European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00140.14Y.1203.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hans H***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) sowie des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III./) schuldig erkannt.
Danach hat er in S*****
I./ am 11. April 2014 mit der am 3. April 2006 geborenen, somit unmündigen Victoria Ha***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er ihr einen Finger in die Vagina einführte;
II./ zwischen Herbst 2013 und Anfang April 2014 in wiederholten Angriffen (außer dem Fall des § 206 StGB) an der Genannten durch Betasten ihres Vaginalbereichs über der Bekleidung geschlechtliche Handlungen vorgenommen;
III./ durch die zu I./ beschriebene Tathandlung mit der seiner Aufsicht unterstehenden Minderjährigen unter Ausnützung seiner Stellung eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
Ausschließlich gegen den Schuldspruch III./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und „9a“ gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Eine vom Nichtigkeitswerber relevierte Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) läge vor, wenn den Feststellungen des Urteils nicht klar zu entnehmen wäre, welche entscheidenden Tatsachen das Gericht sowohl auf der objektiven als auch auf der subjektiven Tatseite als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschah (RIS‑Justiz RS0089983; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 419). Was an den zum Schuldspruch III./ getroffenen Konstatierungen, wonach der Angeklagte nicht bloß eine sich ihm bietende günstige Gelegenheit, sondern das ihm seitens der Kindesmutter eingeräumte faktische Aufsichtsverhältnis über die Unmündige ausnützte, um an dieser die beischlafsähnliche Handlung zu setzen (US 6), undeutlich sein sollte, bleibt offen.
Dem Vorwurf unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite betreffend das Ausnützen eines Autoritätsverhältnisses (US 7) zuwider ist der Schluss von den vom Angeklagten zugestandenen äußeren Umständen (auch betreffend die Ausübung der Aufsicht über das Mädchen) auf dessen Wissen und Wollen (US 10) keineswegs unstatthaft, sondern ohne weiteres vertretbar (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452).
Soweit sich die Beschwerde gegen die rechtliche Unterstellung (auch) unter § 212 Abs 1 Z 2 StGB wendet (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) und hinreichende Feststellungen zur Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses vermisst, legt sie ‑ auch unter Berufung auf die Entscheidung 11 Os 39/04 ‑ nicht dar, weshalb nur derjenige Täter seine Stellung gegenüber dem Opfer ausnützen sollte, der seine Autorität einsetzt, um den anders gearteten Willen der geschützten Person ‑ etwa durch Überredung, Fordern, Versprechungen usw ‑ so zu beeinflussen, dass diese die geschlechtliche Handlung setzt oder an sich geschehen lässt (vgl RIS‑Justiz RS0095266). Solcherart wird nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet, weshalb es für die Subsumtion nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB nicht gleichermaßen hinreichen sollte, dass der Täter ‑ wie hier ‑ ein sich ihm erst durch die Stellung als Aufsichtsperson eröffnetes Abhängigkeitsverhältnis dazu benützt, das ihm in Alleinobhut übergebene achtjährige Kind in die Räumlichkeiten des L***** S***** zu verbringen (US 6, 10 und 12) und so die Tatsituation entstehen zu lassen (vgl RIS‑Justiz RS0095178, Philipp in WK² StGB § 201 Rz 50; Fabrizy, StGB11 § 212 Rz 10).
Soweit der Rechtsmittelwerber einen Freispruch vom Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnises nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB begehrt, verkennt er im Übrigen, dass ein Freispruch von der rechtlichen Kategorie dem Gesetz fremd ist (Lendl, WK‑StPO § 259 Rz 1).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)