OGH 11Os87/14z

OGH11Os87/14z3.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Dr. Tiefenthaler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Brigitte Z***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 27. Jänner 2014, GZ 10 Hv 60/10y‑95, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00087.14Z.0203.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen ‑ auch unbekämpft gebliebene Freisprüche von gleichartigen Vorwürfen enthaltenden ‑ Urteil wurde Brigitte Z***** des Verbrechens des (richtig:) gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie von 5. März 2004 bis 27. Februar 2009 in A***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, den jeweils diensthabenden Hauptkassier der V***** A***** reg. Gen.m.b.H. (im Folgenden: V*****) durch die Vorspiegelung, im Auftrag der im Folgenden genannten Kunden Bargeldbehebungen von deren bei dieser Bank eingerichteten Konten in nachgenannter Höhe vorzunehmen, wobei sie die dazu erforderlichen „Auszahlungsbelege“ mit ihrem Zeichen unterfertigte, darauf die Losungsworte anführte und teils die Unterschrift der Kunden fälschte, sohin teils unter Verwendung falscher Urkunden, zur Auszahlung von insgesamt 729.900 Euro verleitet, wodurch die betreffenden Bankkunden in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden, und zwar

1./ Georg R***** am 19. Februar 2009 30.000 Euro und am 20. Februar 2009 um 30.000 Euro;

2./ Ali M***** von 5. März 2004 bis 31. Oktober 2006 um insgesamt 151.000 Euro, wobei sie die Unterschrift des Genannten fälschte;

3./ Franziska K***** von 4. Juni 2007 bis 31. Dezember 2008 um insgesamt 84.400 Euro, wobei sie die Unterschrift der Genannten fälschte;

4./ Aloisia P***** am 7. Oktober 2008 und am 15. Dezember 2008 um insgesamt 25.000 Euro;

5./ Karl und Editha D***** von 11. Oktober 2007 bis 27. Jänner 2009 um insgesamt 12.000 Euro;

6./ Andrea D***** von 8. August 2007 bis 29. Dezember 2008 um insgesamt 9.000 Euro;

7./ Frieda S***** von 16. November 2007 bis 12. Juni 2008 um insgesamt 41.000 Euro;

8./ Theresia B***** am 23. Mai 2008 um 2.000 Euro;

9./ Heidrun Sc***** von 29. April 2004 bis 10. Februar 2009 um insgesamt 104.700 Euro;

10./ Winfried Bu***** von 20. September 2006 bis 24. September 2007 um insgesamt 28.000 Euro;

11./ Alexandra Sch***** am 23. August 2005 und am 25. August 2005 um insgesamt 45.000 Euro;

12./ Mathias und Christa C***** am 26. September 2007 um 7.000 Euro;

13./ Gertraud W***** von 6. Dezember 2006 bis 26. November 2008 um insgesamt 34.000 Euro;

14./ Otto A***** am 18. Februar 2005 und am 29. Dezember 2006 um insgesamt 30.000 Euro;

15./ Lore Di***** von 21. Mai 2008 bis 19. September 2008 um insgesamt 57.000 Euro;

16./ Mag. Christian und Lydia L***** am 17. April 2007 um 10.000 Euro, wobei sie die Unterschrift der Lydia L***** fälschte;

17./ Otto We***** am 26. und 27. Februar 2009 um insgesamt 29.800 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und lit b sowie Z 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

In ihren Verteidigungsrechten verletzt (Z 4) erachtet sich die Beschwerdeführerin durch die Abweisung (ON 94 S 36 f) ihres in der Hauptverhandlung am 28. Oktober 2013 (ON 88 S 85 f) zum Beweis dafür, dass „die von ihr vorgelegte Schadensaufstellung richtig ist“ und „der gesamte zum Stichtag 9. März 2009 offene Schadensbetrag […] vereinbarungsgemäß […] gutgemacht wurde, weshalb ihr tätige Reue zugute kommt“, gestellten und nach Erörterung mit dem beigezogenen Sachverständigen für Bankwesen (ON 88 S 89 f) aufrecht erhaltenen (ON 88 S 90) Antrags, eine „neuerliche Befundaufnahme zwecks Durchsicht der Tagesprimanota für den gesamten anklagerelevanten Zeitraum sowie die Durchsicht sämtlicher Kundenakten zu den anklagegegenständlichen Fakten 1./ bis 24./ im Beisein der Angeklagten und mit deren Mitwirkung durchzuführen“.

Der Antrag verfiel (schon deshalb) zu Recht der Ablehnung, weil es ihm an einer Begründung mangelt, weshalb die gewünschte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten ließe (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO; RIS‑Justiz RS0118444). Insbesondere legt er nicht dar, aus welchem Grund die ‑ wenn auch allenfalls als Kundenbetreuerin mit den betreffenden Geschäftsfällen befasst gewesene ‑ Angeklagte lediglich Schaltervorgänge wiedergebenden Auflistungen Querverweise entnehmen könnte, welche über die auch für den Sachverständigen wie für jedermann aus der weitgehenden Übereinstimmung von Geldein‑ und ausgängen ersichtlichen Auffälligkeiten hinausgehen.

Schon weil das Gericht ohnedies von fehlender Stichhaltigkeit der von der V***** vorgelegten Schadensaufstellung ausging (ON 94 S 37), kam es den zum Beweis für deren Unrichtigkeit gestellten Anträgen, der V***** und dem Sachverständigen die Vorlage der „bankaufsichtlichen Prüfberichte von 2002 bis 2009“ und des „Berichts der Finanzmarktaufsicht“ (ON 88 S 86 f, S 90 f) sowie der V***** die Ausarbeitung und Vorlage von „Gesamtvermögensaufstellungen“ der betroffenen Kunden (ON 88 S 87) „aufzutragen“, zu Recht nicht nach (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO). Darüber hinaus enthielt der Antrag kein Vorbringen zur ‑ vom Sachverständigen im Übrigen verneinten (ON 88 S 91 f) ‑ Relevanz der genannten Berichte für die Schadensberechnung (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO). Ebensowenig legte er dar, weshalb die V***** in der Lage sein sollte, über das Gesamtvermögen ihrer Kunden Auskunft zu geben.

Das die Beweisanträge ergänzende Rechtsmittelvorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).

Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) hat das Erstgericht die Annahme gewerbsmäßiger Absicht ‑ frei von Verstößen gegen Gesetze der Logik oder grundlegende Erfahrungssätze ‑ aus der oftmaligen Tatwiederholung innerhalb eines Zeitraums von mehreren Jahren abgeleitet (US 17). Kein Widerspruch (inhaltlich Z 5 dritter Fall) besteht zwischen dieser und der Konstatierung des ‑ überdies weder schuld‑ noch subsumtionsrelevanten (RIS‑Justiz RS0088761) ‑ Tatmotivs, mit dem erzielten kriminellen Gewinn die drohende Zwangsversteigerung des Elternhauses der Angeklagten abzuwenden sowie dieses zu renovieren und umzubauen (US 5 f), weil von einer betragsmäßigen Begrenztheit des angestrebten Deliktserfolgs, die Gewerbsmäßigkeit allerdings ausschlösse (Jerabek in WK2 StGB § 70 Rz 8), hier schon mangels Absehbarkeit eines zeitlichen und finanziellen Horizonts dieser Vorhaben (vgl US 6: „Fass ohne Boden“) nicht die Rede ist.

Dem weiteren Einwand der Mängelrüge (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider steht die vom Sachverständigen getroffene Aussage, aufgrund von Organisationsmängeln seien auch andere Mitarbeiter der Bank im Gelegenheitsverhältnis gestanden (ON 65 S 53 f), den ‑ mängelfrei auf das (anfänglich umfassende) Geständnis der Angeklagten gestützten (US 13) ‑ Feststellungen zur Schadenshöhe nicht erörterungsbedürftig entgegen.

Mit Kritik an Überlegungen des Schöffengerichts zu den Gründen für die widersprüchliche Verantwortung der Angeklagten zur Höhe der Schadensbeträge sowie an den auf dem Gutachten des Sachverständigen beruhenden Erwägungen der Tatrichter zum Ausmaß der Schadensgutmachung zeigt die Beschwerde keine formalen Begründungsmängel auf, sondern bekämpft bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Das ‑ der Sache nach Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) behauptende ‑ Vorbringen, in der von der Angeklagten vorgelegten Schadensaufstellung sei (in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Buchungsbeleg) eine ‑ vom Erstgericht unerörtert gebliebene ‑ Rückzahlung von 60.000 Euro am 9. März 2009 auf das Konto der Lore Di***** (Schuldspruch 15./) verzeichnet, trifft nicht zu. Denn danach (Beilage ./20/4 in Beilage./19 zu ON 69) wurde die (einzige) Rückzahlung eines solchen Betrags an die Genannte bereits am 13. Mai 2008 geleistet, nachdem sich die Angeklagte von deren Konto zuvor in mehreren Angriffen insgesamt 57.000 Euro hatte auszahlen lassen, während die vom Schuldspruch 15./ (allein) erfassten sechs weiteren Geldbehebungen im (das „Guthaben“ von 3.000 Euro berücksichtigenden) Gesamtausmaß von (abermals) 57.000 Euro erst nach diesem Zeitpunkt vorgenommen wurden (US 11).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) offenbar einen Feststellungsmangel (zum Begriff Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600 ff) in Bezug auf eine von der Angeklagten behauptete irrtümliche Annahme der Zustimmung Georg R*****s zur Behebung von insgesamt 60.000 Euro (Schuldspruch 1./) geltend machen will, ignoriert sie die ‑ dem entgegenstehende ‑ Konstatierung, wonach die Nichtigkeitswerberin (auch) diese Auszahlungen mit Betrugsvorsatz erwirkte (US 11 f), und versäumt damit die gebotene Ausrichtung nach der Verfahrensordnung (RIS‑Justiz RS0099810 [T6]).

Nach den weiteren ‑ teils disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffenen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584) ‑ Feststellungen des Schöffengerichts beruhte die vom Schuldspruch erfasste Faktenmehrheit auf einem einheitlichen Willensentschluss der Angeklagten (US 33; dazu Kirchbacher in WK2 StGB § 167 Rz 68 ff), die zwischenweilig wenn auch weitgehend, so doch bis zur Urteilsfällung nur teilweise ‑ und überdies teils mit „malversierten Geldern“ (dazu RIS‑Justiz RS0098991) ‑ Schadensgutmachung geleistet hat (US 7, 11, 33 f).

Indem das übrige ‑ die Strafbarkeit aufhebende tätige Reue hinsichtlich jener Schuldspruchfakten, zu denen das Schöffengericht von vollständiger Schadensgutmachung ausging, reklamierende sowie Konstatierungen zum Ausmaß des bis zum (für die rechtliche Annahme des genannten Strafaufhebungsgrundes nach § 167 Abs 2 StGB einzig maßgeblichen) Zeitpunkt der Kenntnis der Behörde vom Verschulden der Angeklagten geleisteten Schadenersatzes und dazu, welchen Schuldspruchpunkten welche Rückzahlungen zuzuordnen seien, vermissende ‑ Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit b) diese Feststellungen teils übergeht, teils beweiswürdigend durch eigene Auffassungen ersetzt, bringt es den geltend gemachten (materiellen) Nichtigkeitsgrund ebensowenig zu gesetzmäßiger Ausführung (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 593).

Das - auf jener prozessordnungswidrigen Kritik aufbauende - Argument der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall), die Tatrichter hätten in Anwendung des „§ 32 Abs 3 StPO“ die Strafe „in Relation zur Größe der Schädigung“ ausgemessen, die sie irrig mit insgesamt 729.900 Euro anstatt mit (nach Abzug jener Beträge, in Ansehung derer die Rechtsrüge Straffreiheit behauptet, restlichen) 59.334,27 Euro beziffert hätten, versagt im Übrigen auch deshalb, weil das Schöffengericht die (in tatsächlicher Hinsicht festgestellte) Höhe des Schadens beim Strafbemessungsvorgang gar nicht berücksichtigt hat (US 34; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 706 ff).

Entgegen dem weiteren Einwand qualifiziert rechtsfehlerhafter Strafbemessung (Z 11 dritter Fall) durch Bildung einer „hypothetischen Freiheitsstrafe“, von der „für einen der Milderungsgründe“ ein „Abzug“ vorgenommen worden sei, hat das Erstgericht den durch die ‑ soweit sie nicht von der Angeklagten oder deren Verteidiger zu vertreten war ‑ als strafmildernd gewertete unverhältnismäßig lange Dauer des Verfahrens (§ 34 Abs 2 StGB) bewirkten Grundrechtsverstoß (Art 6 Abs 1 MRK) zutreffend durch eine rechnerisch spezifizierte Strafmaßreduktion ausgeglichen (RIS‑Justiz RS0114926 [T3], RS0125374).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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