OGH 3Ob223/14m

OGH3Ob223/14m18.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A*****, vertreten durch Mag. Willibald Berger, Rechtsanwalt in Marchtrenk, gegen die beklagten Parteien 1. S*****, 2. V*****, und 3. L*****, alle *****, drittbeklagte Partei vertreten durch die Mutter Dr. K*****, wegen Nichtigerklärung der Verfahren AZ 4 C 66/07b des Bezirksgerichts Wels sowie AZ 21 R 8/09i und 21 R 101/10t je des Landesgerichts Wels, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 22. Oktober 2014, GZ 21 R 170/14w‑9, womit die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00223.14M.1218.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist der Vater der drei Beklagten. Er wurde im Verfahren AZ 1 P 30/04t des Bezirksgerichts Grieskirchen zu Geldunterhaltsleistungen für seine Kinder verpflichtet. Nachdem den drei Kindern zur Hereinbringung offener Unterhaltsbeiträge zu AZ 11 E 2271/07z des Bezirksgerichts Wels die Exekution bewilligt worden war, brachte der Vater zu AZ 4 C 66/07b des Bezirksgerichts Wels eine Oppositionsklage ein, die mit Teilurteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 22. April 2009, AZ 21 R 8/09i, und Endurteil des Bezirksgerichts Wels vom 18. Jänner 2010, GZ 4 C 66/07b‑60, bestätigt durch das Landesgericht Wels als Berufungsgericht mit Urteil vom 26. Jänner 2011, AZ 21 R 101/10t, abgewiesen wurde.

Am 25. Februar 2014 brachte der Kläger eine als „Nichtigkeitsklage § 529 ZPO“ bezeichnete Klage ein, die keine Unterschrift eines Rechtsanwalts aufweist. Die Richter, die im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren tätig gewesen seien, seien insofern ausgeschlossen gewesen, als über (im Verfahren gestellte) Delegierungsanträge nicht ordnungsgemäß nach § 31 JN bzw § 51 Abs 2 Geo entschieden worden sei. Die Erstrichterin und die Berufungsrichter hätten ‑ in Schädigungsabsicht ‑ Delegierungsanträge nicht entsprechend weitergeleitet und sie hätten auch nicht vor rechtskräftiger Entscheidung über die Delegierungsanträge in der Sache entscheiden dürfen. Die Erstrichterin sei aufgrund ihres Naheverhältnisses zur Rechtsvertreterin der Mutter der Kinder befangen gewesen, was sie aber nicht bekanntgegeben habe.

Das Landesgericht Wels (als seinerzeitiges Berufungsgericht) wies die Klage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Da nach § 532 ZPO das seinerzeitige Berufungsgericht für die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage in erster Instanz zuständig sei, bestehe gemäß § 533 ZPO für die Klage und das Verfahren absolute Anwaltspflicht. Wenn die Nichtigkeitsklage nicht durch einen Rechtsanwalt unterfertigt worden sei, könne ein Verbesserungsversuch unterbleiben, wenn die Rechtsmittelklage wegen Fehlens der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen zurückgewiesen werden müsse, was hier der Fall sei. Der Kläger mache nämlich keinen in § 529 Abs 1 ZPO genannten Nichtigkeitsgrund geltend. Der Kläger stütze seine Nichtigkeitsklage auf die Ausgeschlossenheit der Richter im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren; diese Ausgeschlossenheit sei darin begründet, dass die Richter entschieden hätten, ohne eine Entscheidung über vom Kläger eingebrachte Delegierungsanträge herbeigeführt zu haben. Ein in § 20 Abs 1 JN genannter Ausschließungsgrund werde nicht geltend gemacht. Eine Befangenheit eines Richters könne nur dann Nichtigkeit bewirken, wenn sie rechtskräftig festgestellt sei, was nicht der Fall sei. Des weiteren sei darauf hinzuweisen, dass zwischenzeitig der Oberste Gerichtshof den Delegierungsantrag des Klägers mit Beschluss vom 30. Juli 2014, AZ 3 Nc 22/14m, abgewiesen habe. In der Begründung der Entscheidung sei ausgeführt worden, dass ein Delegierungsantrag nicht auf Ablehnungsgründe, das Vorliegen von ungünstigen oder unrichtigen Entscheidungen oder auch auf Verfahrensverstöße des bisher zuständigen Gerichts gestützt werden könne. Die vom Kläger in den ihn betreffenden Verfahren immer wieder erhobenen ‑ meist in unsubstanziierten Beschimpfungen gipfelnden ‑ Vorwürfe gegen die Entscheidungsrichter, die er in ‑ erfolglose ‑ Ablehnungs- und Delegierungsanträge kleide, würden nicht zu einer Ausgeschlossenheit der im Oppositionsverfahren tätig gewesenen Richter iSd § 20 JN bzw des § 529 Abs 1 Z 1 ZPO führen. Da der Kläger mit seinen Behauptungen in der Nichtigkeitsklage keinen gesetzlichen Nichtigkeitsgrund geltend mache, sei die Klage gemäß § 538 Abs 1 ZPO schon im Vorprüfungsverfahren als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss (ersatzlos) aufzuheben und dem Landesgericht Wels die Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens aufzutragen. Als Rekursgründe werden unrichtige Sachverhaltsfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Der nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässige Rekurs des Klägers (RIS‑Justiz RS0043868 [T3]) ist nicht berechtigt.

Das Vorbringen im Rekurs lässt sich dahin zusammenfassen, dass es das Erstgericht unterlassen habe, in Bezug auf die Klage ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. So sei der in erster Instanz unvertretene Kläger auf die Anwaltspflicht hinzuweisen gewesen; außerdem wäre er inhaltlich anzuleiten gewesen, Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 529 ZPO und allfällige Wiederaufnahmegründe im Sinne der §§ 530 f ZPO auszuführen. Im Übrigen sei eine an der Entscheidung im Vorprozess beteiligte Richterin als rechtskräftig wegen Befangenheit ausgeschlossen anzusehen, was einen Nichtigkeitsklagegrund darstelle.

Dazu wurde erwogen:

1. Nur die Ausgeschlossenheit kraft Gesetzes, nicht die Befangenheit des erkennenden Richters ist in § 529 Abs 1 Z 1 ZPO als Nichtigkeitsklagegrund angeführt (RIS‑Justiz RS0041972 [T2], RS0042070 [T2]). Es muss also bei einem erkennenden Richter einer der im § 20 JN erschöpfend aufgezählten Ausschließungsgründe vorliegen (RIS‑Justiz RS0044390). In diesem Sinn kann eine Nichtigkeitsklage nicht auf die Behauptung einer noch nicht rechtskräftig festgestellten Befangenheit eines an der Entscheidung beteiligten Richters gestützt werden (RIS‑Justiz RS0041974 [T5]). Selbst eine Entscheidung durch einen schon rechtskräftig abgelehnten Richter kann nicht mit Nichtigkeitsklage bekämpft werden (RIS‑Justiz RS0041974 [T3]), weil ein Mangel dieser Art mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung heilt (RIS‑Justiz RS0041974).

1.1. Einen gesetzlichen Ausschließungsgrund (§ 20 JN) macht der Rekurswerber weder in der Klage noch in seinem Rechtsmittel geltend. Vielmehr beruft er sich durchwegs nur auf Ablehnungsgründe.

1.2. Soweit der Rekurswerber in diesem Zusammenhang einen Mangel des Verfahrens sieht, weil er nicht zur Konkretisierung des Nichtigkeitsklagegrundes angeleitet worden sei, legt er nicht dar, welches Vorbringen er im Fall einer Anleitung erstattet hätte und welche anderslautende Entscheidung in diesem Fall zu erwarten gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0037325 [T5]). Es ist auch nicht erkennbar, welcher Grund einen Ausschließungsgrund darstellen könnte, der zu einer entsprechenden Anleitung Anlass geben hätte können.

2. Im Rekurs bemängelt der Kläger unter Punkt 2. auch, dass er zur Verbesserung seiner Klage anzuleiten gewesen wäre, um „allfällige Wiederaufnahmegründe“ im Sinne der §§ 530 und 531 ZPO zu konkretisieren. Solche Wiederaufnahmegründe werden allerdings in den weiteren Rechtsmittelausführungen nicht weiter erwähnt.

2.1. Angesichts des Klagevorbringens könnte als Wiederaufnahmegrund nur jener nach § 530 Abs 1 Z 4 ZPO in Betracht kommen. Der Kläger wirft den entscheidenden Richtern die in Schädigungsabsicht vorgenommene Nichtvorlage von Delegierungsanträgen vor, implizit also (möglicherweise) eine strafgesetzwidrige Amtspflicht-verletzung. Eine solche ist aber nicht erkennbar, boten doch die Anträge des Klägers keinen Anlass zu einer Delegierung (vgl 1 Nc 19/14f; 1 Nc 27/14g). Im Übrigen erfüllt der bloße Verdacht einer strafbaren Handlung für sich allein nicht den Tatbestand des § 530 Abs 1 Z 4 ZPO (4 Ob 14/11d).

2.2. Auch in diesem Zusammenhang unterlässt es der Kläger, in seinem Rechtsmittel die Erheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels darzulegen, weil sich dem Rekurs nicht entnehmen lässt, welches Vorbringen er erstattet hätte, aus dem sich ein solcher (strafrechtlich relevanter) wissentlicher Befugnismissbrauch durch die betreffenden Richter ergibt.

3. Zutreffend hat das Rekursgericht die Klage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurückgewiesen, ohne wegen der fehlenden Anwaltsunterschrift einen Verbesserungsversuch zu unternehmen (10 ObS 363/98z; 3 Ob 196/12p; siehe auch RIS‑Justiz RS0005946 [T3 und T5]).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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