OGH 12Os59/15s

OGH12Os59/15s11.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Viktor S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. April 2013, GZ 125 Hv 8/13g-419, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich und des Verteidigers der Verurteilten Inna S***** Mag. Vural zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00059.15S.0611.000

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. April 2013, GZ 125 Hv 8/13g-419, verletzt im Ausspruch, dass Inna S***** gemäß § 369 Abs 1 StPO verpflichtet ist, dem Privatbeteiligten Yuriy Sa***** binnen 14 Tagen 6.600.000 Euro zu zahlen, §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO und § 270 Abs 2 Z 5 StPO.

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. April 2013, GZ 125 Hv 8/13g-419, wurden ‑ soweit hier von Bedeutung ‑ Viktor S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A./I./) und Inna S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (B./I./ und II./) schuldig erkannt.

Danach haben in W***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen

A./ Viktor S*****

I./ durch die Vortäuschung, ein redlicher Geschäftsmann zu sein und lukrative Geschäfte in Russland und in der Ukraine durchzuführen, somit durch Täuschung über Tatsachen, andere zu Handlungen verleitet, die diese am Vermögen schädigten, und zwar

14./ Yuriy Sa***** in elf zwischen 4. Juni 2009 und 28. Dezember 2009 gesetzten Angriffen zur Übergabe oder Überweisung von 50.000 USD und insgesamt 6.580.300 Euro auf verschiedene Bankkonten (US 4 f, 40 ff, 83 f);

B./ Inna S*****

I./ im Jahr 2009 zu der unter A./I./14./ angeführten strafbaren Handlung dadurch beigetragen, dass sie bestätigte, Viktor S***** sei ein redlicher und erfolgreicher Geschäftsmann und verfüge über hervorragende Beziehungen zu ukrainischen und russischen Entscheidungsträgern und indem sie für ihn Telefonate, Übersetzungen und Termine organisierte sowie ihn „in jeder Hinsicht“ umfassend unterstützte (US 6, 52 ff, 83 f).

Mit dem unter einem ergangenen Adhäsionserkenntnis wurden Viktor S***** und Inna S***** gemäß § 369 Abs 1 StPO zur ungeteilten Hand (unter anderem) verpflichtet, dem Privatbeteiligten Yuriy Sa***** 6.600.000 Euro zu zahlen (US 11). Dieser Zuspruch sei ‑ so die Begründung des Erstgerichts ‑ „durch die Schuldsprüche und die dazu getroffenen Feststellungen gedeckt“ (US 92 dritter Absatz).

Gegen dieses ‑ aufgrund Rechtsmittelverzichts der Angeklagten Inna S***** (ON 418 S 26) insoweit rechtskräftige ‑ Urteil erhob (nur) der Angeklagte Viktor S***** Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (unter anderem) gegen den Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche (ON 469).

Mit Erkenntnis vom 3. Juli 2014, GZ 12 Os 107/13x‑25 (ON 478), verwarf der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerde. Im Rahmen der Berufungsentscheidung verwies er Yuriy Sa***** mit seinen Ansprüchen zur Gänze auf den Zivilrechtsweg, weil die Begründung des Erstgerichts, dass die Zusprüche „durch die Schuldsprüche und die dazu getroffenen Feststellungen gedeckt“ wären, … in Ansehung dieses Privatbeteiligten schon dem Grunde nach nicht zuträfe; dem Urteil sei nicht zu entnehmen, ob dieser oder „seine“ Gesellschaft M***** Ltd geschädigt wurde. Mangels Geltung des beneficii cohaesionis für den Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche lehnte das Höchstgericht (unter Berufung auf SSt 61/92; Spenling, WK‑StPO § 366 Rz 46; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 5) eine solche Begünstigung für Inna S***** ab.

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das bezeichnete Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien im Umfang des gegen Inna S***** ergangenen Adhäsionserkenntnisses, soweit dieses einen Zuspruch an Yuriy Sa***** enthält, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 366 Abs 2 erster Satz StPO iVm § 369 Abs 1 StPO kann ein Zuspruch nur an einen Privatbeteiligten erfolgen, der durch die Straftat in seinen Privatrechten verletzt worden ist und daraus sowie aus dem zugrundeliegenden Sachverhalt einen privatrechtlichen Anspruch ableiten kann (Spenling, WK-StPO Vor §§ 366-379 Rz 25 ff).

Dem in Rede stehenden Privatbeteiligtenzuspruch im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. April 2013, GZ 125 Hv 8/13g-419 mangelt es auch in Ansehung der Inna S***** an einer tragfähigen Feststellungsbasis im Sinn der oben zitierten Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zu 12 Os 107/13x.

Der rechtsfehlerhafte Zuspruch wirkt sich zwar zum Nachteil der Verurteilten Inna S***** aus. Da der Schuldspruch jedoch unverändert bleibt und die Gesetzesverletzung nur das Adhäsionserkenntnis betrifft, steht einer Zuerkennung konkreter Wirkung Art 1 des 1. ZPMRK entgegen, durfte der Privatbeteiligte doch in Ansehung der unangefochten in Rechtskraft erwachsenen und somit auch nicht mehr im Weg einer Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO (analog) anfechtbaren Verurteilung der Inna S***** auf die Rechtskraft des Zuspruchs vertrauen (RIS-Justiz RS0124798 [T4]; Spenling, WK-StPO § 366 Rz 47).

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