European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00058.15K.0929.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 922,07 EUR (darin 153,68 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger ist seit 1973 Eigentümer von 30/3104 Anteilen einer Liegenschaft, mit der das Wohnungseigentum an einer Wohnung in einem von sechs darauf errichteten Häusern verbunden ist. Diese sechs Wohnhäuser wurden im Jahr 1972 auf dieser Liegenschaft (im Folgenden: Wohnhausanlage) fertiggestellt. Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer einer an diese Wohnhausanlage angrenzenden Liegenschaft, auf der ein Wohn- und Geschäftshaus steht. Der Erstbeklagte und seine verstorbene erste Ehefrau hatten diese im Jahr 1972 erworben; im Jahr 2012 übertrug der Erstbeklagte, der nach dem Tod seiner Frau Alleineigentümer gewesen war, seiner nunmehrigen Ehefrau, der Zweitbeklagten, einen ideellen Hälfteanteil.
Von der öffentlichen Straße abzweigend, entlang der Grenze zur Liegenschaft der Beklagten, führt ein ‑ zur Liegenschaft der Wohnhausanlage gehörender ‑ Zufahrtsweg, der nicht dem öffentlichen Verkehr dient, zu den sechs Wohnhäusern. Zur Einfahrt zum Haus der Beklagten gelangt man daher über diesen privaten Zufahrtsweg, bevor dieser weiter zu den sechs Wohnhäusern führt. Eine schriftliche Vereinbarung über ein Geh- oder Fahrrecht über den Zufahrtsweg zu Gunsten der Liegenschaft der Beklagten existiert nicht.
Beim Haus der Beklagten wurden seit seiner Errichtung aufgrund einer Baubewilligung aus dem Jahr 1957 mehrere Zu- und Anbauten durchgeführt. Im Baubewilligungsbescheid für den ersten Zubau im Jahr 1969, der bis zur Grundgrenze der Liegenschaft der späteren Wohnhausanlage reichte, wurde festgehalten, dass bei Errichtung einer Zufahrt vom privaten Zufahrtsweg das Einvernehmen mit dem Eigentümer herzustellen sei. Ob damals ein solches Einvernehmen mit der damaligen Eigentümerin der Liegenschaft hergestellt wurde, kann nicht mehr festgestellt werden, jedenfalls erfolgte nach Errichtung des Zubaus im Jahr 1969 die Zufahrt zum Hauseingang der Beklagten nur mehr über diesen privaten Zufahrtsweg. Auch zu den dortigen Garagen wurde über den Zufahrtsweg gefahren. Als der Erstbeklagte das Haus im Jahr 1972 erwarb, machte er sich keine Gedanken über die Zufahrt, die ganz offensichtlich über den privaten Zufahrtsweg erfolgte. Sämtliche Lieferungen für das Geschäftslokal im Haus und auch die Postzustellung wurden über diesen Zufahrtsweg getätigt.
In einem vom Erstbeklagten und seiner damaligen Ehefrau erwirkten Bescheid des Amts der S***** Landesregierung aus dem Jahr 1980 wird darauf verwiesen, dass laut Äußerung des Sachverständigen zum Verhandlungszeitpunkt nicht habe geklärt werden können, ob die Bewilligungswerber ein Servitutsrecht hinsichtlich des Zufahrtswegs hätten. (Das Bauverfahren betraf ‑ neben einem bewilligten Zubau ‑ auch die Errichtung einer für das Haus der Beklagten beantragten zusätzlichen Zufahrt an der Westseite des Hauses, die von der Baubehörde jedoch nicht bewilligt wurde, wogegen der Erstbeklagte und seine Frau damals erfolglos Rechtsmittel erhoben.) Im Jahr 1983 wurden auf dem Grundstück der Beklagten zwei weitere Garagen errichtet, wobei auch die Baufahrzeuge sowie in der Folge sämtliche Gäste, Lieferanten, Rauchfangkehrer etc ausschließlich über den Zufahrtsweg zu- und abfuhren. Zwischen 1988 und 1990 wurde der Zufahrtsweg verbreitert; der Erstbeklagte ließ aus diesem Anlass seine Einfahrt sowie den Hof asphaltieren und ein Schiebetor an der Grundstücksgrenze errichten. Der Erstbeklagte wohnt seit 1991 selbst im Haus, das zuvor durchgehend von Mietern bewohnt war; er fuhr aber bereits zuvor bei Besuchen immer über den Zufahrtsweg zu seinem Haus zu. Seit der Fertigstellung des Zubaus zum Haus der Beklagten im Jahr 1969 gelangten Mieter durchgehend über den Zufahrtsweg zu diesem Haus und den schon vor dem Erwerb des Hauses durch den Erstbeklagten vorhandenen Garagen.
Im Jahr 1998 wurde am Beginn des Zufahrtswegs eine Schrankenanlage errichtet, die sich nur durch einen Schlüssel oder eine Fernbedienung öffnen lässt; nach der Schrankenanlage sind Kfz-Abstellplätze vorhanden. Bei Errichtung dieser Schrankenanlage wurden dem Erstbeklagten mehrere Schlüssel bzw Handsender übergeben; noch im Jahr 2013 hat der Erstbeklagte problemlos für eine neue Mieterin einen Funksender für die Schrankenanlage erhalten. Zwischen der Schrankenanlage und dem Haus der Beklagten ist ein schmaler Bereich nicht abgesperrt, sodass man neben dem Schranken zu Fuß in den Zufahrtsweg gehen kann. Unmittelbar nach der Einfahrt auf das Grundstück der Beklagten wurde neben dem Zufahrtsweg ein Fahrverbotsschild mit der Zusatztafel „ Ausgenommen Bewohner der Häuser [...] 1-6 “ aufgestellt.
Der Kläger begehrte die Verpflichtung der Beklagten zur Unterlassung der Benützung der Liegenschaft der Wohnhausanlage als Zufahrt zu ihrem Haus. Die Beklagten hätten sich die Zufahrt widerrechtlich angeeignet. Erst bei einer Bauverhandlung im April 2013 habe sich herausgestellt, dass für die Liegenschaft der Beklagten eine gesicherte Zufahrt derzeit nicht vorhanden sei; der Kläger sei zur Anerkennung eines Zufahrtrechts nicht bereit. Seit der Erstbeklagte ein weiteres Grundstück erworben habe, bestehe auch kein Bedarf mehr, weil auch die Errichtung einer Zufahrt über das neue Grundstück möglich sei. Die Eigentümergemeinschaft sei eine begünstigte Person im Sinn des § 1472 ABGB, für die eine besondere Ersitzungszeit gelte.
Die Beklagten wendeten zusammengefasst ein, sie seien wegen ungestörten Ablaufs der Ersitzungszeit und Gutgläubigkeit während deren Dauer zur Benützung des Zufahrtswegs zu ihrer Liegenschaft berechtigt. Auch eine Zufahrt zu den Garagen über diese Straße sei seit mehr als 30 Jahren ungehindert möglich gewesen. Bei Kauf der Liegenschaft sei die Zufahrt bekannt und offensichtlich gewesen, nach Errichtung der Schrankenanlage hätten die Beklagten immer problemlos Schlüssel bzw Funksender erhalten. Auch in den Bauverfahren 1979 und 1983 habe es keine Zweifel an der Berechtigung gegeben, das Geh- oder Fahrrecht sei auch bei der Bauverhandlung 2013 niemals thematisiert worden. Eine andere Zufahrt könne nur mit erheblichem Kostenaufwand und massiven Baumaßnahmen errichtet werden, weshalb auch die Nützlichkeit der bestehenden Zufahrtsmöglichkeit nach wie vor bestehe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bereits vor dem Erwerb der Liegenschaft durch den Erstbeklagten und seine Frau sei seit dem Jahr 1969 zum Haus und zu den Garagen ausschließlich über den Zufahrtsweg zugefahren und zugegangen worden. Die Unrechtmäßigkeit der Benützung sei dem Erstbeklagten gegenüber, der erst 1972 Eigentümer geworden sei, nie behauptet worden und er habe bei Errichtung der Schrankenanlage von den dazu Berechtigten wie selbstverständlich Schlüssel erhalten, weshalb er insgesamt 41 Jahre im guten Glauben davon ausgegangen sei, dass die Zufahrt über den privaten Zufahrtsweg berechtigt erfolge. Die Nützlichkeit der Dienstbarkeit sei auch weiterhin gegeben, weil eine Zufahrt über eigenen Grund nur mit erheblichen Baumaßnahmen und gleichzeitigem Zerstören vorhandener Gartenflächen möglich sei.
Der dagegen erhobenen Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht nicht Folge. Der ab dem Jahr 1969 erfolgten Nutzung des Zufahrtswegs für die Zufahrt zur Liegenschaft der Beklagten sei niemals Widerstand entgegen gesetzt worden. Das erst nach der Einfahrt zum Haus der Beklagten befindliche Fahrverbotsschild könne schon aufgrund seines Standorts kein Hindernis sein. Das Ausfolgen von Schlüsseln und Handsendern für die Schrankenanlage könne nur die Bedeutung haben, den Beklagten die Zufahrt zum Haus über den privaten Weg auch weiterhin zu ermöglichen. Die Negativfeststellung zur Herstellung des Einvernehmens im Jahr 1969 sei rechtlich bedeutungslos, weil die Nutzung immer und ausschließlich so erfolgt sei, als wäre ein solches Einvernehmen vorhanden gewesen. Aus den zitierten Äußerungen in einem von den Beklagten angestrengten Baubewilligungsverfahren sei in Verbindung mit dem Umstand, dass den Beklagten die Benützung des Zufahrtswegs auch aus Anlass des Bauverfahrens und nach diesem nicht untersagt worden, sondern weiterhin ungehindert möglich gewesen sei, nicht auf eine fehlende Berechtigung zur Nutzung des Weges zu schließen. Aus den Urkunden zu den Baubewilligungsverfahren ergebe sich kein stichhaltiger Beweis für eine Schlechtgläubigkeit der Beklagten.
Nachträglich erklärte das Berufungsgericht die Revision für zulässig, weil aus dem Inhalt der drei Urkunden über die Baubewilligungsverfahren aus den Jahren 1969, 1979 und 1980 auch abgeleitet werden könne, dass die Beklagten oder deren Rechtsvorgänger Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Benützung des Zufahrtswegs hätten haben müssen. Sei der Beginn der Ersitzungszeit aber erst im Jahr 1983 (Zustellung des Baubewilligungsbescheids) anzusetzen, so stelle sich die Frage, ob eine 40-jährige Ersitzungszeit zum Tragen komme, zumal auch eine GmbH Eigentümerin von vier Wohnungen in der Wohnhausanlage sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben. Hilfsweise wird die Aufhebung und Zurückverweisung beantragt.
Die Beklagten beantragen, die Revision des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise, ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (RIS-Justiz RS0043685) mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Die Beklagten und ihre Rechtsvorgänger haben die in Rede stehende Zufahrt seit dem Jahr 1969 unbehindert und uneingeschränkt genutzt.
Da die Redlichkeit des Besitzes gemäß § 328 ABGB vermutet wird (RIS-Justiz RS0010185), muss der Ersitzungsgegner die Unredlichkeit beweisen (RIS-Justiz RS0010185 [T6]). Die Beurteilung der Redlichkeit hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0010184 [T13], RS0010185 [T7]).
Die vom Berufungsgericht im Berufungsurteil vertretene Rechtsauffassung, dem Kläger sei dieser Beweis hier nicht gelungen, ist keineswegs unvertretbar.
2. In einem Bauverfahren in den Jahren 1979 bis 1983, in dem der Erstbeklagte und seine damalige Frau im Zusammenhang mit einem bewilligten Zubau auch eine Zufahrtsmöglichkeit zum Haus auf eigenem Grund errichten wollten, argumentierten die beiden (zusammengefasst), dass sie bisher nur über eine Zufahrt über den privaten Weg verfügten. Daraus lässt sich jedoch ‑ wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat ‑ nicht ableiten, dass sie selbst davon ausgingen, diesen Weg ohne Berechtigung in Anspruch nehmen, zumal sie ‑ ebenso wie bereits ihr Rechtsvorgänger ‑ das Wegerecht bereits seit dem Jahr 1969 unbeanstandet ausübten. Auch nach diesem Bauverfahren war die Nutzung des Zufahrtswegs durch Mieter im Haus der Beklagten sowie den Erstbeklagten unverändert und ungehindert möglich, sodass kein Anhaltspunkt für Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Benützung gegeben war.
3. Dass die Ersitzungsfrist hier 40 Jahre beträgt, ergibt sich daraus, dass einer der Miteigentümer der belasteten Liegenschaft eine GmbH ist (§ 1473 ABGB iVm § 1472 ABGB). Die verlängerte Ersitzungsfrist war aber bei Einbringung der Unterlassungsklage im Dezember 2013 aufgrund der unveränderten Nutzung des Zufahrtswegs durch die Beklagten und ihre Rechtsvorgänger seit dem Jahr 1969 bereits verstrichen.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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