European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00142.14P.0203.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen ‑ auf dem Wahrspruch der Geschworenen, die die ihnen anklagekonform gestellte Hauptfrage bejaht hatten, beruhenden ‑ Urteil wurde der Angeklagte Salambek M***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 14. Jänner 2014 in F***** seine Lebensgefährtin Maga. Ute G***** vorsätzlich getötet, indem er sie zunächst mit seinen Händen am Hals würgte, sodann ihren Kopf mit der Stirn gegen die Bettkante schlug und danach ihr Gesicht so lange kraftvoll in die Matratze presste, bis sie keine Luft mehr bekam und infolge Sauerstoffmangels erstickte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5, 6 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Mittels Verfahrensrüge (Z 5) bemängelt der Beschwerdeführer die Weigerung des Vorsitzenden, eine bestimmte Äußerung eines Mitglieds des Schwurgerichtshofs während der Ausübung des Fragerechts an den gerichtsmedizinischen Sachverständigen durch die Verteidigung in das Protokoll über die Hauptverhandlung aufzunehmen.
Lehnt jedoch der Vorsitzende ‑ wie im gegenständlichen Fall behauptet (ON 104 S 9; ON 105 S 7 f und 21) - die begehrte Protokollierung unter Missachtung seiner fehlenden Berechtigung zur abweislichen Entscheidung über diesen Antrag (vgl §§ 238 Abs 2, 302 Abs 1 StPO) ab und unterlässt es der Beschwerdeführer, eine Entscheidung des Schwurgerichtshofs zu begehren, steht ihm die Verfahrensrüge nicht offen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 318; Danek, WK-StPO § 238 Rz 1 und § 271 Rz 6). Dass in der Hauptverhandlung ein solcher, die Entscheidung gerade des Schwurgerichtshofs anstrebender Antrag gestellt worden wäre, ist dem Protokoll über die Hauptverhandlung nicht zu entnehmen (ON 96 S 61) und wird zudem weder im Antrag auf Protokollberichtigung (ON 104 S 7) noch in der Nichtigkeitsbeschwerde (ON 105 S 7 f) behauptet, weshalb das Rechtsmittel ins Leere geht.
Bleibt anzumerken, dass die Erörterung des Gutachtens des Sachverständigen der Gerichtsmedizin in der Hauptverhandlung breiten Raum (ON 96 S 49-67) einnahm und für die Verteidigung auch nach der im Protokoll ausgewiesenen Debatte über die Kritik der Verteidigung an zwischen Mitgliedern des Schwurgerichtshofs geführten Gesprächen (ON 96 S 61) noch umfassende und auch genutzte Möglichkeit zur weiteren Befragung des Sachverständigen bestand.
Gegenstand der Fragenrüge (Z 6) ist die Geltendmachung der Verletzung einer der in §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften. Deren gesetzeskonforme Ausführung erfordert die deutliche und bestimmte Bezeichnung jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen. Prozessförmig vorgebrachte Kritik am Unterlassen von Eventualfragen muss sich demnach auf ein entsprechendes Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung, nämlich ein (vom in der Haupt-frage ‑ § 312 Abs 1 StPO ‑ beschriebenen) abweichendes Tatgeschehen berufen, welches die Subsumtion des Prozessgegenstandes unter eine (oder mehrere) andere als jene strafbare Handlung zur Folge hätte, auf die sich die Hauptfrage bezog, darüber hinaus jene strafbaren Handlungen nennen, nach denen eventualiter hätte gefragt werden sollen, und (erforderlichenfalls) den Bezug zu der der angestrebten Frage zu Grunde liegenden rechtlichen Kategorie methodengerecht herstellen (vgl RIS-Justiz RS0117447, RS0119417; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23, 43).
Diesen Erfordernissen wird die eine Eventualfrage nach dem Verbrechen der (vorsätzlichen) Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB anstrebende Beschwerde nicht gerecht, weil sie in ihrer Argumentation - der Angeklagte habe das Opfer im Zuge einer Auseinandersetzung am Hals gepackt, dadurch (durch Zufügung eines Bruchs der Schildknorpelhörner verbunden mit Blutungen im inneren Halsbereich) am Körper verletzt und durch diese Handlung wegen der schlechten Gesamtkonstitution der Frau fahrlässig einen tödlichen „Infarkt“ ausgelöst - wesentliche Teile der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung ausklammert und auch das mündlich erörterte Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen protokollwidrig zitiert. Durch die Einlassung des Angeklagten, er habe Maga. Ute G*****, ein paar Sekunden am Hals „zurückgehalten“, um ihren Ohrfeigen zu entgehen, diese sei daraufhin bloß bewusstlos geworden, er habe sie in weiterer Folge in das Bett gelegt und könne sich „an den Rest“ nicht mehr erinnern (ON 96 S 9 f), auch bei der Polizei habe er nicht gewusst, was geschehen war (ON 96 S 13), ist die angestrebte Eventualfrage nämlich gar nicht indiziert.
Die in der Beschwerde behaupteten Ausführungen des Sachverständigen, wonach die hochgradige Asthma-Erkrankung verbunden mit dem schlechten Allgemeinzustand des Opfers als Todesursache medizinisch gesehen nicht auszuschließen sei, sind aktenfremd wiedergegeben, zumal der Experte die Möglichkeit einer solchen Todesursache im konkreten Fall aufgrund der Gesamtschau des Verletzungsbildes ebenso verneinte wie einen plötzlichen Herztod (ON 96 S 55, 59, 61, 63) und wiederholt darlegte, dass nach dem eindeutigen Obduktionsbefund ein gewaltsamer Tod durch Ersticken zufolge einer mehrere Minuten andauernden Kombination eines Würgevorgangs, eines Zurückzerrens des Kopfes und eines heftigen Niederdrückens des Gesichts gegen eine weiche Unterlage vorliegt und es keinerlei Anhaltspunkte für eine andere Todesursache gibt (ON 15 S 15 ff; ON 67 S 7; ON 96 S 51, 55 f, 61 ff, 67). Aufgrund des Obduktionsbefundes seien neben einem Würgevorgang mit Abschluss der abführenden Gefäße im Halsbereich auch sämtliche anderen Möglichkeiten, die zu den an der Leiche vorgefundenen gravierenden Stauungsblutungen im Hals-Kopfbereich samt Verletzung der Schildknorpelhörner führten, auszuschließen (ON 96 S 49 f, 59 ff). Somit indizierte auch die bezogene Expertise keine Fragestellung in die angestrebte Richtung.
Die Tatsachenrüge (Z 10a) ortet erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen aufgrund - aus Sicht des Beschwerdeführers - „beweiswürdigender“ Erwägungen des Sachverständigen, die vom Gericht zufolge der im Rahmen der Verfahrensrüge angesprochenen (nicht protokollierten) Äußerung eines Mitglieds des Schwurgerichtshofs „nicht nur nicht verhindert, sondern […] gefördert“ worden seien, sowie aufgrund einer Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit, weil der Sachverständige auch schon im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft beigezogen worden sei.
Da in der Hauptverhandlung ein Antrag auf Enthebung (Nichtbeiziehung) des bereits im Ermittlungsverfahren tätig gewesenen Sachverständigen nicht gestellt wurde, über den das Gericht allenfalls unter Anwendung des § 126 Abs 4 letzter Satz StPO zu entscheiden gehabt hätte, kommt dieser Bestimmung fallbezogen keine für die in der Nichtigkeitsbeschwerde begehrte Anrufung des Verfassungsgerichtshofs erforderliche Präjudizialität zu. Soweit in Form einer Aufklärungsrüge (Z 10a) Mängel der Sachverhaltsermittlung (hier: Unterlassung der amtswegigen Beiziehung eines anderen Sachverständigen) gerügt werden sollen, macht der Beschwerdeführer (auch in seiner Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur) nicht klar, wodurch er an der Ausübung seines Rechts gehindert war, die vermisste Vorgangsweise sachgerecht zu beantragen (RIS‑Justiz RS0115823).
Weiters vermag auch die Kritik an der Expertise des in der Hauptverhandlung beigezogenen Sachverständigen keine erheblichen Bedenken zu erwecken, zumal dieser Befund und Gutachten zur Todesursache der Maga. Ute G***** zu erstatten hatte (vgl ON 5), lediglich diesem Auftrag nachkam und in seinen gutachterlichen (fachkundigen) Schlussfolgerungen einen natürlichen Tod ausschloss. Einem Sachverständigen nicht zukommende beweiswürdigende Erwägungen sind darin nicht zu erblicken.
Damit ist auch die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs vom 24. Oktober 2014, GZ 16 Hv 52/14s‑106, erledigt, weil § 271 Abs 7 fünfter Satz StPO ausdrücklich die bloß sinngemäße Geltung des § 270 Abs 3 zweiter bis vierter Satz StPO im Falle der Anfechtung eines gemäß § 271 Abs 7 zweiter Satz StPO ergangenen Beschlusses durch eine zur Ergreifung von Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde berechtigten Partei anordnet. Somit verfehlt die begehrte Protokolländerung (Protokollierung der Äußerung eines Mitglieds des Schwurgerichtshofs und der Ablehnung eines darauf gerichteten Begehrens durch den Vorsitzenden; ON 104) deren Zweck, nämlich die Sicherstellung des Rechtsmittelerfolgs (§ 270 Abs 3 zweiter Satz StPO), weil nur jenen angestrebten Protokolländerungen Bedeutung zukommt, welche für die prozessordnungsgemäße Ausführung des Rechtsmittels herangezogen werden können (RIS-Justiz RS0126057, RS0120683), die Nichtigkeitsbeschwerde aber auch ‑ wie bereits dargelegt ‑ im Falle der antragsgemäßen Protokollberichtigung erfolglos bleiben würde.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ wie schon die Generalprokuratur zutreffend ausführte ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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