abs 2 Satz 2 AußStrG genannte Voraussetzungen, gleichermaßen einem Stufenbau entsprechend, geknüpft sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mutter, mit dem sie den Entfall der Ermächtigung an den Sachverständigen anstrebt, ist nicht zulässig.

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Beschluss, mit dem ‑ sei es über Antrag einer Partei, sei es von Amts wegen ‑ ein Sachverständiger bestellt wird oder mit dem einem Sachverständigen ein Auftrag erteilt wird, ein verfahrensleitender Beschluss und daher gemäß § 45 Satz 2 AußStrG erst mit dem Rechtsmittel gegen die Entscheidung über die Hauptsache anfechtbar (4 Ob 137/05h, SZ 2005/101; RIS‑Justiz RS0120052, RS0120910; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 45 Rz 15).

2. Im Allgemeinen nicht als verfahrensleitende Beschlüsse zu qualifizieren sind Beschlüsse, die die Rechtsstellung der Parteien berühren (RIS‑Justiz RS0120910 [T12]), etwa die Bestellung eines Besuchsmittlers, weil dieser nicht ausschließlich im Rahmen der Stoffsammlung für das Pflegschaftsgericht befasst ist und daher auch nicht ‑ so wie ein gerichtlicher Sachverständiger ‑ als Beweismittel zu qualifizieren ist (8 Ob 61/14z, EF‑Z 2014/170, 281 [ Beck ] = iFamZ 2014/174, 244 [ Seeber-Grimm ]).

Eine solche Konstellation ist hier jedoch nicht zu beurteilen, liegt doch der Auftrag an den Sachverständigen allein im Rahmen der Stoffsammlung. Aus dem Sachverständigenbestellungsbeschluss und der Festlegung des Umfangs der Stoffsammlung ergeben sich für die Parteien noch keine unmittelbaren Auswirkungen. Erst die Gutachtenserstattung und ihre rechtliche Verwertung durch das Gericht in der Sachentscheidung führen zu einem anfechtbaren Ergebnis (vgl RIS‑Justiz RS0006327).

3. Der Revisionsrekurs ist daher unzulässig.

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