OGH 5Ob188/14d

OGH5Ob188/14d16.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin A***** C*****, vertreten durch Günter Schneider, Mieter‑Interessens‑Gemeinschaft Österreichs, Antonsplatz 22, 1100 Wien, gegen die Antragsgegnerin P***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Schaffer Sternad Rechtsanwälte OG in Wien, wegen §§ 16, 37 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. August 2014, GZ 38 R 106/14s‑48, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Das Erstgericht stellte den für die von der Antragstellerin gemietete Wohnung zulässigen Hauptmietzins ausgehend von einer Ausstattungskategorie A und unter Berücksichtigung von Zuschlägen gemäß § 16 Abs 2 MRG mit 224,08 EUR netto wertgesichert und die aus der für die Zeit vom 1. 6. 2009 bis 31. 3. 2012 erfolgten tatsächlichen Vorschreibungen resultierende Überschreitung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses fest. Ein Lagezuschlag gemäß § 16 Abs 2 Z 4 MRG gebühre nicht, weil das Wohnhaus, in dem sich das Bestandobjekt befinde, in einem Gründerzeitviertel liege.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung über Rekurs der Antragsgegnerin und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, der keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Ausschließliches Thema des Revisionsrekurses ist der von der Antragsgegnerin begehrte Zuschlag zum Hauptmietzins für die Wohnumgebung des Hauses gemäß § 16 Abs 2 Z 4 MRG. Die Antragsgegnerin vertritt dazu ‑ zusammengefasst ‑ die Ansicht, dass sich die Wohnumgebung des Hauses aufgrund der städtebaulichen Entwicklung von einem Gründerzeitviertel im Sinne des § 2 Abs 3 Richtwertgesetz zu einem solchen gewandelt habe, auf das diese Qualifikation nicht mehr zutreffe. Dabei stellt sie maßgeblich auf das Verhältnis der Flächen von Neubauten zu jenen von Gebäuden, die in den Jahren 1870 bis 1917 (der sogenannten Gründerzeit) errichtet wurden, bzw auf das Verhältnis der Anzahl der Bestandobjekte in Neubauten zu solchen, die sich in Gebäuden aus der Gründerzeit befinden, ab.

2. Gemäß § 16 Abs 4 MRG ist ein Zuschlag nach Abs 3 leg cit (also der Lagezuschlag) nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Wohnlage. Zur Definition, was unter durchschnittlicher Lage zu verstehen ist, verweist § 16 Abs 4 MRG auf § 2 Abs 3 Richtwertgesetz. Danach ist die durchschnittliche Lage nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen, wobei eine Lage (Wohnumgebung) mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Wohnungen der Ausstattungskategorie D) aufgewiesen hat, höchstens als durchschnittlich einzustufen. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits ausgesprochen, dass durch diese, auf die sogenannten Gründerzeitviertel hinweisende Bestimmung für Wiener Verhältnisse lediglich klargestellt werde, dass eine derartige Lage als durchschnittlich und daher als Merkmal einer Normwohnung zu qualifizieren sei. Daraus lasse sich jedoch noch nicht der Schluss ziehen, jegliche Lage außerhalb eines solchen Viertels sei bereits überdurchschnittlich (5 Ob 199/98w immolex 1999/58).

3. Die Antragsgegnerin zielt mit ihrem Rechtsmittel einzig darauf ab, dass die Wohnumgebung aufgrund von nach 1917 errichteten Wohngebäuden nicht (mehr) als Gründerzeitviertel im Sinne des § 2 Abs 3 Richtwertgesetz zu qualifizieren sei, ohne sonst Umstände darzulegen, die die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage erlauben würden. Allein die Relation der Nutzflächen in Neu- und Altbauten bzw der Anzahl der in solchen Gebäuden gelegenen Wohnungen lässt unabhängig von der Einordnung der Wohnumgebung als sogenanntes Gründerzeitviertel keinen Rückschluss auf eine Lage zu, die einen Zuschlag im Sinne des § 16 Abs 3 und Abs 4 MRG rechtfertigen könnte. Den Feststellungen lässt sich dazu vielmehr entnehmen, dass sich die Liegenschaft in einer durchschnittlichen bis guten Wohnlage befindet, wobei in der maßgeblichen Wohnumgebung die Anzahl der Häuser aus der Gründerzeit überwiegt. Bei dieser Sachlage stellt es keine nach den Umständen des Einzelfalls (vgl dazu 5 Ob 12/03f RIS‑Justiz RS0116132 [T2]; 5 Ob 117/05z) aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen dar, wenn diese einen Lagezuschlag und damit eine überdurchschnittliche Wohnlage verneinten.

4. Auf die von der Antragstellerin gegen § 2 Abs 3 Richtwertgesetz, insbesondere die Wortfolge „im Zeitpunkt der Errichtung“ vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken muss damit nicht mehr eingegangen werden.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Stichworte