European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00005.15I.0303.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hubert R***** jeweils mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 (Abs 1), 106 Abs 1 Z 1 und 3 StGB (II/1) und der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (IV) sowie der Vergehen des Zuführens zur Prostitution nach § 215 StGB (I), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II/2) und der „teils versuchten, teils vollendeten“ Zuhälterei nach „§ 216 teils Abs 1, teils Abs 2 erster, zweiter und dritter Fall StGB, teils iVm § 15 StGB“ (ersichtlich gemeint [wie auf US 11, 14 und 24 f deutlich genug erkennbar]: nach § 216 Abs 2 erster, zweiter und dritter Fall [III/1] sowie nach § 216 Abs 1 und 2 dritter Fall [III/2 und 3]) schuldig erkannt.
Danach hat er in O***** und an anderen Orten
(I) Personen der Prostitution, also der Vornahme geschlechtlicher Handlungen oder Duldung geschlechtlicher Handlungen am eigenen Körper gegen Entgelt durch eine volljährige Person in der Absicht, sich oder einem Dritten durch die wiederkehrende Vornahme oder Duldung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 74 Abs 1 Z 9 lit b StGB), zugeführt, und zwar
1) im Herbst 1999 Gordana B*****, indem er zu ihr auf seinem Bauernhof in O***** bei einer Party in lautem und aggressivem Befehlston sagte: „Du gehst jetzt mit ihm“ (gemeint: einem ihr unbekannten Mann) „auf das Zimmer ficken“, sie würde dafür auch Geld bekommen, sie solle sich nicht so „blöd anstellen“, wobei sie ohne eigenes Fahrzeug nicht selbstständig wegfahren konnte und aufgrund ihrer Einschüchterung geschlechtliche Handlungen mit dem unbekannten Mann vornahm und von Robert R***** dafür 50 Euro erhielt;
2) im Oktober/November 2007 die als Pflegerin für seinen Vater in seinem Wohnhaus angestellte Alexandra Bu*****, indem er sie aufforderte, mit Bernhard Br***** „Sex“ zu haben, sie sodann mit diesem geschlechtliche Handlungen vornahm und von Hubert R***** die versprochenen 50 Euro bekam, wobei dieser ihr zuvor angedroht hatte, er würde sie kündigen und aus dem Haus werfen und sie könne „alleine nach Hause gehen“, „wenn sie nicht mit ihm“ (gemeint: Hubert R*****) „Sex habe“, wodurch sie bereits eingeschüchtert war und aufgrund dessen auch der Aufforderung zum „Sex“ mit Bernhard Br***** Folge leistete;
(II) durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung (Punkt 1) oder mit einer Verletzung an der Ehre (Punkt 2) zu Handlungen genötigt, und zwar
1) von Herbst 1999 (nach der zu Punkt I/1 genannten Tat) bis 2011 und von etwa Mitte 2012 bis 9. März 2014 vielfach wiederholt Gordana B***** zur Prostitution mit anderen Männern, indem er zu ihr sagte, dass „sie in Zukunft gemeinsam viel Geld verdienen könnten“ und ihr weiters, wenn sie sich zu weigern versuchte, sinngemäß damit drohte, dass er sonst (wenn sie nicht „Sex“ mit anderen Männern habe) „allen Leuten bei ihrer Arbeit und ihrer Familie, erzählen würde, dass sie als Hure arbeiten würde“, weshalb Gordana B***** sodann etwa ein‑ bis zweimal monatlich an den Wochenenden aufgrund der Einschüchterungen des Hubert R***** jeweils über seine Veranlassung der Prostitution für ihn nachging;
2) im Dezember 2011 Benjamin K***** zur Bezahlung von 90 Euro (als vermeintlich geschuldetem „Liebeslohn“), indem er ihm gegenüber äußerte, dass er, „wenn er ihm das Geld nicht geben würde, seiner Mutter und jedem in O***** von seinem sexuellen Abenteuer“ (seinem sexuellen Kontakt mit einer Prostituierten gegen Entgelt) „und davon, dass er ein 'Hurenficker' sei“, erzählen werde;
(III) mit dem Vorsatz, sich aus der Prostitution anderer Personen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Personen ausgenützt (Punkte 2 und 3) oder ausgebeutet und eingeschüchtert (Punkt 1), ihnen die Bedingungen der Ausübung der Prostitution vorgeschrieben, indem er ihre „Freier“ aussuchte und organisierte, deren Anzahl festlegte, Zeit, Ort und Preis der sexuellen Dienste mit im angefochtenen Urteil teils namentlich genannten Männern festlegte, teils die Hälfte (zu Punkt 1 teils auch mehr) des Entgelts (von etwa 100 Euro pro sexueller Leistung) kassierte und einbehielt, und zwar
1) von Herbst 1999 bis 2011 und von Mitte 2012 bis 9. März 2014 wiederholt und regelmäßig (etwa ein‑ bis zweimal monatlich an den Wochenenden) Gordana B*****;
2) von Oktober/November 2007 bis April 2008 Alexandra Bu*****;
3) von 1. Mai bis September 2013 Sevda F*****, wobei es teilweise beim Versuch geblieben ist;
(IV) außer den Fällen des § 201 StGB durch gefährliche Drohung zur Duldung oder Vornahme einer geschlechtlichen Handlung, nämlich des Geschlechtsverkehrs, genötigt, und zwar
1) von Herbst 1999 bis 2011 und von Mitte bis Ende 2012 wiederholt Gordana B***** durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung ihrer gesellschaftlichen Stellung, indem er von ihr den Geschlechtsverkehr (mit ihm) verlangte und ihr drohte, „dass er allen, nämlich bei ihrer Arbeit und ihrer Familie, erzählen würde, dass sie für ihn als Hure arbeite, wenn sie nicht mit ihm schlafen würde“, worauf sie ‑ eingeschüchtert ‑ den Geschlechtsverkehr mit ihm duldete;
2) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen Oktober/November 2007 und April 2008 Alexandra Bu***** durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, indem er den Geschlechtsverkehr von ihr verlangte und erklärte, „dass er sie sonst kündigen werde und sie gehen solle sowie er sie aus dem Haus werfen werde, wenn sie keinen Sex mit ihm habe“, woraufhin sie ‑ eingeschüchtert ‑ den Geschlechtsverkehr mit ihm vollzog.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Die Aussagen der von der Mängelrüge unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Treffen geführten Zeugen hat das Erstgericht allesamt erörtert und mit mängelfreier Begründung als ungeeignet erachtet, die belastenden Beweisergebnisse zu entkräften (US 19 ff).
Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) begründet nur die unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln, nicht der hier behauptete Widerspruch zwischen Verfahrensergebnissen und Feststellungen (RIS-Justiz RS0099431 [T5, T7 und T15]).
Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider hat das Erstgericht den Beschwerdeführer zu II/1 nur schuldig erkannt, Gordana B***** (nicht auch andere Opfer) mit einer Vernichtung deren gesellschaftlicher Stellung genötigt zu haben. Dazu hat es festgestellt, er habe gedroht, „allen Leuten“ (gemeint ersichtlich: in ihrem sozialen Umfeld, dass sich nach dem gesamten Urteilssachverhalt [US 10 f und 16] in ländlicher Umgebung in seiner Nähe befand) von ihrer Tätigkeit als Prostituierte zu erzählen. Zudem traf es ‑ vom Beschwerdeführer übergangen ‑ die Feststellung, dieser habe gewusst, wo das Opfer angestellt gewesen sei (US 10 f). Weshalb es darüber hinaus weiterer Konstatierungen zu einer Kenntnis des Beschwerdeführers vom „Aufenthaltsort der Familien“ und dem genauen Wohnort des Opfers bedurft hätte, erklärt die Rechtsrüge nicht.
Warum dieser Einwand auch den Schuldspruch III/1 betreffen soll, legt die weitere Rechtsrüge ebenso wenig dar, wie sie angebliche Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite konkret bezeichnet (vgl im Übrigen die dazu getroffenen ‑ im Rechtsmittel übergangenen ‑ Konstatierungen auf US 9 ff).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizit ergriffene) Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 dritter und vierter Satz StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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