OGH 1Ob154/15a

OGH1Ob154/15a17.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Bauträger GmbH, *****, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. L***** D*****, und 2. G***** I***** G*****, beide vertreten durch die Rechtsanwalt Dr. Manfred Buchmüller GmbH, Altenmarkt im Pongau, wegen 26.571,85 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. April 2015, GZ 6 R 31/15‑26, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 5. Dezember 2014, GZ 6 Cg 55/13m‑22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.694,27 EUR (darin 282,38 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Beklagten kauften von der klagenden Partei mit Kauf‑ und Bauträgervertrag vom 17./27. Oktober 2011 eine Eigentumswohnung samt Pkw‑Abstellplätzen in F*****. Nach dem in den Kauf‑ und Bauträgervertrag aufgenommenen Grundbuchstand war im A‑Blatt das Recht der Schiabfahrt und des Gehens an den Grundstücken 489/1 und 489/2 (die C***** Z***** gehören) ersichtlich gemacht.

Die Anlage war von der klagenden Partei selbst mit dem Slogan „Ihr Wohn(t)raum direkt an der Weltcupstrecke“ und mit Wissen des Geschäftsführers der klagenden Partei von der auch mit der Werbung beauftragten Maklerfirma mit „Ski in ‑ Ski out“ beworben worden. Deren betreuende Mitarbeiterin erhielt alle ihre Informationen vom Geschäftsführer der klagenden Partei, so auch jene, dass der Zugang zur Schipiste durch eine Dienstbarkeit gesichert sei. Sie sicherte daraufhin den Beklagten zu, über das „Z*****‑Grundstück“ ein Gehrecht „bis hin zur Schipiste“ zu haben und bestätigte das Schiabfahrts‑ und Gehrecht unter Nennung der (auch im Vertrag aufscheinenden) Grundstücksnummern über die Grundstücke (der C***** Z*****) vor Vertragsunterfertigung. Dazu übermittelte sie auch ein Foto mit dem Hinweis, dass im Winter der Zaun abgelegt und die Leute oberhalb des Hauses heruntergehen und ‑fahren würden.

Der den Beklagten von der klagenden Partei als Vertragsverfasser vorgegebene Rechtsanwalt äußerte ebenso gegenüber den Beklagten im Zuge der Vertragsunterfertigung sinngemäß, sie müssten nur die Schi schultern, könnten über dieses Grundstück direkt zur Piste gehen und von dort die Abfahrt starten.

Demgegenüber verläuft in natura die Piste ca 10 m von dem (zweiten) Grundstück entfernt, über das der Zutritt zugesichert worden war. Es war nach einem im Jänner 2010 zwischen den Liegenschaftseigentümern R***** und M***** H***** einerseits und der B***** Gesellschaft m.b.H. andererseits geschlossenen Dienst-barkeitsvertrag die Schiabfahrtsfläche in einem Plan so definiert worden, dass ein direkter Zugang zur Piste von den zuvor erwähnten Grundstücken der C***** Z*****, nicht mehr möglich war. Der Weg, von dem die Beklagten bei Kaufabschluss ausgegangen waren, ist bis zur Piste 65 m lang mit einer Höhendifferenz von ca 0,3 m. Die Wegstrecke zur Piste über die Talstation beträgt 667 m; dabei ist eine Höhendifferenz von ca 50 m zu überwinden.

Im September 2013 traf die Gemeinde F***** mit R***** H***** eine jederzeit von beiden Seiten ohne Angabe von Gründen widerrufbare Vereinbarung, wonach „der Gemeinde“ gestattet ist, von bestimmten ihr gehörenden Grundstücken aus über sein Grundstück direkt zur Piste zu gehen. Bei diesem Zugang beträgt der Weg für die Beklagten 131 m; es muss eine Höhendifferenz von ca 11,9 m überwunden werden.

An der Grenze eines der beiden Grundstücke, über die der Zugang den Beklagten zugesichert worden war, zum Grundstück des R***** H***** steht ein Schild mit der Aufschrift „Durchgang verboten. Privatgrund“. Auch der Vertragserrichter teilte den Beklagten in einem Schreiben am 12. September 2012 mit, es sei richtig, dass das Recht der Schiabfahrt aufgrund eines dazwischen liegenden Grundstücks nicht direkt zu der ebenfalls im Eigentum des Servitutsverpflichteten stehenden Schiabfahrt führe.

Die Eigentümer der betroffenen Grundstücke R***** H***** und C***** Z***** hatten schon bei der Bauverhandlung vom 3. Dezember 2008 in Anwesenheit des Geschäftsführers der klagenden Partei erklärt, dass ihre Grundstücke nicht zur Querung der Schipiste durch Bewohner der neuen Objekte benützt werden dürften.

Die klagende Partei begehrt den restlichen nach dem Kauf‑ und Bauträgervertrag noch offenen Kaufpreis und einen Teilbetrag für ausgelegte Vertragserrichtungskosten.

Die Beklagten wendeten mangelnde Fälligkeit wegen Sach‑ und Rechtsmängeln und aufrechnungsweise Schadenersatzansprüche aufgrund von Feuchtigkeitsschäden und des geringeren Wertes der Wohnung wegen des trotz Zusicherung nicht bestehenden direkten Zugangs zur Schipiste ein. Wären sie über diesen Umstand, über den sowohl der Vertragserrichter als auch die klagende Partei hätte aufklären müssen, informiert gewesen, hätten sie die Wohnung nicht bzw nicht zum vereinbarten Kaufpreis gekauft. Sie beriefen sich dazu auch auf das Recht zum Vertragsrücktritt und fochten den Vertrag wegen Irrtums an.

Zur im Revisionsverfahren wesentlichen Frage der Zusicherung eines Zugangs entgegnete die Klägerin, den Beklagten sei niemals zugesichert worden, dass es über diese Grundstücke einen direkten Zugang zur Schipiste gäbe. Nach dem Vertrag sei das Schiabfahrts‑ und Gehrecht so auf die Beklagten übertragen worden, wie es im A‑2‑Blatt im Grundbuch eingetragen sei. Überdies seien mündliche Zusagen im Hinblick auf die im Vertrag vereinbarte Schriftform samt diesem Formerfordernis für das Abgehen davon rechtlich irrelevant.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Zusage der direkten, rechtlich abgesicherten Erreichbarkeit der Schipiste sei nicht erfüllt. Die Beklagten hätten sich zu Recht auf die Einrede der Wandlung gestützt, wodurch der Klage der Rechtsgrund entzogen worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ nachträglich die ordentliche Revision zu. Die Klage sei ‑ ohne dass auf die Einrede der Wandlung und das vertraglich verankerte Schriftformgebot eingegangen werden müsse - schon wegen der berechtigten Irrtumsanfechtung abzuweisen. Der Geschäftsführer der klagenden Partei habe gewusst, dass sich die Grundstückseigentümer gegen eine Querung der künftigen Bewohner ausgesprochen hätten und habe (trotzdem) der zuständigen Mitarbeiterin des Maklerunternehmens die Information erteilt, dass die Dienstbarkeit des Zugangs zur Schipiste gesichert sei. Auch der Slogan „Ski in ‑ Ski out“ sei seinem Wortsinn entsprechend so zu verstehen, dass es einen direkten Zugang zur Schipiste gäbe. Diese Zusicherungen des direkten Zugangs zur Schipiste seien jedoch objektiv unwahr gewesen. Der Standpunkt der klagenden Partei, die Beklagten könnten die Dienstbarkeit möglicherweise selbst im Rechtsweg (etwa zu einer ersessenen Dienstbarkeit) durchsetzen, verkenne, dass der Irrtum der Beklagten aus der objektiv unwahren Zusicherung darüber resultiere, dass ihnen eine (ergänze gemeint: unstrittige und sofort nutzbare) Dienstbarkeit verschafft werde, die einen direkten Zugang der Schipiste ermöglicht. Beim Grundstücks‑ und Wohnungskauf seien die Erklärungen des Maklers wie auch jene des von der klagenden Partei vorgegebenen Vertragsverfassers dieser zuzurechnen. Die Judikatur zum nachträglichen einverständlichen Abgehen von der Schriftformklausel könne hier nicht angewendet werden, weil die Schriftformklausel erst nach der mündlichen Zusage Vertragsinhalt geworden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil darin keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage erörtert wird:

1. Das Berufungsgericht begründete die nachträgliche Zulassung der Revision damit, dass oberstgerichtliche Judikatur dazu fehle, dass das Schriftformgebot einer Irrtumsanfechtung nicht entgegenstehe, wenn bereits vor Abschluss des schriftlichen Kaufvertrags eine mündliche Zusage gemacht worden sei, die keinen Eingang in einen schriftlichen Kaufvertrag gefunden habe.

2. Entgegen dieser Ansicht stellte der Oberste Gerichtshof aber bereits in seiner Entscheidung vom 7. Juli 1970, 8 Ob 158/70 = SZ 43/123, klar, dass das Recht zur Anfechtung eines Vertrags wegen Irrtums, auch wegen von einem schriftlichen Vertrag mit Schriftformvorbehalt für Abänderungen abweichender mündlicher Zusagen, vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann und erläuterte, dass dies kein Recht aus dem Vertrag ist, sondern sich aus einem Mangel beim Abschluss des Vertrags ableitet.

Wenn das Berufungsgericht auf Basis der Feststellungen des Erstgerichts davon ausging, dass die klagende Partei durch die ihr zurechenbaren mündlichen Zusicherungen über den Umfang des Rechts der Schiabfahrt und des Gehens einen beachtlichen Geschäftsirrtum bei den Beklagten zu verantworten hat, ist ihm dabei jedenfalls keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Beklagten, die in ihrer Revisionsbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben, gebührt gemäß § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO der Ersatz der Kosten ihres Schriftsatzes.

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