OGH 9Nc29/14k

OGH9Nc29/14k27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, sowie die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn und den Hofrat Dr. Hargassner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der 1. mj L***** E*****, geboren am ***** 2000, und 2. mj E***** E*****, geboren am ***** 2010, beide *****, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0090NC00029.14K.1127.000

 

Spruch:

Der Akt wird dem Bezirksgericht Reutte zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Vater beantragte am 21. 8. 2014 beim Bezirksgericht Scheibbs ua, ihm die alleinige Obsorge über die beiden im Spruch genannten ehelichen Kinder, sowie über das weitere eheliche Kind J***** E*****, geboren am ***** 2002, zu übertragen.

Mit Beschluss vom 27. 8. 2014 sprach das Bezirksgericht Scheibbs aus, zur weiteren Führung „des Verfahrens“ nicht zuständig zu sein. Es überwies das Verfahren hinsichtlich der beiden im Spruch genannten Kinder gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Reutte, in dessen Sprengel die beiden genannten Kinder bereits im Zeitpunkt der Antragstellung ihren ständigen Aufenthalt gehabt hätten.

Das Bezirksgericht Reutte lehnte mit Beschluss vom 1. 10. 2014 die Übernahme der Zuständigkeit des Pflegschaftsverfahrens für die beiden im Spruch genannten Kinder ab und sprach aus, dass es zur Führung eines solchen Pflegschaftsverfahrens nicht zuständig sei. Die beiden im Spruch genannten Kinder hätten zum Zeitpunkt der Antragstellung im Sprengel des Bezirksgerichts Scheibbs gelebt, sodass das Verfahren zutreffend bei diesem nach § 109 Abs 1 JN zuständigen Gericht anhängig gemacht worden sei. Wenn daher das zuständige Bezirksgericht Scheibbs, das auch Erhebungen durchgeführt habe, die Rechtssache an das Bezirksgericht Reutte überweise, so handle es sich bei diesem Beschluss ungeachtet der Bezeichnung nicht um eine Übertragung gemäß § 44 JN, sondern tatsächlich um eine Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN. Eine solche liege hier jedoch nicht im Interesse der Kinder.

Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Das Bezirksgericht Reutte legte den Akt dem Obersten Gerichtshof mit der Bitte um Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit vor.

Eine Zustellung des Übertragungsbeschlusses des Bezirksgerichts Scheibbs an die Parteien erfolgte bisher nach der Aktenlage nicht.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Beschluss des Bezirksgerichts Scheibbs ist eindeutig als Überweisungsbeschluss gemäß § 44 JN bezeichnet. Dem Bezirksgericht Reutte kommt keine Befugnis zu, diesem zweifelsfrei erklärten Entscheidungswillen des überweisenden Gerichts ‑ den dieses mit Verfügung vom 29. 9. 2014 auch nochmals bekräftigte ‑ eine andere Bedeutung zu geben. Für die von ihm vorgenommene „Umdeutung“ des Überweisungsbeschlusses als Übertragungsbeschluss gemäß § 111 JN besteht keine Rechtsgrundlage (9 Nc 9/11i).

2. Das Bezirksgericht Reutte hat jedoch auch formal seine Unzuständigkeit ausgesprochen. Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN setzt voraus, dass die konkurrierenden Gerichte rechtskräftig ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über die selbe Rechtssache abgelehnt haben (RIS-Justiz RS0118692; RS0046299 [T1]). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, weil der Unzuständigkeits‑ und Überweisungsbeschluss des Bezirksgerichts Scheibbs bisher noch nicht an die Parteien zugestellt wurde.

Der Akt ist daher dem vorliegenden Bezirksgericht Reutte zurückzustellen, das die Zustellung des Überweisungsbeschlusses gemäß § 44 Abs 2 JN vorzunehmen haben wird.

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