Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wegen Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde Alexandru P***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (richtig:) idF BGBl 1989/242 (A.1.), des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (A.2.), der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 3 StGB (A.3.), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (A.4.), der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 15 StGB (B.1.), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (B.2.) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (B.3.), des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB (C.1.) und des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 vierter Fall StGB (C.2.) schuldig erkannt.
Danach hat er in H***** und anderen Orten
A. seine (mit seiner) am 7. November 1984 geborene(n) Schwester Veronica P***** im Sommer 1997
1. in drei Angriffen teils mit Gewalt, teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Vornahme des Beischlafs genötigt, indem „er sie ins Schlafzimmer rief, die Tür versperrte und teils aufforderte, sich auszuziehen, andernfalls er sie schlagen würde, teils ‑ nach einem Fluchtversuch ‑ in sein Zimmer zurückzerrte, mit einem Holzprügel auf ihre Oberschenkel schlug und äußerte, wenn sie noch einmal versuchen würde, wegzulaufen, würde er sie so lange dreschen, bis sie 'hin' sei, sich sodann mit entblößtem Unterkörper aufs Bett legte, Veronica P***** aufforderte, sich auf ihn zu setzen und als sie der Aufforderung nicht nachkommen wollte, sie teils mit einem Holzprügel schlug, teils äußerte, dass er sie schlage, wenn sie nichts tue, woraufhin sich Veronica P***** mit nacktem Unterkörper direkt auf seinen Penis setzte, wobei Alexandru P***** seinen Penis dabei mit der Hand umfasste und in ihre Scheide einführte“;
2. durch die zu A.1.geschilderten Tathandlungen den Beischlaf mit einer unmündigen Person unternommen;
3. durch die zu A.1.geschilderten Tathandlungen mit seiner Schwester den Beischlaf vollzogen;
4. im Anschluss an die erste zu A.1.genannte Tat durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich durch die ihr gegenüber getätigte Äußerung, wenn sie irgendwas sage, dann bringe er sie um, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von einer Anzeigenerstattung bzw von der Schilderung des Vorfalls gegenüber weiteren Personen, genötigt;
B. seine (Ex‑)Ehefrau Mihaiela P*****
1. vorsätzlich teils am Körper verletzt, teils zu verletzen versucht, und zwar
a./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2006, indem er ihr mit einem Spielzeug‑LKW mehrere Male auf den Kopf bzw die rechte Hand schlug, wodurch sie eine Schnittwunde und eine Sehnenscheidenentzündung am rechten Daumen, eine Schwellung und Hämatome am rechten Arm sowie starke Kopfschmerzen erlitt;
b./ im Juni oder Juli 2006, indem er ihr drei bis vier Teller auf den Kopf schlug, wobei es beim Versuch blieb, da sie lediglich Kopfschmerzen erlitt;
c./ am 1. August 2007, indem er ihr mit der Faust auf die Nase schlug, wodurch sie ein posttraumatisches Ödem der Nase und starke, in die Stirn ausstrahlende Schmerzen erlitt;
d./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2008 oder 2009, indem er ihr mit der Faust unter das linke Schlüsselbein boxte, wodurch sie einen blauen Fleck und eine massive Schwellung erlitt;
e./ am 20. Mai 2012indem er sie „schupfte“, sodass sie mit dem Rücken gegen den Heizkörper stieß, wodurch sie Hämatome am Rücken und am rechten Oberschenkel erlitt;
f./ am 10. September 2010 in Leoben durch das Erfassen und Würgen am Hals (rötliche Verfärbung);
2. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2008 oder 2009 gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr ein Messer an den Hals hielt und äußerte, was sie nun machen würde;
3. von 2004 bis 2011wiederholt mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber äußerte, dass er sie umbringen bzw „behindert“ oder „in Stücke machen“ würde;
C.
1. seinem am 31. August 2002 geborenen Sohn Michael P*****, der seiner Fürsorge und Obhut unterstand und das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, von zumindest September 2005 bis 31. Mai 2009körperliche oder seelische Qualen zugefügt, indem er ihm mehrmals im Jahr sowohl mit der flachen Hand als auch mit einem Hosenledergürtel Schläge gegen den Gesäß- und Rückenbereich versetzte, wobei Michael P***** dadurch blaue Flecken erlitt, ihn gegen die Wand stieß und ihm mit der flachen Hand Schläge in das Gesicht versetzte;
2. gegen seinen am 31. August 2002 geborenen, somit unmündigen Sohn Michael P***** von 1. Juni 2009 bis Februar 2011, somit länger als ein Jahr, fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er die unter Punkt C.1. beschriebenen, mit Strafe bedrohten Handlungen gegen Leib und Leben mehrmals im Jahr weiterhin beging.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 1a, 4 und 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 1a macht der Beschwerdeführer geltend, dass die bei der Hauptverhandlung am 26. und 27. August 2014 einschreitende Rechtsanwaltsanwärterin Mag. Nicole R***** (ON 73 S 1, 3; ON 75 S 1, 3) nicht in die „Verteidigerliste“ (zur Ausscheidung derselben aus dem Rechtsbestand s Fabrizy StPO12 § 48 Rz 5) eingetragen und er somit nicht durch einen Verteidiger vertreten gewesen sei. Dabei übersieht der Beschwerdeführer allerdings, dass selbst eine allfällige Nichtigkeit durch die Neudurchführung der Hauptverhandlung gemäß § 276a StPO am 15. Jänner 2015 obsolet wäre (Danek, WK‑StPO § 276a Rz 11, RIS‑Justiz RS0099033, RS0099030).
Überdies verfügte die Rechtsanwalts-anwärterin ‑ wie sich der Oberste Gerichtshof duch Einsicht in die Auskunft der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 5. Mai 2015 überzeugte (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 34; RIS‑Justiz RS0125767) ‑ über eine entsprechende, zwar in den Protokollen nicht explizit vermerkte, Befugnis (große Legitimationsurkunde vom 1. März 2008). Zur Vertretung bei einer kontradiktorischen Vernehmung im Ermittlungsverfahren (§ 165 Abs 2 zweiter Satz StPO) genügt, sofern kein Fall des § 61 Abs 1 Z 1 oder 2 StPO vorliegt, ‑ entgegen dem Beschwerdevorbringen ‑ im Übrigen auch eine „kleine“ Legitimationsurkunde (vgl Achammer, § 58 Rz 27, 35).
Die Verfahrensrüge (Z 4) scheitert schon am Fehlen entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 302). Dass eine „tiefenpsychologische Untersuchung im Frauenhaus abgelehnt“ oder in diesem Zusammenhang ein Antrag gestellt worden wäre, ist dem Protokoll nicht zu entnehmen. Soweit der Beschwerdeführer meint, die „Beiziehung“ eines Sachverständigen „der Fachrichtung Chirurgie“ wäre erforderlich gewesen, lässt er nicht erkennen, aus welchem Grund er an einer zielgerichteten Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0115823).
Das Vorbringen zur Mängelrüge (Z 5) entspricht nicht dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) und entzieht sich durchgehend einer sinnhaften Erwiderung.
Dass der Aussage der „Nachbarin“ zu dem ‑ von deren Beweisthema grundsätzlich nicht erfassten ‑ Punkt A.4. „in keiner Weise etwas abzugewinnen“ ist, hat das Erstgericht im Rahmen der Begründung (US 15 f) bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Zeugin Veronica P***** erörtert.
Inwieweit eine Strafanzeige gegen Christina B***** (Lebensgefährtin des Angeklagten; vgl US 21 f) „ad § 92 und § 206 StGB“ zum Nachteil der Jennifer und des Michael P***** sowie die diesbezügliche Einstellung des Verfahrens, die (Un-)Möglichkeit von Nasenbluten durch einen Schlag auf den Hinterkopf oder „das Stecken einer Plastikflasche mit Wasser in den Mund“ in irgendeinem Zusammenhang zu den gegenständlichen Schuldsprüchen stehen könnte, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.
Die Auflistung kontextentkleideter Aussage‑ und Erhebungsdetails, die sich zudem großteils auf nicht urteilsgegenständliche Vorfälle („gemeinsame Waschungen des Kindes im Sexualbereich“) bezieht, lässt einen Bezug zu den Anfechtungskategorien der Mängelrüge (Z 5) vermissen. Die gegen die ‑ logisch und empirisch mängelfreien - Erwägungen des Erstgerichts zur Glaubwürdigkeit der Zeuginnen Veronica P***** (US 13 ff) und Mihaiela P***** (US 17 ff) gerichteten Ausführungen verbleiben allesamt im Bereich einer ‑ im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen ‑ Berufung wegen Schuld.
Die undifferenzierte Diversionsrüge (Z 10a) scheitert schon daran, dass diese Form der Verfahrensbeendigung bei Straftaten, die in die Zuständigkeit des Schöffengerichts fallen, ‑ außer im Fall des § 302 Abs 1 StGB ‑ nicht zulässig ist (§ 198 Abs 2 Z 1 StPO). Im Übrigen erschöpft sie sich in der Behauptung, der Nichtigkeitsgrund werde „angezogen“, verfehlt jedoch mangels methodisch korrekter Entwicklung des Einwands auf Basis der Urteilsfeststellungen und unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 198 StPO die gesetzmäßige Ausführung (RIS‑Justiz RS0124801).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 283 Abs 1 StPO) ‑ bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Strafberufung ergibt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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