OGH 12Os94/15p

OGH12Os94/15p27.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pottmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Avdi A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Irjan R***** und Eduard G***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 2. April 2015, GZ 144 Hv 52/15w-38, sowie über die Beschwerde des Eduard G***** gegen einen zugleich gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingt gewährten Strafnachsicht und Verlängerung einer Probezeit in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00094.15P.0827.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Erledigung der Berufungen und der Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Irjan R***** und Eduard G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden ‑ soweit vorliegend von Relevanz ‑ Irjan R***** und Eduard G***** jeweils des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./) schuldig erkannt.

Danach haben sie am 29. Mai 2014 in W***** im einverständlichen Zusammenwirken mit weiteren im Urteil genannten, teils gesondert verfolgten Personen Luca K***** mit Gewalt gegen seine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Mobiltelefon im Wert von 500 Euro, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem Irjan R***** und Atakan Ka***** den Luca K***** unter einem Vorwand in das Lokal „E*****“ lockten, Ibragim U***** ihn aufforderte, nach draußen zu gehen und ihn gemeinsam mit Irjan R*****, Eduard G***** und Atakan Ka***** vor das Lokal geleitete, Luca K***** fragte, ob er Geld oder ein Mobiltelefon bei sich habe, ihn mit beiden Händen erfasste, gegen die Wand drückte und aufforderte: „Gib mir das Handy, sonst passiert dir noch etwas!“, während Irjan R*****, Eduard G***** und Atakan Ka***** sich im unmittelbaren Nahbereich aufhielten und so zur Verstärkung der Drohkulisse beitrugen.

Rechtliche Beurteilung

Ihre dagegen ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen Irjan R***** auf Z 5, 9 lit a und 10, Eduard G***** auf Z 4, 5 und 9 lit a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO. Sie schlagen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Irjan R*****:

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider betrifft die Frage, wer den Anruf tätigte, mit dem das Tatopfer in das Lokal gelockt wurde, keinen entscheidenden Umstand. Das Vorbringen zu unvollständiger Berücksichtigung diesbezüglicher Verfahrensergebnisse (Z 5 zweiter Fall) kann daher auf sich beruhen.

Der Einwand, das Schöffengericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Zeuge Luca K***** in der Hauptverhandlung auch entlastende Angaben gemacht habe, trifft angesichts der genau solches enthaltenden Urteilserwägungen (vgl US 19) nicht zu. Entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war der Schöffensenat aber nicht verpflichtet, sich mit sämtlichen Details der Depositionen dieses Zeugen zu befassen.

Weshalb die als übergangen kritisierte Bekundung des Atanas Y*****, wonach der Angeklagte „weiter weg gestanden“ sei, der Annahme von Mittäterschaft entgegen stehen soll, macht die Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) nicht deutlich.

Soweit der Beschwerdeführer die Aussage des Luca K***** in der Hauptverhandlung unter Hinweis auf das Beisein der Mutter dieses Zeugen bei der Vernehmung mit eigenständigen Beweiswerterwägungen verknüpft und daraus für ihn günstigere Schlussfolgerungen ableitet, bekämpft er die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht mit ihrer Kritik an angeblich fehlenden Feststellungen zum Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz prozessordnungswidrig an den genau dazu getroffenen Konstatierungen (vgl US 11, 21) vorbei.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt die Annahme der Privilegierung nach § 142 Abs 2 StGB an. Sie macht aber mit unsubstantiierten Spekulationen hinsichtlich eine ‑ im Übrigen in der behaupteten Höhe gar nicht konstatierten (vgl US 10) ‑ „Lösegeldforderung“ von 20 Euro für die Rückgabe der Raubbeute nicht deutlich, weshalb bei Abnötigung eines Telefons im Wert von 500 Euro von einer Sache geringen Werts im Sinn der erwähnten Vorschrift auszugehen sein soll. Damit kann aber das weitere Vorbringen zu den sonstigen ‑ kumulativen (RIS-Justiz RS0094279) ‑ Voraus-setzungen des § 142 Abs 2 StGB dahingestellt bleiben.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Eduard G*****:

In der Hauptverhandlung am 2. April 2015 hatte sich der Verteidiger des Angeklagten dem Antrag des Staatsanwalts auf Vernehmung des „Ibragim U***** zum Faktum I./b./, zum Beweis dafür, wie sich die Tat abgespielt hat, wer das Opfer ins Lokal gelockt hat und hinsichtlich des Tatbeitrags der Angeklagten R***** und G*****“, angeschlossen (ON 37 S 24). Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung dieses offenkundigen Erkundungsbeweisbegehrens (vgl RIS-Justiz RS0118123) Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht geschmälert. Die im Rechtsmittel nachgetragene ‑ im Übrigen nicht weniger auf unzulässige Erkundigung abzielende ‑ Beweisargumentation ist schon wegen Verstoßes gegen das aus dem Wesen des beanspruchten Nichtigkeitsgrundes folgenden Neuerungsverbots unbeachtlich (vgl RIS-Justiz RS0099618).

Der von der Mängelrüge behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen der Annahme von Bereicherungsvorsatz und der Konstatierung, wonach Ibragim U***** dem Tatopfer mitteilte, dass er ihm sein Mobiltelefon zurückgeben werde, wenn er ihm Geld bringe (US 10), liegt schon deshalb nicht vor, weil die Annahme von Bereicherungsvorsatz nicht notwendigerweise ein auf immerwährende Zueignung der geraubten Sache gerichtetes Vorhaben des Täters voraussetzt. Vielmehr genügt es, dass er diese im Tatzeitpunkt (nach seinem Tatplan) zumindest zeitweilig in sein Vermögen überführen und dieses somit um den entsprechenden Gegenwert vermehren wollte. Die Zufügung eines Dauerschadens ist demnach kein Deliktsmerkmal des Raubes und braucht daher auch vom Vorsatz des Täters nicht erfasst zu sein (RIS-Justiz RS0093463; vgl auch RIS-Justiz RS0093593, RS0093368; Eder-Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 44). Demgemäß entfällt der Bereicherungsvorsatz nicht schon deshalb, weil der Täter die Sache zwar nicht unbedingt, aber doch für den Fall behalten will, dass das Opfer auf die ihm gestellten Bedingungen nicht eingeht (vgl 9 Os 170/84, EvBl 1985/177, 760; Leukauf/Steininger, Komm § 127 Rz 55; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 127 Rz 148). Die nachfolgende Rückgabe des Telefons gegen eine geringere „Ablösesumme“ hätte vielmehr nur den Charakter einer teilweisen nachträglichen Schadensgutmachung (vgl erneut 9 Os 170/84).

Soweit die Mängelrüge (nominell aus Z 5 erster und dritter Fall, der Sache nach nur vierter Fall) die Konstatierungen zum Vorliegen einer ‑ auch dem Angeklagten zurechenbaren ‑ „gemeinschaftlichen Tatplanung“ allein mit Argumenten betreffend das festgestellte Telefonat mit dem Raubopfer kritisiert, berücksichtigt sie prozessordnungswidrig nicht die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl RIS-Justiz RS0119370). Denn das Gericht leitete seine Überzeugung von einem gemeinsam gefassten Raubentschluss nicht nur aus dem erwähnten Anruf, sondern vor allem daraus ab, dass sämtliche Mittäter Ibragim U***** und dem späteren Tatopfer folgten, als diese das Lokal verließen, und auch beim nachfolgenden Raub anwesend waren (US 18).

Der Einwand (Z 5 vierter Fall), das Schöffengericht habe die subjektive Tatseite des Angeklagten bloß mit seiner Vorstrafenbelastung begründet, geht daran vorbei, dass die Tatrichter vor allem die gemeinschaftliche Planung des Raubes in den Blick nahmen (US 21). Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen zur erforderlichen Berücksichtigung des vollständigen Urteilssubstrats entsprechend.

Von der weiteren Rüge (Z 5 zweiter Fall) aufgezeigte Verfahrensergebnisse, wonach der Angeklagte nach der Tathandlung Luca K***** nach Hause begleitete, wo dieser das „Lösegeld“ für das Mobiltelefon holen sollte, stellen ‑ wie eingangs der Erledigung der Mängelrüge aufgezeigt ‑ der Annahme des Bereicherungsvorsatzes nicht entgegen und bedurften somit keiner Erörterung in den gedrängt abzufassenden Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).

Die gesetzmäßige Ausführung eines

materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das

Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). An diesen Anfechtungsvoraussetzungen scheitert die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die die Konstatierungen zum Bereicherungsvorsatz mit der neuerlichen Behauptung eines ‑ aufgrund der „Lösegeldforderung“ für die Rückgabe des Mobiltelefons bedingten ‑ Rückgabewillens des Angeklagten in Abrede stellt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur jedoch entgegen der dazu erstellten Gegenäußerungen der Nichtigkeitswerber bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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