European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00084.15I.0826.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zu Last.
Begründung
Mit dem angefochtenen, auch einen verfehlten (unmittelbar aufeinander folgende Zeiträume betreffenden; vgl RIS‑Justiz RS0128941 [T2]) Freispruch zu A./I./ enthaltenden Urteil wurde Besim M***** des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (A./I./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (A./II./), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (A./III./), des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 (richtig:) Abs 4 StGB (B./I./) sowie des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (B./II./) schuldig erkannt.
Danach hat er ‑ soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung ‑
A./ in T*****
„I./ in der Zeit von 27. September 2009 bis 6. Jänner 2010, mithin eine längere Zeit hindurch, gegen Edith S***** fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er sie mindestens einmal, oftmals auch mehrmals wöchentlich durch Versetzen von Ohrfeigen, Reißen an den Haaren, Zudrücken der Kehle, festes Packen und Schütteln an den Armen bzw durch Stoßen sowie dadurch, dass er ihr den heißen Inhalt einer Bratpfanne gegen das Gesicht warf, am Körper verletzte bzw misshandelte, sowie indem er sie durch die sinngemäße Äußerung, er werde ihre Tochter Julia umbringen, gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, sowie indem er sie wiederholt durch die sinngemäße Äußerung, dass sie ihn nicht lebend verlassen werde, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme davon, die Beziehung zu ihm zu beenden, nötigte;
II./ am 27. September 2009 Edith S***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem er ihr ein Küchenmesser vorhielt und äußerte 'Du verlässt mich nicht lebend! Nur als Tote wirst du von mir gehen!', zu einer Unterlassung, und zwar zur Abstandnahme davon, die Beziehung zu ihm zu beenden, genötigt;
III./ in der Nacht von 6. auf 7. Jänner 2010 Edith S***** mit Gewalt sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), indem er sie an den Oberarmen packte, gegen einen Kasten stieß, ihr Schläge gegen das Gesicht versetzte, ihr befahl sich auszuziehen und sich selbst im Genitalbereich zu berühren, sie würgte und an den Haaren riss, ihre Brust verdrehte und seine Füße um ihren Hals legte, wobei er äußerte, dass ein Knacks genüge, damit es mit ihr vorbei sei, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich des Oralverkehrs, genötigt;“
B./...
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die auf Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie verfehlt ihr Ziel.
In der Hauptverhandlung am 6. März 2015 stellte der Beschwerdeführer die Anträge auf Vertagung der Hauptverhandlung, „um dem Angeklagten die Gelegenheit zu geben, die ihm noch nicht bekannten Befunde zu prüfen und auf die Übereinstimmung mit dem Gutachten zu untersuchen“, und auf Ladung und zeugenschaftliche Vernehmung des Arztes des Landesklinikums Neunkirchen, der einen vom Verteidiger vorgelegten Arztbrief verfasst hatte (ON 93 S 28). Durch die Abweisung dieser Anträge (ON 93 S 30 f) wurden ‑ entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) -Verteidigungsrechte nicht verletzt.
Der Antrag auf Vertagung der Hauptverhandlung ließ nämlich nicht erkennen, weshalb eine solche angesichts des geringen Umfangs der einen nicht komplexen Fall (Schleimbeutelentzündung des rechten Ellbogens) betreffenden medizinischen Unterlagen, die in der Hauptverhandlung unter Beteiligung des Verteidigers erörtert wurden (ON 93 S 19 ff), zur Gewährleistung eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens notwendig sei (vgl Danek, WK‑StPO § 273 Rz 7). Einen Antrag auf (kurzfristige) Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Vorbereitung der Befragung des Sachverständigen hat der Verteidiger ‑ dem Beschwerdevorbringen zuwider ‑ nicht gestellt.
Der Antrag auf Vernehmung eines Arztes des Landesklinikums Neunkirchen wiederum enthielt keinen Hinweis darauf, weshalb dieser, der den Angeklagten nach einem Sturz am 16. Jänner 2015 untersuchte, Wahrnehmungen zur erheblichen Tatsache einer (die Tatausführung hindernden) Bewegungseinschränkung des Ellbogens im Tatzeitraum haben sollte.
Entgegen der Beschwerdekritik wurde der Angeklagte (zum Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB; A./I./) nicht wegen des Wurfs einer Bratpfanne gegen das Gesicht der Edith S***** schuldig und „vom gleichen Vorwurf“ freigesprochen (Z 5 dritter Fall). Der (unmittelbar aufeinander folgende Zeiträume betreffende und daher verfehlte Freispruch; siehe oben) bezog sich ersichtlich nicht auf einzelne Handlungen, sondern auf einen Tatzeitraum („Anfang September 2009 bis 26. September 2009“), sodass eine „Denkgesetzwidrigkeit“ nicht vorliegt.
Soweit der Angeklagte die Schuldsprüche A./I./ und III./ als „evident verfehlt“ bezeichnet, weil er zu den Tathandlungen körperlich nicht in der Lage gewesen wäre, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld.
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu A./II./ „mangels greifbarer Ernstlichkeit“ der Äußerung eine „milieubedingte Unmutsäußerung“ postuliert, geht sie nicht ‑ wie dies aber bei Geltendmachung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0099810) ‑ von den gegenteiligen Urteilsfeststellungen aus (US 8 f).
Weshalb man „Gewalt iS des § 107b Abs 2 StGB fortgesetzt nicht mit bloß bedingtem Vorsatz ausüben“ könne, behauptet die, den Wortlaut des § 107b StGB und die generelle Anordnung des § 7 Abs 1 StGB nicht beachtende Rüge bloß, ohne die gewünschte Konsequenz methodisch aus dem Gesetz zu entwickeln (RIS‑Justiz RS0116565).
Nach den Urteilsannahmen war der Angeklagte zu sämtlichen Tatzeitpunkten diskretions‑ und dispositionsfähig (US 8), sodass es auch dem Vorbringen, die Taten seien die Folge davon gewesen, dass er „jeweils zuvor übermäßig dem Alkohol zugesprochen“ habe, an einer Feststellungsbasis mangelt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO) woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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