OGH 6Ob1/15p

OGH6Ob1/15p31.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragsteller 1. Mag. A*****, 2. A*****, beide vertreten durch Dr. Stephan R. Eberhardt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin K***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Antrags gemäß § 19 Abs 2 PSG, über die außerordentliche Revision der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. November 2014, GZ 28 R 347/14a‑16, womit über Rekurs der Antragsgegnerin der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 11. September 2014, GZ 28 Fr 1086/14m‑8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00001.15P.0831.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über den Rekurs zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die Antragsteller wurden im Oktober 2012 zu Mitgliedern des Vorstands der Antragsgegnerin bestellt und am 16. 12. 2013 vom Hauptstifter abberufen. Die Abberufungserklärung ging ihnen am 20. 12. 2013 zu.

Die Privatstiftung war schon längere Zeit beinahe zahlungsunfähig. Die Antragsteller versuchten gemeinsam mit dem dritten Vorstandsmitglied, der auch ein Stifter der Antragsgegnerin ist, den Hauptvermögenswert der Stiftung, die Kartause in G*****, zu verwerten. Sie führten daher mit der Mieterin von Teilen der Kartause Verkaufsgespräche.

In einer Sitzung am 5. 6. 2013, an der die drei Vorstandsmitglieder, der Hauptstifter, die weitere Stifterin und andere Personen teilnahmen, wurde nach einem Lagebericht und Erörterung der weiteren Vorgehensweise auch „der beigelegten Vergütung für den Vorstand“ stimmeneinhellig zugestimmt.

Am 12. 6. 2013 beschlossen die drei Vorstandsmitglieder „im Sinn der protokollierten Vorstands- und Stiftersitzung am 5. Juni 2013“, dass jedem Vorstandsmitglied „bei erfolgreicher Sanierung durch Veräußerung oder Langzeitvermietung von Kartause Trakten“ eine Vergütung in Höhe von 1 % des „Veräußerungswertes oder Nettobarwertes der Mietvereinbarung“ gebührt.

Die Antragsteller erbrachten zwischen Oktober und 20. 12. 2013 für die Antragsgegnerin (im einzelnen angeführte) Arbeiten. Zwischen 10. und 14. 12. 2013 fanden zahlreiche Besprechungen und ein intensiver Mail-Verkehr zwischen den Vorstandsmitgliedern und dem Kaufinteressenten, einer Privatstiftung, statt. Deren Vorstand erklärte mit Mail die Annahme des Anbots um 2,9 Mio EUR. Der verbücherungsfähige Kaufvertrag wurde am 19. 3. 2014 unterzeichnet.

Mit der beim Erstgericht eingebrachten Eingabe vom 16. 4. 2014 begehrten die Antragsteller vom Gericht die „Zustimmung zu dem vereinbarten Erfolgshonorar entsprechend dem angesprochenen Vorstandsbeschluss [Anmerkung des Senats: vom 12. 6. 2013] bzw Beschluss der Stiftersitzung vom 5. 6. 2013“, weil „außer der in der Stiftungsurkunde verankerten Vorstandsvergütung von 3.000 EUR pro Jahr und Vorstandsmitglied“ keine anderen Honorare verrechnet würden.

Die Antragsgegnerin äußerte sich dahin, dass die jährliche Vergütung von 3.000 EUR zwischen Stifter und Vorstandsmitgliedern vereinbart worden sei. Eine zusätzliche Vergütung stehe den Antragstellern nicht zu, weil sie schon im Dezember 2013 ausgeschieden seien und die Hauptarbeit für den Verkauf der Kartause von Jänner bis Mai 2014 angefallen sei. Beide seien daher nicht verdienstlich geworden.

Mit Beschluss vom 11. 9. 2014 setzte das Erstgericht das Honorar für die erfolgreiche Veräußerung der Kartause für die Antragsteller mit je 34.800 EUR fest und verpflichtete die Antragsgegnerin, den Antragstellern je 34.800 EUR binnen 14 Tagen zu zahlen. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich führte es aus, auch wenn ein förmlicher Antrag nicht vorliege, sei das Schreiben vom 14. 4. 2014 als Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Höhe der Vergütung des Stiftungsvorstands (§ 19 Abs 2 PSG) zu werten. In der Stiftungsurkunde finde sich keine Bestimmung, wonach die jährliche Vergütung für ein Vorstandsmitglied 3.000 EUR betrage. Unter Berücksichtigung der aufgewendeten Arbeitszeit und der erfolgten weitgehenden Sanierung der Privatstiftung erschienen die begehrten Beträge, die offenbar von den Stiftern in der Sitzung vom 5. 6. 2014 gutgeheißen worden seien, angemessen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass es den „Antrag auf Genehmigung der Beschlüsse vom 5. 6. 2013 und 12. 6. 2013 des Vorstands“ der Antragsgegnerin zurückwies. Die Antragsteller hätten vorgebracht, in der Stiftungserklärung sei geregelt, dass jedem Mitglied des Stiftungsvorstands eine Vergütung von 3.000 EUR jährlich zustehe. Dabei könne es sich wohl nur um die Stiftungszusatzurkunde handeln, enthalte doch die Stiftungsurkunde keine Regelung der Vergütung der Vorstandsmitglieder. Dass diese Urkunde nicht vorliege, schade nicht, weil die Regelung zwischen den Antragstellern und der Stiftung nicht strittig sei. In Übereinstimmung damit hätten die Antragsteller zu keiner Zeit beantragt, das Gericht möge iSd § 19 Abs 2 PSG die Höhe ihrer Vergütung als Vorstandmitglieder bestimmen, oder einen Leistungsbefehl zu Lasten der Antragsgegnerin zu schaffen. Auch ohne Anführung der Rechtsgrundlage sei dem Vorbringen der Antragsteller zu entnehmen, dass sie ihren Antrag auf § 17 Abs 5 PSG stützten. Im Genehmigungverfahren nach dieser Gesetzesbestimmung sei aber ein Mitglied des Stiftungsvorstands, dessen Rechtsgeschäft genehmigt werden solle, nicht Verfahrenspartei, sondern die Privatstiftung, die von den Antragstellern nicht mehr vertreten werden könne. Der Antrag der Antragsteller sei daher zurückzuweisen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Antragsteller erstatteten die ihnen freigestellte Revisionsrekursbeantwortung nicht.

1. Die Rechtsmittelwerber zeigen im Ergebnis zutreffend auf, dass das Rekursgericht ihren Antrag nicht abweichend vom Erstgericht qualifizieren und wegen fehlender Parteistellung hätte zurückweisen dürfen.

2. Über Anträge nach § 17 Abs 5 und § 19 Abs 2 PSG entscheidet der für den Sitz der Privatstiftung zuständige, zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen berufene Gerichtshof erster Instanz im Verfahren außer Streitsachen (§ 40 PSG).

3. Gemäß § 36 Abs 3 AußStrG ist jeder Beschluss im Rahmen des Gegenstands des Verfahrens zu fassen, wobei auf die Interessenlage und die zivilrechtlich wirksamen rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen der Parteien Bedacht zu nehmen ist. In Verfahren, die - wie hier - nur auf Antrag eingeleitet werden können, ist der Beschluss im Rahmen der Anträge zu fassen (§ 36 Abs 4 erster Satz AußStrG). § 36 Abs 3 und Abs 4 erster Satz AußStrG sind die Parallelbestimmungen zu § 405 ZPO (RIS‑Justiz RS0007501 [T6]). Die Überschreitung des Verfahrensgegenstands bildet nur eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (RIS‑Justiz RS0007501 [T6]), die vom Rechtsmittelgericht nicht von Amts wegen, sondern nur über Rüge im Rechtsmittel wahrgenommen werden darf.

4. Ausgehend von der Beurteilung des Rekursgerichts, das Erstgericht habe unzulässig etwas anderes als begehrt zugesprochen, hätte es einen solchen Verfahrensfehler aber schon mangels Rüge im Rekurs der Antragsgegnerin nicht wahrnehmen dürfen.

5. Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben. Das Rekursgericht wird im fortgesetzten Verfahren über den inhaltlich nicht erledigten Rekurs der Antragsgegnerin zu entscheiden haben.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 1 zweiter Satz AußStrG.

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