OGH 1Ob224/14v

OGH1Ob224/14v23.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, Deutschland, vertreten durch die Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei O***** N*****, vertreten durch die Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wien, wegen Herausgabe (in eventu Feststellung), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2014, GZ 4 R 20/14m‑21, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 14. August 2013, GZ 46 Cg 22/12y‑17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00224.14V.1223.000

 

Spruch:

1. Der Antrag der klagenden Partei auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens wird zurückgewiesen.

2. Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die deutsche Klägerin begehrt von der österreichischen Beklagten die Herausgabe einer bestimmten Violine und stellt hilfsweise die Feststellungsbegehren, die Violine stehe in ihrem Sicherungseigentum (erstes Eventualbegehren), sowie, die Beklagte sei nicht Eigentümerin der Violine (zweites Eventualbegehren).

Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ließ die ordentliche Revision nicht zu und sprach nachträglich ergänzend aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige.

Rechtliche Beurteilung

In der außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin schloss nach deutschem Recht mit einer Schweizer GmbH als Kreditnehmerin im März 2003 zur Zwischenfinanzierung deren Handels mit hochwertigen Geigen einen Rahmenkreditvertrag und traf mit ihr im September 2003 eine Vereinbarung über die Sicherungsübereignung der verfahrensgegenständlichen Violine. Anlässlich der Unterfertigung dieser Vereinbarung befand sich das Instrument in Deutschland. Vereinbart wurde, dass die Übergabe des Sicherungsguts an die Rechtsvorgängerin der Klägerin dadurch ersetzt wird, dass es durch die GmbH sorgfältig verwahrt wird. Seit Anfang 2002 war die Violine an einen Konzertmeister eines österreichischen Orchesters verliehen und befand sich auch nahezu durchgehend bei diesem. Die Beklagte erwarb das Instrument im Juni 2006 von der GmbH. Im Kaufvertrag vereinbarten sie, dass er ausschließlich österreichischem Recht unterliege. Strittig ist, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin der GmbH nach deutschem Recht die Befugnis zur Weiterveräußerung im Rahmen des ordentlichen Geschäftsbetriebs erteilte.

2. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat nicht die Aufgabe, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten. Bei Maßgeblichkeit fremden Rechts kann allerdings dann eine erhebliche Rechtsfrage vorliegen, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt, eine im ursprünglichen Geltungsbereich des fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangehalten wurde oder hiebei grobe Subsumtionsfehler unterliefen, die aus Gründen der Rechtssicherheit richtiggestellt werden müssen (RIS‑Justiz RS0042948 [T3, T16, T21, T23]; RS0042940 [T3, T9]). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

3. Die Klägerin unterstellt ebenso wie das Berufungsgericht eine wirksame Sicherungsübereignung nach deutschem Recht. Bei einer solchen überträgt der Sicherungsgeber (hier die Schweizer GmbH) das Eigentum an einer oder mehreren Sachen zur Sicherung einer oder mehrerer Forderungen auf den Sicherungsnehmer (hier die Rechtsvorgängerin der Klägerin) mit der Abrede, dass dieser von dem ihm überlassenen Eigentum nur im Rahmen der Zweckbestimmung Gebrauch machen darf (Wiegand in Staudinger, BGB [2011] Anh zu §§ 921‑931 Rn 64). Die Eigentumsübertragung erfolgt durch Übereignung gemäß §§ 929‑931 BGB, wobei das ‑ hier vereinbarte - Besitzkonstitut gemäß § 930 BGB die Regel bildet (Wiegand aaO Rn 65).

Die Rechte und Pflichten des Sicherungsgebers richten sich grundsätzlich nach dem Sicherungsvertrag (Oechsler in MüKoBGB6 Anh zu §§ 929‑936 Rn 36). Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ist im Sicherungsvertrag grundsätzlich die Ermächtigung zur Weiterveräußerung sicherungsübereigneten Umlaufvermögens nach § 185 Abs 1 BGB erteilt. Dies gilt speziell im Rahmen einer Händlereinkaufsfinanzierung. Denn zwischen den Parteien wird in der Regel vorausgesetzt, dass der Sicherungsgeber seinen Geschäftsbetrieb nicht während der Laufzeit des Sicherungsvertrags einstellen, sondern aus dessen Erträgen den Kredit zurückführen soll. Das setzt eine entsprechende Ermächtigung voraus; diese wird im Zweifel stillschweigend erteilt (Oechsler aaO Rn 37 iVm Rn 2; Bayreuther in MüKoBGB6 BGB § 185 Rn 28; ebenso in einer Strafsache BGH 4 StR 376/04 = BeckRS 2005, 08268 = NStZ 2005, 566 und 631 mwN). Enthält ein sicherungsübereignetes Warenlager Sachen, die wirtschaftlich dazu bestimmt sind, veräußert zu werden, wird eine solche Ermächtigung vermutet. Der Sicherungsgeber ist in diesem Fall auch ohne besondere ausdrückliche Gestattung ermächtigt, die Sache im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb im eigenen Namen zu veräußern (Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts‑Handbuch4 [2011] § 95. Sicherungsübereignung Rn 86 f; BGH aaO).

Diese Grundsätze, von denen auch die Klägerin ausgeht, legte das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde. Es kam zum Ergebnis, dass weder im Rahmenkreditvertrag noch in der Vereinbarung über die Sicherungsübereignung eine Einschränkung des Rechts der Schweizer GmbH zum Weiterverkauf der Violine enthalten sei; vielmehr sei das Gegenteil der Fall, habe sich doch die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin eine Provision für den erfolgreichen Verkauf zusichern lassen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ausgehend von einer der Schweizer GmbH (stillschweigend) erteilten Befugnis zur Weiterveräußerung im Rahmen deren ordentlichen Geschäftsbetriebs die Beklagte derivativ Eigentum am Instrument erworben hatte, ist zumindest vertretbar.

Die Klägerin bestreitet nicht, dass die GmbH die Veräußerung des Instruments im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs vornahm. Nach den Feststellungen diente der der GmbH gewährte Kredit der Zwischenfinanzierung zwischen An‑ und Verkauf der Violine. Der Klägerin war das Geschäftsmodell des Weiterverkaufs bekannt. Nach dem Inhalt des Vertrags über die Sicherungsübereignung war sie berechtigt, eine der GmbH gesondert eingeräumte Befugnis, im Rahmen deren ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs über das Sicherungsgut zu verfügen, unter bestimmten Voraussetzungen zu widerrufen, und die Herausgabe des Sicherungsguts zu verlangen. Zwar enthält dieser Vertrag keine ausdrückliche Veräußerungsermächtigung, setzt aber eine solche ‑ hier stillschweigend erteilte ‑ voraus. Die Vereinbarung der Widerruflichkeit der Befugnis, über das Sicherungsgut zu verfügen, ist nur dann sinnvoll, wenn die GmbH im Rahmen der Händlereinkaufsfinanzierung tatsächlich zur Weiterveräußerung des sicherungsweise übereigneten Instruments ermächtigt war. Ansonsten hätte die Klausel keinen Anwendungsbereich, was nicht zu unterstellen ist. Das im Sicherungsvertrag zugunsten der Klägerin vereinbarte Verwertungsrecht, wenn die GmbH mit fälligen Zahlungen auf die gesicherten Forderungen im Verzug ist, hat keinen Bezug zur konkludent eingeräumten Verfügungsermächtigung. Warum zwei bei der Klägerin erlegte Echtheitszertifikate der Violine ein Beleg dafür sein sollen, dass das Sicherungsgut nur nach Rücksprache mit der Klägerin veräußert werden durfte, ist ‑ entgegen der Ansicht der Klägerin ‑ nicht recht verständlich. Die Beklagte erhielt nämlich beim Ankauf ebenfalls Echtheitszertifikate. Dabei handelt es sich um Expertisen, die das Instrument beschreiben und es einem bekannten Geigenbauer zuordnen. Dass die GmbH den Verkauf mit der Klägerin abzustimmen gehabt hätte, wurde gerade nicht vereinbart.

Wurde aber der GmbH von der Klägerin die Befugnis eingeräumt, den sachenrechtlichen Verfügungsakt im eigenen Namen vorzunehmen, erlangte die Beklagte (auch) nach dem auf die Übereignung nach § 31 IPRG zufolge der Übergabe am Flughafen Wien anzuwendenden österreichischen Recht das Eigentum am Instrument (vgl zum Eigentumserwerb aufgrund einer Verfügungsermächtigung des Verkäufers RIS‑Justiz RS0020340; RS0020345 [T1]; Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 1002 Rz 82 ff; Strasser in Rummel³ § 1002 ABGB Rz 4; Aicher in Rummel³ § 1063 ABGB Rz 98, § 1088 ABGB Rz 4; Schwarz, Miete vom Ermächtigungstreuhänder, JBl 2001, 166 f).

3. Da die Beklagte also aufgrund des Kaufvertrags mit der GmbH und der Übergabe des Instruments in Österreich ‑ wie dargelegt ‑ Eigentümerin wurde, stellen sich die von der Klägerin angeschnittenen weiteren Rechtsfragen nicht. Der diesbezüglich behauptete Verfahrensmangel des Berufungsgerichts ist ebenso wenig von Relevanz.

Die Klägerin stellte den Antrag, die Rechtssache dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen, sollte ihr in Deutschland begründetes besitzloses Sicherungseigentum an der Violine nach deren Verbringung nach Österreich nicht mehr bestehen. Fragen der Wirksamkeit des Sicherungseigentums bei einem Wechsel des Lageorts sind aber für die rechtliche Beurteilung nicht relevant, sodass es keiner Klärung einer Auslegungsfrage des Unionsrechts bedarf. Da eine Prozesspartei nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch hat, die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zu beantragen, ist der Antrag der Klägerin zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0058452 [T5, T14, T21]).

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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