OGH 6Ob225/14b

OGH6Ob225/14b19.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** L*****, vertreten durch Dr. Sonja Schröder, Rechtsanwältin in Zell am See, gegen die beklagte Partei J***** L***** U*****, vertreten durch Dr. Anton Waltl und andere Rechtsanwälte in Zell am See, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 13 Cg 98/11h des Landesgerichts Salzburg, über den Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2014, GZ 6 R 181/14a‑27, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 10. Juli 2014, GZ 13 Cg 69/13x‑23, aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00225.14B.0219.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die Entscheidung des Erstgerichts aufgehoben, das erstinstanzliche Verfahren für nichtig erklärt und die Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen werden.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gegenstand des im Jänner 2013 beendeten Vorprozesses war ein angebliches Fahrtrecht der Wiederaufnahmsklägerin über ein Grundstück des Wiederaufnahmsbeklagten. Grund für die Verneinung dieses Rechts war vor allem die Feststellung, dass auf dem Grundstück des Wiederaufnahmsbeklagten seit 1986 Verkehrsschilder mit der Aufschrift „Durchgang und Durchfahrt bis auf Widerruf gestattet“ aufgestellt sind. Deshalb gelang der Wiederaufnahmsklägerin der Beweis der Ersitzung des Rechts über einen dreißigjährigen Zeitraum ab 1957 nicht.

Die Wiederaufnahmsklägerin ist aufgrund einer Vorsprache bei der zuständigen Gemeindebehörde am 18. 9. 2013 im Besitz eines Schreibens aus dem Jahr 1986, aus dem sich ergibt, dass zeitlich vor den genannten Schildern Fahrverbotszeichen für alle Kraftfahrzeuge mit der Zusatztafel „Anrainer frei“ aufgestellt waren, und aufgrund einer daraufhin am nächsten Tag selbst durchgeführten Überprüfung der Schilder in Kenntnis, dass auf deren Rückseite das Herstellungsdatum mit 5 ‑ 1987 eingeprägt ist.

Das Erstgericht bewilligte die auf diese neuen Tatsachen und Beweismittel gestützte Wiederaufnahmsklage gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Die Annahme im Vorprozess, die Verkehrsschilder mit der Aufschrift „Durchgang und Durchfahrt bis auf Widerruf gestattet“ seien 1986 aufgestellt worden, sei widerlegt. Damit sei es durchaus möglich, dass die Verkehrsschilder tatsächlich nicht vor 1990 aufgestellt wurden. Dann sei aber ein Prozesserfolg der Wiederaufnahmsklägerin im Vorprozess durchaus denkbar.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und wies die Wiederaufnahmsklage zurück; den Entscheidungsgegenstand bewertete es mit über 30.000 EUR. Der Wiederaufnahmsklägerin sei gemäß § 530 Abs 2 ZPO vorzuwerfen, dass sie nicht bereits während des Vorprozesses die Behauptungen der Gegenseite über den Aufstellungszeitpunkt der Schilder einer Überprüfung durch Vorsprache bei der Gemeindebehörde und Untersuchung der Schilder unterzogen habe; es sei ständige Rechtsprechung, dass eine Partei zumutbare Erhebungen zur Ausforschung für sie günstiger Beweismittel pflegen müsse.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nach § 543 iVm § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig (6 Ob 120/11g); er ist aber nicht berechtigt.

Nach § 530 Abs 2 ZPO ist die Wiederaufnahme wegen der in Abs 1 Z 7 genannten Umstände nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen. Die Behauptungs- und Beweislast für den Mangel des Verschuldens trägt dabei der Kläger; er hat schon in der Klage darzulegen, dass und aus welchen Gründen er ohne sein Verschulden außer Stande war, die neuen Tatsachen beziehungsweise Beweismittel noch vor Schluss der Verhandlung geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0044633 [T3, T4, T6]). Die Wiederaufnahmsklägerin stellt hier aber gar nicht dar, inwieweit sie der von der ständigen Rechtsprechung verlangten Behauptungspflicht in der Klage oder im weiteren erstinstanzlichen Verfahren nachgekommen wäre.

Das Berufungsgericht hat deshalb zutreffend die Wiederaufnahmsklage nach § 538 ZPO zurückgewiesen, dabei jedoch außer Acht gelassen, dass unter einem das erstinstanzliche Verfahren für nichtig zu erklären ist (RIS‑Justiz RS0111400; 9 ObA 351/98b; 5 Ob 11/04k); dies war mit einer Maßgabebestätigung nachzutragen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kostenbemessungsgrundlage beträgt aufgrund der in der Klage vorgenommenen Bewertung 15.000 EUR.

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