Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der Unzulässigkeit des Rechtswegs aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Die Kläger sind Zweigvereine („Ortsgruppen“) des beklagten Vereins.
§ 26 der Satzung des Beklagten lautet (auszugsweise):
Das Schiedsgericht entscheidet bei Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis zur Ahndung von Vergehen von allen Mitgliedern des Ö ***** und gegen Mitglieder, welche ihre Mitgliedspflichten oder Amtspflichten verletzt haben, kann unbeschadet ihrer straf- oder zivilrechtlichen Verantwortlichkeit ein Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet werden…. Gegen die Entscheidung des Schiedsgerichtes ist ein weiteres vereinsinternes Rechtsmittel nicht zulässig. (Siehe § 8 Abs. 1 u. 2 u. Erläut RV zu § 8 VerG. 2002) … Das Schiedsgericht setzt sich aus drei Mitgliedern und einem Ersatzmitglied zusammen, welche über Vorschlag des Vorstandes oder von den Delegierten in der GV nominiert und anschließend von der GV gewählt werden ... Die Mitglieder des Schiedsgerichtes wählen einen Obmann und einen Stellvertreter. Die Funktionsperiode des Schiedsgerichtes beträgt 3 Jahre. Wiederwahl ist möglich. Die Mitglieder des Schiedsgerichtes dürfen nicht dem Vorstand angehören...
Nähere Bestimmungen über die Voraussetzungen der Anrufung des Schiedsgerichts sind in der Satzung der beklagten Partei nicht enthalten. Das Schiedsgericht hat in seiner konstituierenden Sitzung vom 18. 4. 2011 (in einer anderen Streitigkeit zwischen Präsidentin und Vizepräsidenten) beschlossen, dass ein Antrag vom Schiedsgericht nur dann behandelt wird, wenn ein Kostenvorschuss in Höhe von 1.000 EUR bezahlt wird. Diese Voraussetzung für die Anrufung des Schiedsgerichts bezieht sich auf alle Streitigkeiten, für die das Schiedsgericht zuständig ist, unabhängig vom Streitgegenstand bzw -wert. Eine „offizielle Verlautbarung“ derselben erfolgte nicht. Für den Fall, dass jemand das Schiedsgericht anrufen will, wird ihm diese Bedingung jedoch mitgeteilt, so auch mit Schreiben des Schiedsgerichts des beklagten Vereins vom 14. 2. 2012 an den Klagevertreter.
Vor Einleitung des gegenständlichen Verfahrens erfolgte von den Klägern keine Anrufung des Schiedsgerichts des Beklagten und es wurde auch kein Kostenvorschuss von ihnen erlegt.
Der Erstkläger verfügt über ein Vermögen von rund 2.000 EUR und der Zweitkläger über ein solches von rund 4.000 EUR.
Die Kläger begehrten mit ihrer am 16. 4. 2012 eingebrachten und später ausgedehnten (ON 13a) Klage die Nichtigerklärung der in der Generalversammlung vom 17. 6. 2011 und der in der außerordentlichen Generalversammlung vom 28. 11. 2011 gefassten Beschlüsse wegen statuten- und gesetzwidriger Abhaltung derselben. Das Vereinsschiedsgericht habe trotz Zusage seines Obmanns die klagsgegenständlichen Probleme nicht behandelt bzw innerhalb von sechs Monaten ab Anrufung keine Entscheidung getroffen. Im Übrigen sei die Anrufung des Schiedsgerichts mangels Tätigkeit, mangels Objektivität und wegen der Höhe des verlangten Kostenvorschusses unzumutbar.
Der Beklagte wendete mangels „Einhaltung des Schiedsgerichtsverfahrens“ durch die Kläger die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein.
Das Erstgericht legte die eingangs wiedergebene Satzungsbestimmung so aus, dass das Vereinsschiedsgericht für alle Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis zuständig sei und nicht nur für die Ahndung der Vergehen von Mitgliedern. Es wies die Klage (nach Aufhebung seiner Entscheidungen im ersten und zweiten Rechtsgang nunmehr auch im dritten Rechtsgang) wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück, weil die Kläger vor Klagseinbringung keinen den Form- bzw Verfahrensvoraussetzungen des Schiedsgerichts entsprechenden Antrag beim Schiedsgericht eingebracht hätten.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht hingegen 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob die Voraussetzung der Einzahlung eines Kostenvorschusses für die Anrufung des Schiedsgerichts in einer Höhe, welche der Hälfte bzw einem Viertel des Vereinsvermögens einer der anrufenden Parteien entspreche, einen eklatanten Verstoß gegen die Grundsätze des fair trail des Art 6 MRK darstelle, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe. Das Rekursgericht selbst sah im Verlangen eines Kostenvorschusses von 1.000 EUR im gegebenen Fall keinen derartigen Verstoß begründet.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag, der Klage stattzugeben; in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt. Es sei unzulässig, wenn das Schiedsgericht selbst Voraussetzungen für seine Anrufung festlege. Das Rekursgericht habe überdies die Vereinsstatuten fehlerhaft ausgelegt und die Beweis- sowie Mangelrüge im Rekurs der Kläger nicht vollinhaltlich erledigt. Die Schiedsrichter seien befangen gewesen, und die Anrufung einer vereinsinternen Schlichtungseinrichtung vor der Beschreitung des Rechtswegs sei hier schon deshalb unzumutbar, weil mit den angefochtenen Beschlüssen der Verein umstrukturiert werden sollte.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel der Kläger zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1. Gemäß § 7 Vereinsgesetz 2002 (VerG) sind „Beschlüsse von Vereinsorganen nichtig, wenn dies Inhalt und Zweck eines verletzten Gesetzes oder die guten Sitten gebieten. Andere gesetz- oder statutenwidrige Beschlüsse bleiben gültig, sofern sie nicht binnen eines Jahres ab Beschlussfassung gerichtlich angefochten werden. Jedes von einem Vereinsbeschluss betroffene Vereinsmitglied ist zur Anfechtung berechtigt.“
1.2. Gemäß § 8 Abs 1 VerG haben die Statuten „vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen. Die Anrufung des ordentlichen Gerichts kann nur insofern ausgeschlossen werden, als ein Schiedsgericht nach den §§ 577 ff ZPO eingerichtet wird.“ Nach § 8 Abs 2 VerG haben die Statuten „die Zusammensetzung und die Art der Bestellung der Mitglieder der Schlichtungseinrichtung unter Bedachtnahme auf deren Unbefangenheit zu regeln. Den Streitparteien ist beiderseitiges Gehör zu gewähren.“
1.3. Einer Klage steht das gemäß § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen, wenn sie in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG vor dem Verstreichen von sechs Monaten seit Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht worden ist, außer das Schlichtungsverfahren endete bereits vor der Klagseinbringung (RIS-Justiz RS0122426).
1.4. Von der temporären Unzulässigkeit des Rechtswegs wird nach der Rechtsprechung lediglich dann eine Ausnahme gemacht, wenn die vorherige Anrufung der vereinsinternen Schlichtungsstelle für die betroffene Partei nicht zumutbar ist. Eine solche Unzumutbarkeit wird insbesondere bei einem eklatanten Verstoß gegen die in § 8 Abs 2 VerG angesprochenen Grundsätze des fair trial nach Art 6 MRK gesehen (8 Ob 78/06p = SZ 2006/136 mwN). Ein weiterer Fall der Unzumutbarkeit der Anrufung der Schlichtungsstelle wurde auch angenommen, wenn ein Beschluss im Anfechtungszeitpunkt unrevidierbar wäre, und die Anrufung der Schlichtungsstelle daher ein bloßer Formalakt ohne jede Möglichkeit einer Streitschlichtung bleiben müsste (7 Ob 139/07b).
2. Die Vorinstanzen haben ausdrücklich festgestellt (Seite 6 f des Beschlusses des Erstgerichts ON 42, vom Rekursgericht als unbedenklich übernommen in Seite 14 f seiner zweitinstanzlichen Entscheidung ON 46), dass die Kläger in den klagsgegenständlichen Angelegenheiten ‑ entgegen ihrer Behauptung ‑ vor Einleitung des Gerichtsverfahrens nicht das vereinsinterne Schiedsgericht angerufen haben. Es ist daher zu prüfen, ob im konkreten Fall die Anrufung des Schiedsgerichts unzumutbar gewesen wäre, insbesondere, ob das von den Schiedsrichtern aufgestellte Erfordernis des Kostenvorschusses (von 1.000 EUR) eine unzumutbare Hürde für seine Anrufung darstellt.
2.1. Zu diesem Zweck ist zunächst zu klären, welche Art von „Schiedsgericht“ mit der eingangs zitierten Satzungsbestimmung eingerichtet wurde.
2.2. „Vereinsschiedsgerichte“ sind trotz ihrer Bezeichnung per se keine „echten“ Schiedsgerichte iSd §§ 577 ff ZPO, sondern Einrichtungen nach dem VerG zur Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis iSd § 577 Abs 4 ZPO, auf welche die Bestimmungen der §§ 577 ff ZPO über das „Schiedsrichterliche Verfahren“ ausdrücklich nicht Anwendung finden (Hausmaninger/Stippl in Fasching/ Konecny 3 Art XII EGZPO Rz 15). Durch das VerG wird kein die ordentliche Gerichtsbarkeit ausschließendes, Schiedsgericht im engeren Sinn, sondern eine bloße Schlichtungsinstanz eingesetzt (Hausmaninger/Stippl aaO Rz 16). Eine solche Schlichtungseinrichtung hat den Zweck, Vorklärungen zu ermöglichen und die Gerichte von (praktisch häufigen) Vereinsstreitigkeiten möglichst zu entlasten (Keinert, Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Vereinsbeschlüssen, JBl 2011, 617 [621]). Ihr kommt keine endgültige Entscheidungskompetenz zu. Die „Entscheidung“ eines Vereins“schiedsgerichts“ ist letztlich nur ein Schlichtungsvorschlag, dem, wird er akzeptiert, streitbeendende Wirkung zukommt; geht ein Streitteil weiter zu den staatlichen Gerichten, so wurde der Vorschlag eben nicht akzeptiert (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine4, 333). Auch die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass mit der Satzung des beklagten Vereins ‑ worin ausdrücklich auf § 8 Abs 1 und 2 VerG samt „Erläut RV“ Bezug genommen wird ‑ kein Schiedsgericht nach §§ 577 ff ZPO eingerichtet wurde (vgl hiezu auch 2 Ob 117/14i und Hausmaninger/Stippl aaO Rz 25/1).
2.3. Der Beklagte führt in seiner Revisionsrekursbeantwortung aus, dass Kostenvorschüsse, aber auch Kostenbeiträge, für die Anrufung eines Schiedsgerichts üblich seien und für ein vereinsinternes Schiedsgericht nichts anderes gelten könne. Letzteres ist unzutreffend:
2.4. Bei (echten) Schiedsrichtern im Sinn von § 587 ZPO ergibt sich die Entgeltlichkeit ihrer Tätigkeit aus den werkvertraglichen Bestimmungen der § 1151 Abs 1 und § 1152 ABGB (vgl Hausmaninger in Fasching/Konecny 2 § 587 ZPO Rz 214). Die Höhe des Honorars bestimmt sich primär nach dem Schiedsrichtervertrag, in Ermangelung dessen nach den bisher bei gleichartigen Schiedsgerichten herrschenden Honorarrichtlinien und Vergütungssätzen und hilfsweise nach der Angemessenheit nach § 1152 ABGB (Hausmaninger aaO Rz 216). Es entspricht der schiedsgerichtlichen Praxis, von den Parteien bei Einleitung des Verfahrens Vorschüsse zu verlangen, um die Honorar- und Barauslagenersatzansprüche der Schiedsrichter abzusichern (Hausmaninger aaO Rz 228).
2.5. Bei der hier vorliegenden vereinsinternen Schlichtungseinrichtung gründet die Tätigkeit der „Schiedsrichter“ auf ihrer Mitgliedschaft im Verein und der Wahl für das Schiedsrichteramt in der Generalversammlung. Es mangelt an jeglichem Schiedsrichter- bzw Werkvertrag. Somit fehlt eine Rechtsgrundlage für ein Honorar.
2.6. Für die Ausgestaltung des Schlichtungsverfahrens nach § 8 VerG gilt die privatautonome Gestaltungsfreiheit der satzungsgebenden Organe (Hausmaninger/Stippl aaO Rz 28). Die von der Generalversammlung gewählten Schiedsrichter haben den allgemeinen Beschluss, wonach das Schiedsgericht nur dann tätig werde, wenn der Antragsteller einen Kostenvorschuss von 1.000 EUR leistet, außerhalb jeglicher Regelung in den Statuten des beklagten Vereins gefasst. Somit fehlt es auch an einer satzungsmäßigen (und damit auch die Vereinsmitglieder bindenden) Grundlage für die von den Schiedsrichtern selbst aufgestellte „Kostenhürde“ für die Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung.
3. Der begehrte Kostenvorschuss widerspricht den in Judikatur und Literatur für die grundsätzliche Priorität der vereinsinternen Streitschlichtung unter anderem genannten Gründen einer möglichst schnellen und kostengünstigen, unbürokratischen Bereinigung des Rechtsstreits (vgl Hausmaninger/Stippl in Fasching/Konecny 3 II/1 Art XII EGZPO Rz 41; Krejci/S. Bydlinski/Weber‑Schallauer, Vereinsgesetz2, § 8 Rz 5 f). Die Leistung eines weder gesetzlich noch satzungsmäßig gedeckten Pauschalhonorars für die Schiedsrichter oder eines Kostenbeitrags für weder offengelegte noch näher konkretisierte sonstige Kosten war den Klägern im konkreten Fall daher nicht zumutbar. Die Schiedsrichter hätten vielmehr ‑ in Ausübung des ihnen von der Generalversammlung übertragenen Amts im Interesse des beklagten Vereins ‑ unentgeltlich tätig werden müssen.
4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass aufgrund der ‑ bereits wegen der „Kostenhürde“ gegebenen ‑ Unzumutbarkeit der Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung die sofortige Beschreitung des Rechtswegs zulässig ist. Auf die weiteren von den Klägern vorgebrachten Umstände zur Begründung der Unzumutbarkeit der Anrufung des Schiedsgerichts, etwa die allfällige Befangenheit der Schiedsrichter, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden; auch auf die relevierten Revisionsrekursgründe der Mangelhaftigkeit und der Aktenwidrigkeit kommt es nicht an (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO).
5. Dem Revisionsrekurs der Kläger war somit Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen waren aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der Unzulässigkeit des Rechtswegs aufzutragen.
6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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