OGH 13Os29/15m

OGH13Os29/15m15.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter S***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 12. November 2014, GZ 630 Hv 4/14y‑21, sowie dessen Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00029.15M.0415.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter S***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in B***** Cornelia P***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich dem jeweils mehrmaligen Einführen seiner Finger in ihre Scheide, genötigt, und zwar

(1) im Februar 2014, indem er sie zu Boden stieß, sich auf sie setzte und sie würgte,

(2) im April 2014, indem er sie auf ein Sofa warf, sich auf ihren Oberkörper setzte, ihren Mund aufzwängte und seine zur Faust geballte Hand in diesen presste.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die aus Z 5 und (richtig:) 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Beantwortung der Mängelrüge (Z 5) ist vorauszuschicken, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher der unternommenen Anfechtung entzogen ist (RIS‑Justiz RS0106588).

Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann allerdings unter dem Gesichtspunkt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen über entscheidende ‑ nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsame (zum Begriff Ratz , WK-StPO § 281 Rz 398 ff) ‑ Tatsachen (RIS‑Justiz RS0119422 [T2, T4]).

Das Erstgericht erachtete die Aussagen der (tatbetroffenen und einzigen unmittelbaren) Zeugin Cornelia P***** für glaubhaft und stützte darauf seine den Schuldspruch tragenden Feststellungen, während es die leugnende Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig verwarf (US 10 bis 12).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen handelt es sich bei den Überlegungen der Tatrichter, die Angaben des Opfers in der Hauptverhandlung seien „gleichlautend und widerspruchsfrei“ gewesen (US 10) und es sei ‑ aus bestimmten Gründen ‑ „nicht vorstellbar“, dass es „diese Vorfälle lediglich erfunden“ habe (US 12), nicht um Feststellungen über (entscheidende) Tatsachen, sondern um Beweiswerterwägungen zum ‑ erheblichen (dazu Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 409 ff) ‑ Umstand der Glaubwürdigkeit dieser Belastungszeugin. Sie als „unzureichend begründet“ (Z 5 vierter Fall) zu bekämpfen läuft daher auf im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Beweiswürdigungskritik hinaus (RIS‑Justiz RS0106588 [T10]).

Gleiches gilt, soweit das Rechtsmittel beanstandet, das Erstgericht habe ‑ aus Sicht des Beschwerdeführers ‑ gegen die Aufrichtigkeit des Opfers sprechende Angaben der als Zeugin vernommenen Mutter des Nichtigkeitswerbers, Christine S*****, sowie die Einlassung des Angeklagten selbst (zwar erörtert, jedoch) ohne stichhaltige Begründung als unglaubwürdig gewertet.

Zum Umstand, dass der Angeklagte nach dem „Vorfall vom April 2014“ (Schuldspruch 2) selbst die Polizei verständigte (US 8 unten), nennt die Beschwerde keine aus ihrer Sicht übergangenen Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO), womit sie die prozessordnungskonforme Darstellung des insoweit herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Z 5 zweiter Fall) verfehlt (RIS‑Justiz RS0118316). Die angesprochene Urteilsannahme steht auch nicht im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zu einer Feststellung über eine entscheidende Tatsache.

Mit (der Sache nach aus Z 5 vierter Fall geübter) Kritik an dem aus einem Befund der Abteilung für Psychiatrie des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder Eisenstadt vom 6. Mai 2014 ‑ der die Diagnose einer akuten Belastungsreaktion der Cornelia P***** enthält (ON 2 S 45) ‑ gezogenen Schluss auf die Begehung der vorgeworfenen Handlungen durch den Angeklagten (US 16 unten f) lässt die Beschwerde alle weiteren beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichts zu den bekämpften Feststellungen unberücksichtigt. Indem sie solcherart nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß nimmt, ist die Mängelrüge prozessordnungswidrig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0119370).

Nicht entscheidend im oben dargestellten Sinn ist, wann und weshalb der Angeklagte nach der vom Schuldspruch 1 erfassten Tat von seinem Opfer abließ, ob sich dieses gleich danach in ärztliche Behandlung begab und „objektivierbare Spuren“ der Gewaltausübung zeigte, wann, in welcher Form und aus welchen Beweggründen es die Taten zur Anzeige brachte, ob es diese in seinem gegen den Angeklagten geführten „Scheidungsverfahren“ erwähnte sowie, mit welcher Ausführlichkeit es deren Ablauf seiner Psychologin gegenüber schilderte; ebensowenig, aufgrund welcher „Begleitumstände“ ein gegen den Vater des Angeklagten wegen des Verdachts, Cornelia P***** „gefährlich bedroht“ zu haben, geführtes Ermittlungsverfahren eingestellt wurde.

Soweit die Rüge die Erörterung (Z 5 zweiter Fall) darauf bezogener Beweisergebnisse vermisst, fehlt es ihr an einem Vorbringen, weshalb das Unterbleiben derselben einer für den Prozessstandpunkt des Beschwerdeführers günstigeren Feststellung für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsamer Umstände im Weg stand (siehe aber RIS‑Justiz RS0116767). Auch, soweit sie ‑ der Sache nach ‑ teils darüber getroffene Feststellungen als unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) rügt, teils Widersprüche (Z 5 dritter Fall) zwischen solchen und den dazu angestellten tatrichterlichen Erwägungen aufzuzeigen versucht, versäumt sie das Herstellen eines Bezugs zu einer entscheidenden Tatsache ‑ nur dann könnte der angesprochene (formelle) Nichtigkeitsgrund vorliegen ( Fabrizy , StPO 12 § 281 Rz 48).

Davon abgesehen hat sich das Erstgericht sowohl mit den zeugenschaftlichen Angaben der Eltern des Beschwerdeführers, Christine und Günther S*****, zu diesen und dem Angeklagten gegenüber gezeigtem Verhalten der Cornelia P***** (US 21 bis 23) als auch mit jenen der Psychologin des Opfers, Mag. Karin G*****, zu einer mit diesem durchgeführten Besprechung über die Sinnhaftigkeit einer Bekanntgabe der vom Schuldspruch erfassten Übergriffe gegenüber offiziellen Stellen auseinandergesetzt (US 13 f, 16). Überdies hat es ‑ unter Miteinbeziehung weiterer Verfahrensergebnisse ‑ ausführliche Erwägungen zur Plausibilität der Schilderungen des Angeklagten und des Opfers angestellt (US 10 bis 24). Zu einer darüber hinausgehenden Erörterung einzelner ‑ in der Beschwerde jeweils isoliert und teils auch sinnentstellt hervorgekehrter ‑ Details dieser Aussagen war es mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) gerade nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098377).

Gestützt auf Z 5a (als Aufklärungsrüge) glaubt der Beschwerdeführer die Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung (§ 2 Abs 2 StPO) dadurch verletzt, dass das Erstgericht die tatbetroffene Zeugin mangelhaft und auf zur Sachverhaltsermittlung ungeeignete Weise befragt habe. Indem er aber nicht deutlich macht, wodurch die Verteidigung in der Hauptverhandlung an sachgerechter Wahrnehmung ihres Fragerechts (§ 249 Abs 1 StPO) gehindert war, verfehlt er die Anfechtungskriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0115823 [insbesondere T7, T8], RS0114036).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung und der (als erhoben zu betrachtenden) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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