European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00135.15G.0827.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 908,64 EUR (darin 151,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob dem Beklagten ein schadenersatzbegründender Beratungsfehler vorzuwerfen ist, weil er den Kläger als dessen Rechtsvertreter nach einem Verkehrsunfall mit schwersten Gesundheitsschädigungen nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass Ersatzansprüche auch insoweit bestehen, als der Verletzte im Haushalt anfallende Tätigkeiten nicht mehr selbst verrichten kann, sodass diese Arbeiten von Dritten durchgeführt werden müssen.
Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen, das der Kläger im Wesentlichen damit begründet hatte, er habe vor dem Unfall gemeinsam mit seiner Gattin den gemeinsamen Haushalt geführt und sei seit dem Verkehrsunfall gezwungen, seine Haushaltsführung durch Drittpersonen bzw durch vermehrte Leistungen seiner Gattin ausführen zu lassen, wobei ein täglicher Mehraufwand von 12 EUR für eine Stunde durch Beiziehung einer dritten Person entstehe.
Nach den Feststellungen des Erstgerichts übergab der Beklagte dem Kläger unter anderem eine Informationsbroschüre, die in Punkt 6. eine beispielhafte Aufzählung von denkbaren Schadenersatzansprüchen Unfallgeschädigter enthielt und in der neben der Position „Verdienstentgang“ auch darauf hingewiesen wurde, dass ein Ersatz auch für Haushaltshilfen in Betracht kommt, wenn zB eine Hausfrau nicht mehr in der Lage ist, die Hausarbeit zu verrichten. Beim ersten Besprechungstermin wurden insgesamt acht verschiedene Schadenersatzpositionen thematisiert, zu denen etwa auch der Verdienstentgang gehörte. Dabei erwähnte der Kläger unter anderem seine berufliche Tätigkeit als LKW‑Fahrer und die regelmäßige Leistung von Überstunden, nicht aber seine Mitarbeit im Haushalt. Der Beklagte fragte danach auch nicht im Speziellen nach. Bei einer weiteren Besprechung wurde auch erörtert, dass die Gattin des Klägers für diesen Pflegeleistungen erbracht habe. Der Beklagte ersuchte den Kläger und seine Gattin, noch darüber nachzudenken, welche Aufwendungen sie darüber hinaus noch gehabt haben, die sie ohne den Unfall nicht gehabt hätten.
Rechtlich hielten die Vorinstanzen die geltend gemachte Schadenersatzforderung mangels eines Vertretungs- bzw Beratungsfehlers des Beklagten für unberechtigt. Das Berufungsgericht verwies darauf, dass die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Rechtsberaters nicht überspannt werden dürften. Sie richteten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Pflicht zur Belehrung ende dort, wo der Rechtsanwalt mit Grund annehmen könne, dass sein Mandant die Rechtslage vollständig erfasst habe. Auch von einem juristischen Laien habe der Beklagte erwarten können, dass er das übergebene Informationsblatt aufmerksam liest und bei allfälligen Unklarheiten nachfragt. Dem Kläger habe auch ohne weitere Belehrung klar sein müssen, dass er auch für sonstige Tätigkeiten, die er nach dem Unfall nicht mehr im bisherigen Ausmaß ausüben kann, einen entsprechenden Ersatz verlangen könne. Für den Beklagten sei insbesondere aufgrund der Informationen über die Berufstätigkeit des Klägers nicht erkennbar gewesen, dass dieser auch im Haushalt für ein Schadenersatzbegehren relevante Tätigkeiten ausgeübt haben könnte. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision letztlich mit der Begründung zu, dass keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob eine Informationsbroschüre eines Rechtsanwalts über die möglichen Ansprüche nach einem Verkehrsunfall für die Aufklärung des Mandanten genüge oder ob er die darin aufgezählten Möglichkeiten einer Anspruchsstellung auch mit einem (rechtlich ungebildeten) Kläger durchbesprechen müsse, selbst wenn er keine Hinweise auf den Eintritt diesbezüglicher Schäden habe.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist entgegen dem Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage erörtert wird.
Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hängt der Umfang der Belehrungspflichten eines Rechtsanwalts stets vom jeweiligen Einzelfall ab (vgl nur RIS‑Justiz RS0026458 [T3, T5, T6, T7]). Eine erhebliche Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren wäre, ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.
Wenn der Revisionswerber argumentiert, ein Anwalt sei gemäß § 9 RAO verpflichtet, aktiv darauf zu drängen, dass die Aufklärung des Sachverhalts durch den Klienten umfassend erfolgt, ist darauf hinzuweisen, dass in der ohne weiteres verständlichen Aufzählung möglicher Schadenersatzansprüche in Punkt 6. der Informations-broschüre deutlich auf die Fälle einer wegen der erlittenen Verletzungen erforderlichen Haushaltshilfe hingewiesen wird. Darüber hinaus hat der Beklagte den Kläger ausdrücklich ersucht, darüber nachzudenken, welche Aufwendungen noch entstanden sind, die ohne den Unfall nicht angefallen wären. Die Auffassung, der Beklagte habe unter diesen Umständen damit rechnen dürfen, der Kläger werde von sich aus auf seine bisherige Mitarbeit im Haushalt hinweisen, kann keineswegs als verfehlt angesehen werden, insbesondere wenn dieser seine Ansprüche ausdrücklich darauf stützt, er müsse seine bisherige Arbeit im Haushalt nun durch Drittpersonen bzw seine Gattin ausführen lassen. Die Revisionsbehauptung, der Kläger sei aufgrund sprachlicher Probleme nicht im Stande gewesen, juristisches Informationsmaterial inhaltlich zu erfassen, ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich. Mit seiner Ausführung, der Rechtsanwalt dürfe sich dann, wenn bei nicht ganz eindeutiger Sachlage mehrere Klagsgründe in Betracht kommen, nicht mit der Geltendmachung bloß eines Klagsgrundes begnügen, übersieht der Revisionswerber, dass sich die zitierte Rechtsprechung auf Rechtsgründe und nicht auf Schäden bezieht.
Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO.
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