European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0200OS00007.14A.1111.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte Dr. Wilfried W***** der Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er entgegen dem sich aus § 9 (Abs 1) RAO iVm § 2 RL‑BA 1977 ergebenden Verbot sachlich nicht gerechtfertigte Druckmittel gebrauchte.
Danach hat er als Rechtsvertreter von Mag. Daniel A***** und Lukas A***** in einem Schreiben an Dr. Wolfgang G*****, öffentlicher Notar in V*****, vom 13. Mai 2013 im Zusammenhang mit der Errichtung zweier Pfandurkunden mit der Einbringung einer Strafanzeige gedroht, falls eine Darlehensforderung von der Schuldnerin T***** GmbH nicht bis zum 16. Mai 2013 befriedigt werde.
Über den Disziplinarbeschuldigten wurde eine Geldbuße von 2.500 Euro verhängt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten, der der Kammeranwalt der OÖ Rechtsanwaltskammer entgegengetreten ist.
In seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld bestreitet der Berufungswerber, Notar Dr. G***** mit der Einbringung einer Strafanzeige gedroht zu haben. Vielmehr habe sich die Drohung gegen den Geschäftsführer der T***** GmbH gerichtet; Notar Dr. G***** hätte im Fall der Nichtzahlung lediglich zur Haftungsübernahme aufgefordert werden sollen. Der Disziplinarbeschuldigte sei auf Basis der Informationen seiner Klienten (die sich im Zusammenhang mit einer Darlehensgewährung wegen fehlender werthaltiger Sicherungen betrogen erachteten) von einem schwerwiegenden Aufklärungs- und Beratungsfehler des Notariatssubstituten ausgegangen. Der strafrechtliche Vorwurf könne sich nicht gegen Dr. G***** richten, weil dieser allenfalls zivilrechtlich, keinesfalls aber strafrechtlich einzustehen habe. Im Übrigen sei die Drohung mit einer Strafanzeige nur dann disziplinär, wenn die Mittel‑Zweckrelation unsachlich sei. Vorliegend habe er aufgrund der Informationen seiner Klienten nicht wissen können, dass der Vertrag tatsächlich nicht in der Notariatskanzlei des Dr. G*****, die im Falle der Vertragserrichtung auch Aufklärungspflichten gegenüber seinen Mandanten gehabt hätten, verfasst worden sei.
Im Ergebnis bekämpft der Disziplinarbeschuldigte dergestalt die ‑ disloziert getroffenen (ES 6) ‑ Feststellungen zum Bedeutungsinhalt (vgl dazu Fabrizy, StGB11 § 74 Rz 12b; 3 Bkd 5/06 [Empfängerhorizont]) des Schreibens, wonach Notar Dr. G***** eine Strafanzeige zu gewärtigen hat, falls die Frist zur Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeit durch die T***** GmbH ungenützt verstreichen sollte. Diese Konstatierungen sind auf Basis der getroffenen Formulierungen des gezielt an den Notar gerichteten Schreibens aus der Sicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, zumal der dem Notariatssubstituten vorgeworfene Aufklärungs‑ und Beratungsfehler die Kenntnis des wahren Sachverhalts auf Seiten des Notariats voraussetzt.
In der Art einer Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) bestreitet der Disziplinarbeschuldigte das Vorliegen eines Disziplinarvergehens, weil die Androhung einer Strafanzeige auf Basis der Informationen seiner Klienten gerechtfertigt gewesen sei, behauptet jedoch gar nicht, die Rolle des Notariats im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung an die T***** GmbH hinterfragt und geprüft zu haben. Eine solche eingehende Prüfung wäre jedoch die Voraussetzung für die Zulässigkeit der Androhung einer Anzeige als adäquate Maßnahme zur Durchsetzung von Ansprüchen (Feil/Wennig AnwR8 § 9 RAO Rz 15, RL‑BA 1977 § 2 Rz 2 und S 877 [DSt § 1]).
Gegenständlich erfolgte die Drohung mit einer Strafanzeige zu einem Zeitpunkt, wo bei objektiver Betrachtung für den Disziplinarbeschuldigten noch nicht jenes Sachverhaltssubstrat vorlag, das zu ergründen er verpflichtet gewesen wäre. Die dem Disziplinarbeschuldigten am 13. Mai 2013 vorliegende Information durch seine Mandanten und insbesondere die beiden Pfandurkunden hätten zu Bedenken und zur Vornahme einfacher Erhebungen Anlass geben müssen. Wie der Disziplinarbeschuldigte in seiner Berufung durchaus zutreffend darstellt, hätte eine ordentliche Abwicklung des Darlehensgeschäfts zur Absicherung der Darlehensgeber ganz anders ablaufen müssen und niemals so abgewickelt werden dürfen, wie dies dem Disziplinarbeschuldigten von seinen Mandanten dargestellt wurde. Gerade dieses Wissen, das äußere Erscheinungsbild der beiden Pfandurkunden und das Fehlen einer Abwicklung über eine Treuhandschaft durch einen Rechtsanwalt oder Notar gaben indes Anlass dazu, nicht ohne nähere Prüfung davon auszugehen, dass die Pfandurkunden durch das Notariat Dr. G***** erstellt worden wären. Die erwähnten Urkunden sind offensichtlich Privaturkunden, die im Notariat Dr. G***** bloß beglaubigt unterschrieben wurden und sonst keinen Hinweis enthalten, dass als Urkundenerrichter Notar Dr. G***** oder sein Substitut fungiert hätten.
Der Kern des gegenständlichen Disziplinarvorwurfs liegt darin, dass der Disziplinarbeschuldigte vor seinem Schreiben an den Notar die ihm durch seine Mandanten erteilte Information nicht durch einfache Mittel hinterfragte. Das ist nämlich von einem Rechtsanwalt zu erwarten, dass er die oft recht emotionelle Information eines Mandanten unaufgeregt prüft und erst dann ‑ sine ira et studio ‑ im Sinne von § 9 Abs 1 RAO und § 2 RL‑BA 1977 reagiert.
Bei der Bemessung der Geldbuße wertete der Disziplinarrat zwei Vorstrafen des Disziplinarbeschuldigten als erschwerend, als mildernd keinen Umstand und nahm gut durchschnittliche Einkommensverhältnisse des Disziplinarbeschuldigten an.
Die gewünschte Anwendung des § 3 DSt (dSn § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) scheidet im Gegenstand mangels geringfügigen Verschuldens aus.
Wenn sich der Berufungswerber dadurch beschwert erachtet, dass der Disziplinarrat bei der Ausmessung der Geldbuße von gut durchschnittlichen Einkommensverhältnissen seiner Person ausgegangen ist, ist dem entgegenzuhalten, dass der Disziplinarbeschuldigte anlässlich der Disziplinarverhandlung zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine Angaben machte und zur Kenntnis nahm, dass diesbezüglich mit einer Schätzung vorgegangen werden wird.
Die zwei als erschwerend gewerteten Vorstrafen des Disziplinarbeschuldigten sind entgegen seinem Vorbringen noch nicht getilgt.
Gemäß § 74 DSt betragen die Tilgungsfristen (Z 1) bei einem Schuldspruch ohne Strafe oder bei einem schriftlichen Verweis ein Jahr ab Rechtskraft des Disziplinarerkenntnisses, bei einer Geldbuße fünf Jahre ab der vollständigen Zahlung oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit (Z 2). Gemäß § 75 DSt tritt die Tilgung aller Verurteilungen nur gemeinsam ein, wenn jemand zu mehr als einer Disziplinarstrafe oder erneut rechtskräftig verurteilt wird, bevor eine oder mehrere frühere Verurteilungen getilgt sind. Die Tilgungsfrist bestimmt sich in diesem Fall nach der Einzelfrist, die am spätesten enden würde, verlängert sich aber um so viele Jahre, als rechtskräftige und noch nicht getilgte Verurteilungen vorliegen. Die zuletzt rechtskräftig gewordene Verurteilung ist mitzuzählen.
Im Verfahren D 53/03, DV 16/04 des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer wurde die Geldbuße von 1.000 Euro am 14. Dezember 2006 bezahlt. Im Verfahren D 22/04, DV 11/05 des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer erging das Erkenntnis der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission, AZ 10 Bkd 6/05, am 23. Jänner 2006.
Die Tilgungsfrist für die erste Verurteilung, beträgt fünf Jahre, die des zweiten Erkenntnisses, bei dem gemäß § 39 DSt von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen wurde, ein Jahr. Insgesamt beläuft sich daher die Tilgungsfrist auf sieben Jahre, sodass die Tilgung beider Vorverurteilungen erst am 14. Dezember 2013 eingetreten wäre.
Das erstinstanzliche Erkenntnis vom 25. November 2013 hat somit rechtens zwei Vorverurteilungen erschwerend gewertet.
Der Berufung war daher ‑ wie bereits die Generalprokuratur zutreffend aufzeigte ‑ insgesamt der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.
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