OGH 9ObA112/15h

OGH9ObA112/15h24.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft H*****, vertreten durch Leissner Kovaricek Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei J***** R*****, vertreten durch Mag. Michael Lang, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung eines Hausbesorgerdienstverhältnisses, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Juni 2015, GZ 10 Ra 32/15x‑12, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil das Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 13. Februar 2015, GZ 26 Cga 138/14z‑8, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00112.15H.0924.000

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 336,82 EUR (darin 56,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Mit ihrer am 3. 11. 2014 eingebrachten Klage kündigte die Klägerin das zum Beklagten seit 1. 6. 1995 bestehende Hausbesorgerdienstverhältnis mit Dienstwohnung zum 28. 2. 2015 auf und bot ihm die bisherige Dienstwohnung als Ersatzwohnung zu einer Gesamtmiete von 620,79 EUR (inkl Betriebskosten und USt) an.

Der Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass die Ersatzwohnung für ihn nicht erschwinglich sei.

Nach dem festgestellten Sachverhalt war der Kläger seit 1. 3. 2011 bis 2. 1. 2015 als Kranfahrer beschäftigt und verdiente dort zuletzt 1.758,50 EUR netto. Seine Ehefrau verdient 622,57 EUR netto (wobei sich aus der Gehaltsabrechnung November 2014, Beilage ./2, ergibt, dass es sich dabei nicht um ihr monatliches Nettoeinkommen, sondern um einen Entgeltanspruch für 14 Tage handelt; s auch die Aussage des Klägers zum Verdienst seiner Frau ON 7 S 2: 1.700 EUR brutto). Der Beklagte ist gemeinsam mit seiner Frau Eigentümer einer Liegenschaft samt Einfamilienhaus in B*****. Der Kauf des Hauses ist kreditfinanziert, wobei noch ein Betrag von 100.000 EUR offen ist.

Auf Basis dieses Sachverhalts folgten die Vorinstanzen dem Klagsstandpunkt und erachteten die gerichtliche Aufkündigung als rechtswirksam, weil die dem Kläger angebotene Ersatzwohnung unter Berücksichtigung der Abfertigungszahlungen, des Einkommens seiner Ehefrau, des von ihm zu beziehenden Arbeitslosengeldes und des Umstandes, dass keine Übersiedlungs- und Einrichtungskosten anfallen, für ihn erschwinglich sei. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die Entscheidung 9 ObA 13/03g, die für die Frage der Erschwinglichkeit der Ersatzwohnung auf den Zeitpunkt der Aufkündigung abstelle, vereinzelt geblieben sei und noch nicht von einer gesicherten Rechtsprechung gesprochen werden könne.

In seiner dagegen erhobenen Revision beantragt der Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Unwirksamerklärung der gerichtlichen Aufkündigung; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsaus-spruch ‑  unzulässig , weil die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage hier nicht entscheidungsrelevant ist.

1. Nach § 18 Abs 7 HbG ist die Kündigung eines Dienstverhältnisses mit einem Hausbesorger auch dann zulässig, wenn diesem gleichzeitig vom Hauseigentümer eine andere entsprechende Wohnung zur Verfügung gestellt wird, die den gesundheits-, bau- und feuerpolizeilichen Vorschriften entspricht und zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Hausbesorgers und der mit ihm im gemeinsamen Haushalt wohnenden Personen ausreicht.

Die Judikatur hat erkannt, dass die Regelung des § 18 Abs 7 HbG insoweit unvollständig ist, als der damit verfolgte Schutzzweck durch das Anbot einer zwar „entsprechenden“, für den Hausbesorger jedoch unerschwinglichen Ersatzwohnung vereitelt werden könnte. Da das Erfordernis, dem gekündigten Hausbesorger eine entsprechende Ersatzwohnung „zur Verfügung zu stellen“, vor allem dessen Schutz vor Obdachlosigkeit Rechnung tragen soll (s 9 ObA 13/03g mwN; 9 ObA 117/05d ua), muss die Ersatzwohnung für den Hausbesorger, dem ja bisher seine Dienstwohnung als Entgeltbestandteil ohne eigene Zinszahlungspflicht zur Verfügung gestellt wurde, auch erschwinglich sein.

2. Bei der von den Umständen des Einzelfalls abhängigen und daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründenden Beurteilung der Erschwinglichkeit (9 ObA 117/05d) ist regelmäßig auf objektive Kriterien sowie das (voraussichtlich) nach Beendigung des Hausbesorgerdienstverhältnisses erzielbare Einkommen des Dienstnehmers und der mit ihm im gemeinsamen Haushalt wohnenden Personen (§ 18 Abs 7 HbG) abzustellen. Als Überbrückungshilfe für die Zeit bis zum Antritt eines neuen Dienstverhältnisses kann dabei auch die Abfertigung berücksichtigt werden, die dem Hausbesorger aus Anlass der Dienstgeberkündigung anfällt (vgl 9 ObA 13/03g mwN; 9 ObA 117/05d). Eine kurzfristige Einschränkung des bisherigen Lebensstandards steht einer Kündigung nach § 18 Abs 7 HbG nicht entgegen (9 ObA 13/03g). Neben den Kosten der Ersatzwohnung kann auf eine allfällige individuelle Verschuldung des Hausbesorgers etwa durch Konsumkredite und Zusatzversicherungen bei der Prüfung der Erschwinglichkeit der Ersatzwohnung nicht Bedacht genommen werden (9 ObA 117/05d mwN).

3. Bereits in der Entscheidung 9 ObA 13/03g wurde auf nach dem Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung liegende Umstände insofern Bedacht genommen, als auch das vom dortigen Beklagten zu erwartende Arbeitslosengeld in die Beurteilung der Erschwinglichkeit eingeflossen ist. Auch im vorliegenden Verfahren kann dem Beklagten zwar zugestanden werden, dass auf nach der Zustellung der Aufkündigung liegende Umstände ‑ hier auf den Verlust seines zweiten Dienstverhältnisses und den Bezug von Arbeitslosengeld ‑ Bedacht zu nehmen ist. Damit ist für ihn jedoch nichts gewonnen:

Das Erstgericht folgte seiner eigenen Annahme, in den nächsten Monaten nach der Kündigung wieder eine Beschäftigung zu finden. Dies bestreitet der Beklagte in der Revision nicht weiter. Er stellt auch nicht in Frage, dass seine Kreditraten bei der Beurteilung der Erschwinglichkeit der Ersatzwohnung nicht zu berücksichtigen sind. Unter Bedachtnahme auf das von ihm zu beziehende Arbeitslosengeld und seine Abfertigung, die gerade als Überbrückungshilfe gedacht ist (9 ObA 13/03g, 9 ObA 117/05d), sowie unter Berücksichtigung des Einkommens seiner Ehefrau kann danach aber nicht davon ausgegangen werden, dass der von der Klägerin angebotene Mietzins für den Beklagten unerschwinglich wäre. Auf die Frage der (von ihm im erstinstanzlichen Verfahren bestrittenen) Bewohnbarkeit des Einfamilienhauses kommt er im Revisionsverfahren nicht mehr zurück.

4.  Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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