OGH 3Ob26/15t

OGH3Ob26/15t20.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Klaus Dengg, Mag. Stefan Geisler, Mag. Markus Gredler, Rechtsanwälte in Zell am Ziller, wider die beklagten Parteien 1. G*****, und 2. S*****, beide vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung und 4.305,21 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Juli 2014, GZ 1 R 138/14x‑37, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 7. Februar 2014, GZ 1 C 564/12d-31, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. April 2014, GZ 1 C 564/12d‑34, als nichtig aufgehoben und die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00026.15T.0520.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Berufung wegen Nichtigkeit verworfen und die Entscheidung des Erstgerichts, womit die Einrede der „Unzuständigkeit“ (gemeint: Unzulässigkeit des Rechtswegs) zurückgewiesen wurde, wiederhergestellt wird.

Dem Berufungsgericht wird die Fortsetzung des Berufungsverfahrens und die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 2.316,86 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin enthalten 136,44 EUR an USt und 1.498,20 EUR an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Unstrittig ist folgender Sachverhalt:

Die beklagten Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft in Tirol. Zugunsten dieser Liegenschaft ist unter anderem das Recht des Bezugs von Holz, Streu sowie Kalkholz, Bau- und Kalksteinen, Sand, Lehm und Schotter in einem Grundstück eines Dritten gemäß dem Servitutenregulierungsplan vom 14. November 2003 einverleibt. Der Rechtsvorgänger des Klägers (in Hinkunft: Verkäufer) war bis zum Jahr 1979 Alleineigentümer dieser Liegenschaft. Im Zuge eines Rechtsstreits schloss er über diese Liegenschaft als Verkäufer einen Kaufvertrag, in dessen Kaufpreis das Holzbezugsrecht nicht berücksichtigt war. Anlässlich eines gerichtlichen Lokalaugenscheins wurde in Anwesenheit des Verhandlungsrichters handschriftlich am 12. Juni 1979 ua Folgendes protokolliert:

„Die mit [der verkauften Liegenschaft] verbundenen Holz- und Bodenprodukt-Streunutzungsrechte verbleiben dem Verkäufer und werden mit einer seiner Liegenschaften realrechtlich verbunden. Falls dies nicht genehmigt werden sollte (von der Agrarbehörde) besteht Einvernehmen, dass die Ausübung des Holz- und Bodenproduktrechtes dem Verkäufer und seinen Nachfolgern im Eigentum [eines bestimmten Hofs] auf Dauer verbleibt.“

Die Agrarbehörde genehmigte eine Absonderung des Holzbezugsrechts nicht.

Der Käufer übergab diese Liegenschaft im Jahr 1983 seiner Schwester, die sie im Jahr 2008 an die Beklagten übertrug.

Das Ausmaß des Holzbezugs der verkauften Liegenschaft beträgt 1 Festmeter Bau-, Nutz- und Zaunholz sowie 20 Raummeter Brennholz inklusive der Bodenbenützung.

Nach dem Tod des Verkäufers wurde dessen Nachlass dem Kläger eingeantwortet.

Der Kläger begehrt einerseits, es möge zwischen ihm und den Beklagten (je als Hälfteeigentümer der seinerzeit von seinem Rechtsvorgänger verkauften Liegenschaften) sowohl für sich als auch für ihre Rechtsnachfolger festgestellt werden, dass die mit dieser Liegenschaft) „verbundenen Holzbezugsrechte im Umfang von 1 Festmeter Bau-, Nutz- und Zaunholz sowie 20 Raummeter Brennholz jährlich an den Kläger herauszugeben“ seien; andererseits verlangt er von den Beklagten die Zahlung von 4.305,21 EUR sA aus dem Titel der Bereicherung.

Er brachte dazu zusammengefasst vor, der Verkäufer sei bis 1979 Alleineigentümer der Liegenschaft gewesen und habe diese an einen Rechtsvorvorgänger der nunmehrigen Beklagten verkauft; im Zuge dieser Vereinbarung sei zwischen den Vertragsparteien festgelegt worden, dass die mit der genannten Liegenschaft verbundenen Holzbezugsrechte (an einem Grundstück eines Dritten) beim Verkäufer verbleiben sollten. Die Absonderung des Holzbezugsrechts von der verkauften Liegenschaft sei zwar von der Agrarbehörde nicht genehmigt worden; im Innenverhältnis zwischen den Parteien des Kaufvertrags sei jedoch die privatrechtliche Verpflichtung zur Ausfolgung des Holzbezugs jeweils für sich und auch für ihre Rechtsnachfolger gewollt gewesen und aufrecht geblieben. In der Folge sei der Holzbezug der verkauften Liegenschaft von deren Eigentümer im Ausmaß laut Urteilsbegehren jährlich (zumindest) bis Ende der 1990er Jahre an den Kläger ausgefolgt worden. Die Beklagten als nunmehrige Eigentümer, denen die streitgegenständliche Verpflichtung zum Zeitpunkt ihres Eigentumserwerbs bekannt gewesen/vom Rechtsvorgänger überbunden worden sei, kämen dem nicht (mehr) nach, sondern hätten aus dem Holzbezugsrecht im Jahr 2010 selbst eine größere Menge Holz bezogen und die Herausgabe (oder eine entgeltliche Ersatzleistung) verweigert. Dem Kläger stehe daher ein bereicherungsrechtlicher Anspruch in Höhe des Wertes dieses Holzbezugs zu, dessen Zahlung er begehre. Die Agrarbehörde habe dem Rechtsgeschäft bezogen auf die Zurückbehaltung des Holzbezugsrechts nicht ausdrücklich die Genehmigung verweigert, sondern festgestellt, dass die Zurückbehaltung des schuldrechtlichen Anspruchs des Rechtsvorgängers des Klägers auf weiteren Bezug der mit der verkauften Liegenschaft verbundenen Holzbezugsrechte keiner Genehmigung bedürfe; es stehe dem Bezugsberechtigten frei, mit dem Holzbezug nach Belieben umzugehen und (hier) an den Kläger abzutreten oder auch ungenützt zu lassen. Wesentlich sei nur die schuldrechtliche Gültigkeit dieses Vertrags.

Die Beklagten bestritten eine Verpflichtung, dem Kläger jährlich Holz auszufolgen und die Ausfolgung bis in die 1990er Jahre. Sie wendeten lastenfreien Erwerb im Vertrauen auf den Grundbuchstand, unterbliebene Überbindung auf Rechtsnachfolger, Verjährung des behaupteten Rechts und Nichtigkeit der behaupteten Vereinbarung mangels agrarbehördlicher Genehmigung sowie als Umgehungsgeschäft ein. Das Holzbezugsrecht sei stets mit der verkauften Liegenschaft realrechtlich verbunden gewesen. Schließlich erhoben sie die Einrede der „Unzuständigkeit“ des Erstgerichts, weil die Beurteilung der Zurückbehaltung des Holzbezugsrechts in die Zuständigkeit der Agrarbehörde falle, und bestritten die Aktivlegitimation des Klägers.

Nach Durchführung eines Beweisverfahrens nahm das Erstgericht in sein Urteil den Beschluss auf, mit dem es die Einrede der „Unzuständigkeit“ zurückwies. In der Sache gab es ‑ aufgrund hier nicht relevanter Feststellungen ‑ dem Feststellungsbegehren sowie dem Zahlungsbegehren mit 3.618 EUR sA (unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 687,21 EUR) statt. Den Einwand der „Unzuständigkeit“ der ordentlichen Gerichte erachtete es für nicht stichhältig, weil die Agrarbehörde selbst ausgesprochen habe, dass die Beurteilung eines eventuellen schuldrechtlichen Anspruchs aufgrund des Vertrags nicht in ihre Zuständigkeit falle. Die schuldrechtliche Vereinbarung, wonach die Nutzung der Holzbezugsrechte beim Verkäufer verbleibe, stelle keine Belastung agrargemeinschaftlicher Grundstücke dar, die der agrarbehördlichen Bewilligung bedürfte. Durch diese ‑ auf den Kläger im Weg der Gesamtrechtsnachfolge übergegangene und den Beklagten zulässig überbundene ‑ Vereinbarung habe dem Verkäufer lediglich die faktische Nutzung des Holzbezugsrechts verbleiben sollen, nachdem zum damaligen Zeitpunkt im Hinblick auf die Rechtslage das Recht selbst nicht habe übertragen werden können. Verjährung sei nicht eingetreten.

Das Berufungsgericht gab der Nichtigkeitsberufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil als nichtig auf und änderte die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs dahin ab, dass es das Verfahren einschließlich der Zustellung der Klage als nichtig aufhob und die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Judikatur zur Frage, ob die Nutzung eines dienenden Grundstücks in der Form, dass dieses die auf ein agrarisches Nutzungsrecht zurückgehenden Nutzungen herauszugeben hätte, auch in die agrarische Zuständigkeit falle, zu.

Der Kläger mache zwar einen im Allgemeinen den Gerichten zugewiesenen privatrechtlichen „Feststellungs- und Herausgabe-/Ersatzanspruch“ geltend, der jedoch wegen der Sonderbestimmung des § 38 Abs 2 Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes (TirWWSG) in die Zuständigkeit der Agrarbehörden falle, wonach diese ua auch außerhalb eines Regulierungs- und Ablösungsverfahrens mit Ausschluss des Rechtswegs über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten zu entscheiden hätten. Die Entscheidung über das Klagebegehren sei einer solchen Entscheidung über Bestand und Umfang der Holzbezugsrechte gleichzusetzen. Daher sei für diese Rechtssache der Rechtsweg unzulässig.

Dagegen richtet sich der (infolge Bewilligung der Wiedereinsetzung rechtzeitige) Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils, in eventu auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Gegenstand des Verfahrens sei weder die Absonderung oder Übertragung/Abtretung von Holznutzungsrechten noch der Bestand oder der Umfang von Nutzungsrechten, sondern die Feststellung eines auf einer zivilrechtlichen Vereinbarung basierenden Anspruchs auf Herausgabe der vereinbarten Menge Holz. Die berechtigte Liegenschaft könne über die aus den Bezugsrechten entspringenden Produkte ohne agrarbehördliche Genehmigung frei verfügen.

Dem treten die Beklagten in ihrer Revisionsrekursbeantwortung entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Der den Beschränkungen des § 528 ZPO unterliegende (RIS-Justiz RS0043861 [T4]; RS0116348; Kodek in Rechberger 4 § 519 ZPO Rz 14) Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und im Sinn des Eventualantrags berechtigt , weil die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es liege Unzulässigkeit des Rechtswegs vor, aus Gründen der Rechtssicherheit korrekturbedürftig ist.

1.  Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt (also die Klagebehauptungen) maßgebend. Ohne Einfluss ist es hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist; es kommt nur darauf an, ob nach Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben; dabei ist nicht entscheidend, wie der Kläger seinen Anspruch rechtlich formt (RIS-Justiz RS0045584 [T57

und T63]). Auch die Feststellungen des Erstgerichts haben daher unberücksichtigt zu bleiben.

2.  Dem Berufungsgericht ist zuzugestehen, dass die Formulierung des Feststellungsbegehrens, in dem von der Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe der Holzbezugsrechte die Rede ist, zumindest missverständlich ist und einer Klarstellung bedarf; ist doch die Herausgabe eines Forderungsrechts als unkörperliche Sache schon begrifflich nicht denkbar. Es liegt deshalb nahe, das vom Kläger formulierte Begehren ‑ bei dessen isolierter Betrachtung ‑ dahin zu verstehen, er gehe davon aus, Anspruch auf die Abtretung des den Beklagten (als aktuelle Eigentümer der verkauften Liegenschaft derzeit zustehenden) Holzbezugsrechts zu haben. Ob ein solches Begehren einer Entscheidung über Bestand und Umfang der Holzbezugsrechte iSd § 38 Abs 2 TirWWSG gleichzusetzen wäre, kann aber aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben:

3.  Wie bereits erwähnt, sind bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs auch die anspruchsbegründenden Behauptungen in der Klage zu berücksichtigen.

3.1.  Dort ist aber von einer Abtretung des Holzbezugsrechts keine Rede, sondern mehrfach von der Ausfolgung des Holzbezugs, zu der sich der seinerzeitige Käufer gegenüber dem Verkäufer privatrechtlich verpflichtet habe und die über viele Jahre auch tatsächlich gehandhabt worden sei. Weiters wird auf die ‑ vom Kläger übernommene ‑ Rechtsansicht der Agrarbehörde verwiesen, es stehe dem Holzbezugsberechtigten frei, mit dem Holzbezug (iSv: mit bezogenem Holz ) nach Belieben umzugehen.

3.2.  Somit ist nach Ansicht des erkennenden Senats ausreichend klargestellt, dass der Kläger (als Gesamtrechtsnachfolger des Verkäufers) die Feststellung der (angeblich auf diese überbundene) Verpflichtung der Beklagten anstrebt, das ‑ aus dem zugunsten der verkauften Liegenschaft bestehenden Holzbezugsrecht am Grundstück eines Dritten ‑ bezogene Holz an ihn herauszugeben. In diesem Sinn ist das Feststellungsbegehren zu verstehen.

Es geht also um die Feststellung der Verpflichtung zur Herausgabe körperlicher Sachen aufgrund einer zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile abgeschlossenen privatrechtlichen Vereinbarung, sodass sowohl für dieses Klagebegehren als auch für das aus der Verletzung dieser Verpflichtung abgeleitete Zahlungsbegehren der ordentliche Rechtsweg zulässig ist.

3.3.  Ein Problem mit der Lösung der Vorfrage über den Bestand und den Umfang des Holzbezugsrechts zugunsten der verkauften Liegenschaft, an das die behauptete Vereinbarung anknüpft, stellt sich hier schon deshalb nicht, weil diese Umstände zwischen den Parteien unstrittig sind.

3.4.  Die weiteren Fragen, ob eine solche Vereinbarung zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile geschlossen wurde, ob sie auch die Streitteile berechtigt/verpflichtet und ob darin ein wegen Gesetzesverstoßes (vgl auch § 485 ABGB) oder als Umgehungsgeschäft unwirksamer Vertrag zu erblicken ist, betreffen die inhaltliche Berechtigung des Begehrens; ihnen kommt ‑ wie bereits ausgeführt ‑ bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs keine Bedeutung zu.

4.  Da die vom Berufungsgericht angenommene Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht vorliegt, ist der angefochtene Beschluss (wie im Spruch) abzuändern und dem Gericht zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Beklagten aufzutragen.

5.  Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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