OGH 12Os168/14v

OGH12Os168/14v9.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Juli 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leisser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Lukas E***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall, 12 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Lukas E*****, Yasiel H***** und Felix H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 11. April 2014, GZ 23 Hv 12/14t‑61, sowie über die Beschwerden der Angeklagten Yasiel H***** und Felix H***** gegen unter einem gefasste Beschlüsse gemäß § 494a Abs 1 StPO und über die Beschwerde des Angeklagten Lukas E***** gegen den ihn betreffenden Beschluss gemäß §§ 50, 51 StGB in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00168.14V.0709.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Angeklagten Lukas E***** werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten Lukas E*****, Yasiel H***** und Felix H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Mitangeklagten Musa K***** sowie rechtskräftige Freisprüche enthält, wurden Lukas E***** des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall StGB, teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (A./2./, A./6./, B./1./, B./2./), Yasiel H***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 15 Abs 1 StGB (A./1./, A./2./) und Felix H***** des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall, 15 Abs 1 StGB, teils als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB (A./2./, A./3./, A./4./, B./2./), schuldig erkannt.

Danach haben

A./ Lukas E*****, Yasiel H*****, Felix H***** gemeinsam mit Musa K***** und dem außer Verfolgung gestellten Daniel G***** in der Nacht vom 6. auf den 7. Jänner 2014 in T***** und O***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) in unterschiedlicher Beteiligung, indem sie die Taten jeweils mit den Mittätern gemeinsam planten und sie basierend auf einem gemeinsamen Tatentschluss arbeitsteilig durchführten, anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen bzw wegzunehmen versucht, wobei Lukas E***** und Felix H***** in der Absicht handelten, sich durch die wiederholte Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1./ Yasiel H***** und Musa K***** gemeinsam mit Daniel G***** durch Einbruch Verfügungsberechtigten des S***** Bargeld und weitere Gegenstände, indem sie die Eingangstür im Obergeschoss des Vereinslokals des S***** mit Körperkraft einzustoßen versuchten, was ihnen jedoch nicht gelang, sodass die Tat beim Versuch geblieben ist;

2./ Lukas E*****, Yasiel H*****, Felix H***** und Musa K***** gemeinsam mit Daniel G***** unbekannten Geschädigten aus einer (unversperrten) Tiefgarage in der O***** in T***** eine Heckenschere sowie einen Rucksack;

3./ Felix H***** und Musa K***** gemeinsam mit Daniel G***** durch Einbruch Gewahrsamsträgern des Vereins Sc***** T***** Bargeld und weitere Gegenstände, indem sie abwechselnd mit einer Heckenschere die Eingangstür des Vereinslokals aufzubrechen versuchten, was ihnen jedoch nicht gelang, sodass die Tat beim Versuch geblieben ist;

4./ Felix H***** und Musa K***** gemeinsam mit Daniel G***** durch Einbruch dem Unternehmen B***** zwei Bauhandschuhe und ein Brecheisen sowie der P***** KEG Bargeldbestände (Münzgeld) in Höhe von etwa 100 Euro, indem sie bei zwei Baucontainern ein Fenster aufbrachen, in die Container einstiegen und in deren Innerem jeweils einen Kaffeeautomaten mit einem dort aufgefundenen Brecheisen aufbrachen und das darin befindliche Münzgeld sowie die in den Containern befindlichen Bauhandschuhe und das Brecheisen wegnahmen;

5./ Musa K***** gemeinsam mit Daniel G***** durch Einbruch Gewahrsamsträgern des Vereins H***** T***** K***** zwei Schnurlostelefone, einen MP3-Player, einen Fotoapparat und eine Sparkasse mit einem Geldinhalt von etwa sechs Euro, indem sie ein Fenster des genannten Vereins mit einem Brecheisen aufbrachen, in das Gebäude einstiegen und in diesem zwei versperrte Türen aufbrachen;

6./ Lukas E***** gemeinsam mit Daniel G***** durch Einbruch Verfügungsberechtigten des F***** etwa 25 Packungen Zigaretten verschiedener Marken, indem sie ein Fenster der Vereinskantine aufbrachen und in das Gebäude einstiegen;

B./1./ Lukas E***** zu der unter A./4./ geschilderten Tat von Felix H***** und Musa K***** beigetragen, indem er den Genannten in unmittelbarer örtlicher Nähe zum Tatgeschehen als Aufpasser diente und die Umgebung beobachtete;

2./ Lukas E***** und Felix H***** zu der unter A./5./ genannten Tat des Musa K***** beigetragen, indem sie dem Genannten in unmittelbarer örtlicher Nähe zum Tatgeschehen als Aufpasser dienten und die Umgebung beobachteten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die von Lukas E***** aus Z 5 und 10 sowie von Yasiel H***** aus Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und die nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Felix H*****, denen keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Lukas E ***** :

Keine entscheidende Tatsache (zum Begriff: Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399 ff) spricht die offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, auch Lukas E***** hätte neben Daniel G***** ein Fenster des Kantinengebäudes des Vereins F***** aufgebrochen (US 13), behauptende Mängelrüge an, weil die Tatrichter davon ausgingen, dass sich der Beschwerdeführer als Mittäter bei bestehendem Einbruchsvorsatz daran beteiligte, die Diebsbeute aus dem Objekt zu verbringen (US 13 f), und es bei der Annahme von Mittäterschaft nicht erforderlich ist, dass jeder Mittäter das Tatbild zur Gänze verwirklicht (RIS‑Justiz RS0090011; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 26).

Dem weiteren Einwand der Mängelrüge (dSn Z 10) zuwider hat das Erstgericht zum einen als erwiesen angenommen, dass es den Angeklagten darauf ankam, sich (vgl auch US 3) oder die Mittäter durch die Zueignung der weggenommenen Sachen unrechtmäßig zu bereichern und es zum anderen ‑ wovon die Rüge ohnedies ausgeht ‑ dem Nichtigkeitswerber und Felix H***** gerade darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen über zumindest mehrere Wochen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 14 iVm US 23 f), die Absicht des Beschwerdeführers also darauf gerichtet war, sich diese (jedenfalls teilweise) für sich selbst zu verschaffen (vgl Jerabek in WK 2 StGB § 70 Rz 14).

Soweit die Mängelrüge ohne konkrete Bezugnahme auf vorliegende Beweisergebnisse eigenständige spekulative Überlegungen dazu anstellt, wonach nicht auszuschließen sei, dass sich Lukas E***** lediglich aus Gruppenzwang oder Langeweile an den Einbrüchen beteiligt hätte, und dessen Interesse am Diebsgut nicht ersichtlich sei, verlässt sie den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten formellen Nichtigkeitsgrundes.

Anlässlich der Begründung der angenommenen gewerbsmäßigen Tendenz durfte sich das Schöffengericht ‑ der Rüge zuwider ‑ auch auf jene rechtskräftige Vorverurteilung vom 4. Februar 2014 wegen gewerbsmäßigem durch Einbruch begangenen Diebstahls stützen, auf die gemäß § 31 Abs 1 StGB Bedacht genommen wurde und die Tathandlungen im Juni 2013 zum Gegenstand hatte (US 23 f).

Da das Erstgericht auf diesen zu AZ 27 Hv 147/13y des Landesgerichts Innsbruck erfolgten Schuldspruch Bedacht nahm, liegt auch der weiters behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zur angenommenen Unbescholtenheit dieses Angeklagten zum Tatzeitpunkt (US 25) nicht vor.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz

RS0099810).

Daran geht die Subsumtionsrüge (Z 10) vorbei, indem sie die angenommene Qualifikation gewerbsmäßiger Tatbegehung nach § 130 vierter Fall StGB schlicht bestreitet.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Yasiel H ***** :

Angesichts des Referats der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), wonach auch der Rechtsmittelwerber zu A./1./ versuchte, die Eingangstür des Vereinslokals des S***** einzustoßen (US 3), vermisst die Mängelrüge (Z 5) im Ergebnis hiezu korrespondierende Feststellungen (dSn Z 9 lit a), zumal in den Entscheidungsgründen lediglich festgehalten sei, dass bloß Daniel G***** versuchte, die Tür einzutreten, und die Aufforderung des Beschwerdeführers, vom Einbruchsversuch abzulassen (vgl US 12), jedenfalls keinen Beitrag iSd § 12 StGB darstelle.

Damit orientiert sie sich jedoch ‑ ebenso wie die derartige Konstatierungen einfordernde Rechtsrüge (Z 9 lit a) - nicht an der Gesamtheit der Urteilsannahmen, wonach, nachdem die Begehung von Einbruchsdiebstählen besprochen worden war, Daniel G***** wiederholt gegen die Tür des Vereinslokals trat, um diese aufzubrechen, damit er selbst sowie auch Yasiel H***** in das Gebäude eindringen können, um nach Bargeld und sonstigen Wertgegenständen zu suchen sowie diese wegzunehmen (US 11 f), und verfehlt solcherart den gerade darin gelegenen gesetzlichen

Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0099810).

Zu A./2./ ortet die Subsumtionsrüge (Z 10) eine unrichtige Unterstellung des Tatgeschehens auch unter die Qualifikationsnorm des § 129 StGB (vgl US 5), zumal sowohl die Tiefgarage als auch der Nebenraum, aus welchem der gebrauchte Rucksack und die Heckenschere entnommen worden seien, unversperrt gewesen seien. Sie legt jedoch nicht dar, weshalb - trotz des Zusammenrechnungsgrundsatzes des § 29 StGB, wonach alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jeder für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung zu einer Einheit zusammenzufassen sind (RIS‑Justiz RS0112520; Ratz in WK² StGB § 29 Rz 5) ‑ die Subsumtion, angesichts von Faktum A./1./, nicht zutreffend unter den Tatbestand des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 15 Abs 1 StGB erfolgt sein sollte.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Felix H***** :

Dieser Angeklagte hat zwar rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet (ON 59 S 50), die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch weder ausgeführt noch zurückgezogen (ON 92). Da auch

bei der Anmeldung keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurden, war seine Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285 Abs 1 letzter Satz, 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1 StPO).

Auch die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden anderen Rechtsmittelwerber waren in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Zweitangeklagten, aus obigen Erwägungen ‑ ebenso wie die zur Anfechtung schöffengerichtlicher Urteile nicht vorgesehene (vgl §§ 280, 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Angeklagten Lukas E***** ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (zum Teil implizit erhobenen) Beschwerden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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