European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040NC00015.15S.0804.000
Spruch:
Die vom Bezirksgericht Salzburg verfügte Übertragung der Zuständigkeit in der dort zu AZ 2 Pu 5/13p anhängigen Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Josefstadt wird genehmigt.
Begründung
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 29. 4. 2015 übertrug das Bezirksgericht Salzburg die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Josefstadt, weil sich die Minderjährige jetzt ständig in dessen Sprengel aufhalte.
Das Bezirksgericht Josefstadt fasste am 2. 7. 2015 einen Beschluss, wonach es die Übernahme der Zuständigkeit verweigere, weil der Herabsetzungsantrag vom 3. 2. 2015, ON 115, noch nicht erledigt sei. Auch sei der Unterhaltsvorschussantrag vom 25. 3. 2015, ON 121, nur mit einem Teilbeschluss erledigt worden. Das übertragende Gericht habe sich bereits eingehend mit dem offenen Antrag befasst und dazu Vernehmungen durchgeführt.
Nunmehr legte das Bezirksgericht Salzburg die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Genehmigung der Zuständigkeitsübertragung gemäß § 111 Abs 2 JN vor. Eine eingehende Befassung des Bezirksgerichts Salzburg mit dem Antrag des Vaters ON 115 sei bisher nicht erfolgt, Beweisverfahren bisher keines durchgeführt worden. Es sei kein Sachverständigengutachten eingeholt oder Parteien bzw Zeugen vernommen worden; lediglich informelle Vergleichsgespräche hätten stattgefunden.
Rechtliche Beurteilung
Die Übertragung ist zu genehmigen.
1. Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Lehnt das Gericht, an das die Zuständigkeit übergehen soll, die Übernahme ab, was auch ohne formellen Beschluss geschehen kann und wozu es genügt, dass es seine Weigerung dem übertragenden Gericht kundtut, so ist der Übertragungsbeschluss den Parteien zuzustellen und seine Rechtskraft abzuwarten. Danach ist der Akt dem gemeinsam übergeordneten Gericht zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vorzulegen (stRsp, siehe nur 6 Nc 33/14a).
2. Nach ständiger Rechtsprechung sind offene Anträge kein grundsätzliches Übertragungshindernis (RIS‑Justiz RS0047027 [T8]), es sei denn, zu deren Erledigung wäre das bisher zuständige Gericht effizienter geeignet ( Fucik in Fasching/Konecny , ZPO³ [2013] § 111 JN Rz 5; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG [2013] § 111 JN Rz 16; Mayr in Rechberger , ZPO 4 [2014] § 111 JN Rz 4). Ein solcher Ausnahmefall ist aber etwa nicht gegeben, wenn ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ ein Beweisverfahren betreffend den offenen Antrag noch gar nicht stattgefunden hat ( Gitschthaler aaO). Auch der Umstand, dass das übertragende Gericht aufgrund seiner vorangehenden Beschlusstätigkeit mit der (bisherigen) Sachlage vertraut sein mag, ist kein Hinderungsgrund für die Zuständigkeitsübertragung (2 Nc 31/14b).
3. Der Vater stellte am 3. 2. 2015 einen Antrag, wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung seine Unterhaltspflicht für die Minderjährige ab 1. 2. 2015 auf monatlich 50 EUR herabzusetzen; dies nachdem seinem Antrag auf entsprechende Herabsetzung ab 1. 6. 2014 mit (rechtskräftigem) Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 21. 1. 2015 nicht Folge gegeben worden war. Anlässlich seiner mündlichen Antragstellung bei Gericht wurde er auf den weiteren möglichen Verfahrensgang (medizinisches bzw berufskundliches Sachverständigengutachten) hingewiesen. Das Bezirksgericht Salzburg holte in der Folge eine Stellungnahme der (durch die Mutter vertretenen) Minderjährigen ein und unternahm am 25. 3. 2015 den (vergeblichen) Versuch einer einvernehmlichen Unterhaltsregelung. Mit Beschluss vom 29. 4. 2015 gewährte es auf Antrag der Minderjährigen einen Unterhaltsvorschuss von monatlich 50 EUR und behielt die Entscheidung über das Mehrbegehren einer gesonderten Beschlussfassung vor. Weitere Schritte wurden vom übertragenden Gericht nicht gesetzt. Das zur Beurteilung des Unterhalts-herabsetzungsantrags des Vaters erforderliche Beweisverfahren wird daher noch zu führen sein, die Entscheidung über einen weiteren Unterhaltsvorschuss wird davon abhängen.
4. Da somit noch keine eingehende Befassung des übertragenden Gerichts mit dem Antrag des Vaters erfolgte und es im Übrigen bei der Unterhaltsfestsetzung in erster Linie auf rechnerische Aspekte und weniger auf den persönlichen Eindruck von den Parteien ankommt (2 Nc 23/11x), liegt hier kein Ausnahmefall vor, wonach das bisher zuständige Gericht effizienter zur Erledigung der offenen Anträge geeignet wäre.
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