European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00011.15Z.0206.000
Spruch:
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
In dem von der Staatsanwaltschaft Innsbruck zu AZ 10 St 294/14m gegen Andrzej S***** geführten Ermittlungsverfahren wurde der Genannte am 18. Dezember 2014 unmittelbar im Anschluss an eine gemäß § 133a Abs 5 letzter Satz StVG zum Verfahren AZ 34 Hv 42/09t des Landesgerichts Salzburg vollzogene Strafhaft (ON 1 S 1, 5 ff) aufgrund einer gerichtlich bewilligten Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 10 in ON 11) durch die Justizwache der Justizanstalt Salzburg festgenommen und weiter angehalten (ON 1 S 1, 7; ON 39 S 7 ff). Nach Überstellung in die Justizanstalt Innsbruck wurde über ihn aufgrund eines Antrags der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 1 S 7) mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 19. Dezember 2014 aus den Haftgründen der Flucht‑, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a und b StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 14).
Am 30. Dezember 2014 erhob der Verteidiger im Namen des Beschuldigen Beschwerde gegen diesen Beschluss (ON 27), woraufhin mit Verfügung vom Vormittag des 31. Dezember 2014 die bereits am 19. Dezember 2014 für den 2. Jänner 2015 anberaumte (ON 1 S 9) Haftverhandlung unter Hinweis auf die nunmehr (gemäß §§ 174 Abs 4, 175 Abs 2 Z 2 StPO) bis 30. Jänner 2015 laufende Haftfrist abberaumt wurde (ON 1 S 13 und ON 29). Am 31. Dezember 2014 überreichte der Verteidiger auch eine handschriftliche Eingabe des Andrzej S***** vom 23. Dezember 2014, die bis dahin weder beim Landesgericht Innsbruck noch bei der Staatsanwaltschaft eingelangt war (ON 28). Darin erhob der Beschuldigte persönlich zahlreiche Beschwerden, darunter eine solche gegen die Verhängung der Untersuchungshaft, und stellte überdies den „Antrag auf Freilassung“ (ON 28 S 8). Bei einer am 2. Jänner 2015 bei Gericht eingelangten Mitteilung der Justizanstalt Innsbruck findet sich ein dort am 31. Dezember 2014 abgegebenes weiteres handschriftliches Ansuchen des Beschuldigten vom 30. Dezember 2014 um sofortige Haftentlassung (ON 39 S 1, 5).
Zwar befindet sich im vorliegenden (Kopien‑)Akt keine richterliche Verfügung über die Anberaumung einer Haftverhandlung, eine solche war nach der Aktenlage aber spätestens am 5. Jänner 2015 für den 7. Jänner 2015 erfolgt (vgl den darauf bezugnehmenden Amtsvermerk und die Übersendungsnote der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 5. Jänner 2015 ‑ ON 1 S 14). Zu Beginn dieser Haftverhandlung erklärte der Beschuldigte, seinen Enthaftungsantrag „gerichtet an die Leitung der JA“ (gemeint: Justizanstalt) zurückzuziehen, woraufhin die Haftprüfungsverhandlung von Amts wegen fortgesetzt wurde (ON 48). Nachdem der Beschuldigte den Haftrichter unmittelbar danach als befangen abgelehnt hatte, wurde die Haftprüfungsverhandlung auf den 9. Jänner 2015 vertagt (ON 1 S 17; ON 48 S 2). Diese sollte nach Entscheidung des Präsidenten des Landesgerichts Innsbruck vom 7. Jänner 2015, AZ 20 Ns 2/15x, wonach der zuständige Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck nicht ausgeschlossen sei (ON 47), am 9. Jänner 2015 auch durchgeführt werden (ON 52). Allerdings hatte der Beschuldigte laut Aktenvermerk aus der Justizanstalt Innsbruck vom 9. Jänner 2015 die Vorführung zu dieser Verhandlung mit der Begründung verweigert, er hätte „seine Enthaftungsanträge“ zurückgezogen (ON 51). Der Verteidiger erklärte daraufhin, dass nicht auf die Durchführung einer Haftprüfungsverhandlung verzichtet werde, woraufhin diese neuerlich - auf den 13. Jänner 2015 - vertagt wurde (ON 1 S 18; ON 52). Nachdem zwischenzeitig das Oberlandesgericht Innsbruck mit - dem Verteidiger noch am selben Tag zugestellten (ON 1 S 20 f; ON 56 aE) - Beschluss vom 12. Jänner 2015, AZ 11 Bs 1/15g (ON 56), der Beschwerde des Beschuldigten gegen die Verhängung der Untersuchungshaft mit der Maßgabe nicht Folge gegeben hatte, dass der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 StPO zu entfallen habe und seinerseits die über Andrzej S***** verhängte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO (mit Wirksamkeit bis 12. März 2015) fortgesetzt hatte, wurde mit Verfügung des Haft‑ und Rechtsschutzrichters vom 12. Jänner 2015 die für den folgenden Tag vorgesehene Haftprüfungsverhandlung abberaumt (ON 1 S 20).
Rechtliche Beurteilung
Mit gegenständlicher am 20. Jänner 2015 erhobener Grundrechtsbeschwerde (ON 81) macht der Beschuldigte einen Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen geltend und behauptet, sich mangels gesetzeskonformer Festnahme gesetzwidrig in Untersuchungshaft zu befinden.
Soweit die Beschwerde eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 176 Abs 1 Z 2, 177 Abs 1 StPO) bei Entscheidung über den Enthaftungsantrag „vom 23. Dezember 2014“ durch die Verfügung des Haft- und Rechtsschutzrichters auf Abberaumung der ursprünglich für 2. Jänner 2015 vorgesehenen Haftverhandlung releviert, ist sie jedenfalls verspätet (§ 4 Abs 1 GRBG), weil dem Verteidiger diese Verfügung bereits am 31. Dezember 2014 kundgemacht (§§ 81 Abs 1, 83 Abs 2, 83 Abs 4 erster Satz StPO) worden war (ON 1 S 13; ON 29).
Im Übrigen handelt es sich dabei um eine Verfügung, die sich bloß mittelbar auf das betroffene Grundrecht auswirkt, weil sie nicht aktuell über die Verhängung oder Fortsetzung des Freiheitsentzugs abspricht. Zur Bekämpfung solcher strafgerichtlicher Verfügungen hat der Betroffene darauf hinzuwirken, dass die aufgeworfene Frage (hier: Verhältnismäßigkeit der Haft aufgrund von behaupteten Verzögerungen bei der Entscheidung über einen Enthaftungsantrag) Gegenstand einer haftrelevanten Entscheidung wird (vgl Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 18, 25, 29 ff). Mit Grundrechtsbeschwerde kann er sie im Fall der darauffolgenden Haftprolongierung erst nach Erschöpfung des Instanzenzugs mittels Beschwerde gegen den Beschluss des Erstgerichts auf Fortsetzung der Untersuchungshaft (§ 1 Abs 1 GRBG) oder im Fall der Freilassung aus Anlass der die Freiheit beendenden Entscheidung oder Verfügung mit der Behauptung geltend machen, dass die Entscheidung oder Verfügung zu spät getroffen worden sei (§ 2 Abs 2 GRBG; vgl Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 36 ff, 46 f; § 2 Rz 17, 125 ff; s etwa 13 Os 57/10x).
Zum weiteren Vorbringen, der Beschuldigte befinde sich als Folge einer verspäteten Entlassung aus der (zu AZ 34 Hv 42/09t des Landesgerichts Salzburg) vollzogenen Strafhaft und unmittelbar daran anschließenden unrechtmäßigen Festnahme vom 18. Dezember 2014 gesetzwidrig in Untersuchungshaft („es fehlen die Voraussetzungen des § 174 Abs 1 erster Satz StPO“), weshalb diese sofort aufzuheben sei, bekämpft der Beschuldigte inhaltlich die Haft als solche und den in der Grundrechtsbeschwerde angesprochenen Beschluss des Erstgerichts auf Verhängung der Untersuchungshaft vom 19. Jänner 2015, ohne die in der Zwischenzeit ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 12. Jänner 2015 über seine Beschwerde gegen die Verhängung der Untersuchungshaft (AZ 11 Bs 1/15g; ON 56 in den Ermittlungsakten) auch nur zu erwähnen (zum Erfordernis genauer Bezeichnung der angefochtenen oder zum Anlass genommenen Entscheidung in der Grundrechtsbeschwerde vgl im Übrigen § 3 Abs 1 zweiter Satz GRBG). Da Gegenstand der Bekämpfung mit Grundrechtsbeschwerde immer nur die letztinstanzliche Entscheidung über die Haftverhängung oder Haftfortsetzung sein kann, ist die Beschwerde auch in diesem Punkt unzulässig (vgl Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 46 f).
Eine allenfalls verspätete Entlassung aus der Strafhaft kann von vornherein nicht mit Grundrechtsbeschwerde releviert werden (§ 1 Abs 2 GRBG; Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 52, 54).
Die vorliegende Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.
Über die als „Ergänzung der Grundrechtsbeschwerde“ bezeichnete (s dazu aber Kier in WK2 GRBG § 3 Rz 26), inhaltlich überdies gegen eine weitere gerichtliche Verfügung gerichtete, daher als neue Grundrechtsbeschwerde zu wertende nachträgliche Eingabe des Verteidigers vom 22. Jänner 2015 (ON 89 der HR‑Akten) wird gesondert entschieden werden.
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