OGH 10Nc32/14h

OGH10Nc32/14h12.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj *****, geboren am *****, wegen § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100NC00032.14H.1212.000

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom 11. 8. 2014, GZ 16 PU 84/13w‑91, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Bad Ischl wird nicht genehmigt.

 

Begründung:

Mit der Obsorge für die Minderjährige ist die Mutter allein betraut. Das Land Steiermark als Kinder- und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Liezen) vertritt das Kind zur Durchsetzung dessen Unterhaltsansprüche.

Mit dem unbekämpft gebliebenen Beschluss vom 11. 8. 2014 übertrug das Bezirksgericht Liezen seine Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Bad Ischl, in dessen Sprengel der Lebensmittelpunkt der Minderjährigen liege, weil sie dort das Gymnasium besuche, die Mutter eine Arztpraxis betreibe und eine Wohnung gemietet habe.

Mit Beschluss vom 14. 10. 2014 lehnte das Bezirksgericht Bad Ischl die Übernahme der Zuständigkeit ab, weil der gewöhnliche Aufenthalt bzw der Lebensmittelpunkt der Minderjährigen und ihrer Mutter nach wie vor im Sprengel des Bezirksgerichts Liezen liege, wo sie mit dem Lebensgefährten, mit dem die Mutter ein elf Monate altes Kind habe, wohnten, die Wochenenden von Freitag abends bis Montag früh und auch weitere zwei oder drei Nächte der Woche verbrächten. Die Wohnung im Sprengel des Bezirksgerichts Bad Ischl habe die Mutter nicht gemietet, um den gewöhnlichen Aufenthalt zu verlegen, sondern um dort zeitweise zu übernachten und um ihnen insbesondere bei schlechter Witterung den Alltag zu erleichtern.

Gegen diesen Beschluss erhob der Vater Rekurs.

Rechtliche Beurteilung

Das Bezirksgericht Liezen legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vor.

1. Wenn es im Interesse eines Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen (§ 111 Abs 1 JN). Die Übertragung wird wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit übernimmt. Im Falle der Weigerung des anderen Gerichts bedarf die Übertragung zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der beiden Gerichte zunächst übergeordneten Gerichtshofs, dies ist im vorliegenden Fall der Oberste Gerichtshof.

2. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht, das die Übernahme der Zuständigkeit verweigert, hierüber nicht formell Beschluss fassen muss (RIS‑Justiz RS0047011), sodass es auf die Rechtskraft des ablehnenden Beschlusses nicht ankommt (9 Nd 513/00), also der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ein nicht erledigter Rekurs gegen einen die Übernahme verweigernden Beschluss nicht entgegen steht.

3. Ausschlaggebendes Kriterium einer Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN ist stets das Kindeswohl. Dabei ist in der Regel das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung, sodass im Allgemeinen jenes Gericht am besten geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (RIS‑Justiz RS0047074 insb [T7]).

4. Im vorliegenden Fall kann nach der Aktenlage nicht davon ausgegangen werden, dass die Minderjährige ihren Lebensmittelpunkt in den Sprengel des Bezirksgerichts Bad Ischl verlegt hätte, in dem sie bloß die Schule besucht und ein oder zwei Nächte einer Woche verbringt.

5. Es ist nicht erkennbar, welcher Vorteil für die Minderjährige, die unverändert ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel des Bezirksgerichts Liezen hat, in einer Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Bad Ischl gelegen sein könnte.

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