European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00043.14F.1023.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zurückverwiesen und diesem die Fortsetzung des Berufungsverfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Die Klägerin ist Hälfteeigentümerin der Liegenschaft mit der Adresse *****. Der Beklagte ist Liegenschaftsnachbar.
Die Klägerin begehrte mit Klage vom 11. 8. 2006 zu AZ 7 C 1451/06m des Erstgerichts vom Beklagten die Zahlung von 3.660 EUR sA mit dem wesentlichen Vorbringen, dieser „störte durch unberechtigte Eingriffe in Form von Justierung der Gar(t)engießanlage dergestalt, dass die Hausmauer der klagenden Partei regelmäßig bewässert“ werde (ON 1). Es sei ein Schlauch der Bewässerungsanlage direkt an der Grundgrenze positioniert, wodurch Wasser über die Bordsteine durch die dort befindliche Spalte versickere und die Garagenmauer durchnässe (ON 6). Da „nunmehr ein konkreter Feuchtigkeitsschaden an der Liegenschaft (…) eingetreten“ sei, sei der Beklagte verpflichtet, diesen, durch sein Verschulden eingetretenen Schaden zu ersetzen (ON 1).
Die Klägerin stützte sich mit ihrem Begehren auf einen als Beilage ./A vorgelegten Kostenvoranschlag.
Das Erstgericht wies dieses Klagebegehren mit Urteil vom 18. 4. 2008, GZ 7 C 1451/06m‑27, ab. Es stellte (ua) fest:
„Im Laufe des Jahres 2004 wurde im Inneren der Garage auf dem zur Hälfte im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstück ein Feuchtigkeitsschaden in Form von Rückständen von Ausblühungen, welche von Feuchtigkeit herrühren, sichtbar. Es sind ca. 100 cm von der südseitigen Garagenwand beginnend, auf einer Länge von ca. 250 cm, Rückstände von Ausblühungen zu erkennen.
Die Sanierungskosten dieser Feuchteschäden samt Herstellen eines mindestens 15 cm hohen vertikalen Hochzuges zwecks Isolierung der Horizontalfuge würden sich auf brutto EUR 2.203,20 belaufen. Hievon entfallen auf das Instandsetzen des Innenputzes durch Übermalen 1 Partiestunde à EUR 85,-- netto, hievon 20 % für Material netto EUR 17,--, sohin insgesamt brutto EUR 122,40.“
Die Klageabweisung beruhte darauf, dass das Erstgericht kein Verhalten des Beklagten festgestellt hatte, das es als „ungebührliche Beregnung der Garagenmauer“ der Klägerin zu beurteilen vermochte.
Eine von der Klägerin gegen diese Entscheidung erhobene Berufung blieb erfolglos (17 R 236/08i Landesgericht Wiener Neustadt).
Die Klägerin begehrt im vorliegenden Rechtsstreit mit Mahnklage vom 16. 1. 2012 vom Beklagten die Zahlung von 2.913,59 EUR sA mit der Begründung:
„Die beklagte Partei hat trotz Forderung zur Unterlassung ihre Gartengießanlage dermaßen justiert, dass die Außenmauer der Garage auf der Liegenschaft der Klägerin regelmäßig bewässert wird. Nunmehr ist an der Außenwand der streitgegenständlichen Garage ein Feuchtigkeitsschaden, insbesondere eine Pilzbildung, Algenbildung sowie auch Schädigung der Substanz eingetreten. Die angemessenen Kosten der Schadensbehebung belaufen sich im Klagsbetrag.“ (ON 1).
Bezugnehmend auf ein Privatgutachten vom 18. 2. 2008 brachte die Klägerin mit vorbereitendem Schriftsatz vom 8. 10. 2012 vor, dass der Feuchtigkeitsschaden auch durch eine mangelnde Ausführung des Untergrunds des Grundstücks des Beklagten, der entsprechenden Aufschüttung und der Raseneinfassungssteine entlang der Garagenwand bedingt sei.
Als Beilage ./B legte die Klägerin ein Angebot für Baumeisterarbeiten vom 26. 9. 2011 über Arbeiten an der Garagenfassade um einen Betrag von 2.913,59 EUR vor.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er wandte mangelnde aktive Klagslegitimation der Klägerin als bloße Hälfteeigentümerin der Liegenschaft und Verjährung allfälliger Ansprüche ein, die gegebenenfalls schon im Jahr 2006 aufgetreten seien. Die Schäden resultierten jedenfalls nicht aus der Bewässerung des Gartens und im Übrigen liege im Hinblick auf das Vorverfahren zu AZ 7 C 1451/06m des Erstgerichts res iudicata vor.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte (ua) fest:
„Die Fassadenoberfläche weist Verfärbungen in Form von punktartigen Einschlüssen auf, von denen aus Rinnspuren nach unten verlaufen. Im Sockelbereich zeichnen sich ‑ unabhängig von den genannten Verfärbungen ‑ dunkle Flecken ab, die von aufsteigender Feuchtigkeit stammen, und zwar in unterschiedlicher Höhe, maximal bis zu einer Höhe von etwa 35 cm.
Das Innere der Garage ist am Boden mit keramischen Fliesen und keramischen Sockelleisten ausgelegt, die Wände und die Decke sind verputzt und gemalt. An der verfahrensgegenständlichen Feuermauer ist im Inneren der Garage im Sockelbereich bis auf eine Höhe von etwa 40 cm aufsteigende Feuchtigkeit erkennbar. Teilweise sind Ausblühungen erkennbar, teilweise platzt die Farbe ab.
…
Hinsichtlich der Verfärbungen der Garagenfassade konnten zwei Arten von Verfärbungen festgestellt werden: Einerseits punktartige Einschlüsse in der Fassadenfläche, von denen aus Rinnspuren nach unten verlaufen und andererseits Fleckenbildung im Sockelbereich bis auf eine maximale Höhe von etwa 35 cm, welche von aufsteigender Feuchtigkeit stammen. Bei den punktartigen Einschlüssen in der Fassadenfläche handelt es sich um Einschlüsse systemfremder Substanzen, welche die abfließenden Wässer ‑ unter Umständen auch verbunden mit chemischen Reaktionen durch das Kupferblech ‑ kontaminieren. Die aufsteigende Sockel-feuchtigkeit an der äußeren Fassadenfläche und am inneren Garagenverputz ist auf die bereits festgestellte mangelnde Herstellung einer wirksamen Feuchtigkeitsabdichtung gegen Bodenfeuchtigkeit sowie auf die Verwendung der genannten 'Automatenplatte' ohne entsprechende Baubegleitleistungen (Schotterrollierung) zurückzuführen.
...
Zusammenfassend sind als Ursachen der Feuchtigkeitsschäden und Verfärbungen an der gegenständlichen Garage zu sehen:
• Fehlende vertikale und mangelhafte horizontale Feuchtigkeitsabdichtungen gegen Bodenfeuchtigkeit, wodurch es zu einer aufsteigenden Feuchtigkeit in der Bausubstanz kommt,
• Verwendung von expandiertem Polystyrol-Partikelschaumstoff bei der Herstellung der WDVS‑Fassade im Sockelbereich, mit gleichzeitiger Unterlassung der dabei erforderlichen Baubegleitmaßnahmen, anstelle eines für diesen Einsatzbereich wesentlich besser geeigneten extrudierten Polystyrol-Hartschaumstoffs,
• Einschlüsse fremder Substanzen im Oberputz der Fassade, welche die abfließenden Wässer kontaminieren.“
Rechtlich führte das Erstgericht zu der vom Beklagten erhobenen Einrede der entschiedenen Sache aus, es habe zwar das Vorverfahren die gleiche Problematik behandelt, doch habe nicht ausgeschlossen werden können, dass nicht nach Beendigung dieses Vorverfahrens weitere Schäden und Verfärbungen an der Garage entstanden seien. Aus diesem Grunde gehe auch der Verjährungseinwand ins Leere. Allerdings sei weder eine ungebührliche Beregnung der Garagenmauer feststellbar gewesen, noch habe der Beklagte ein sonstiges rechtswidriges Verhalten gesetzt. Weder die Bewässerungsanlage des Beklagten noch die von ihm vorgenommene Humusaufschüttung seien für die Verfärbungen und Feuchtigkeitsschäden an der Garagenmauer der Klägerin kausal gewesen. Vielmehr stehe mittlerweile aufgrund zweier unabhängig voneinander eingeholter gerichtlicher Gutachten fest, dass die Garage der Klägerin nicht sach‑ und fachgerecht errichtet und gegen Feuchtigkeit und Witterungseinflüsse abgedichtet worden sei. Diese mangelnde Isolierung könne nicht zu Lasten des Nachbarn gehen, indem dieser für entstandene Schäden aufkommen solle, die nicht seinem Wirkungskreis entspringen würden. Es liege allein an der Klägerin, für eine entsprechende Isolierung der Garage zu sorgen.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Klägerin das angefochtene Urteil sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Klägerin hier vom Beklagten ebenso wie im Vorprozess Schadenersatz aus der Beschädigung ihrer Garagenwand begehre. Betraglich sei hier der Klagsbetrag ein Minus gegenüber dem im Vorverfahren eingeklagten. Das ursprüngliche Vorbringen der Klägerin sei ‑ so wie auch schon im Vorprozess ‑ ausschließlich auf eine Beschädigung durch die Bewässerungsanlage des Beklagten gerichtet. Dass es sich bei den geltend gemachten Schäden um solche handle, die erst nach Beendigung des Vorverfahrens entstanden wären ‑ wie dies das Erstgericht der Klägerin zu Gute halte ‑ lasse sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen. Bis zuletzt habe die Klägerin kein Vorbringen erstattet, mit dem die Identität der gegenständlichen mit den seinerzeit eingeklagten Schäden bestritten worden sei.
Das Vorbringen, wonach der Schaden auch auf eine mangelnde Ausführung des Untergrunds des Grundstücks des Beklagten und der Raseneinfassungssteine entlang der Garagenwand gestützt werde, sei einerseits gemäß § 179 ZPO wegen grob schuldhafter Verspätung zurückzuweisen. Die Informationen stammten zum Teil wörtlich aus der Stellungnahme des Privatgutachters im Vorverfahren datiert mit 18. 2. 2008. Diese seien der Klägerin bereits bei Klagseinbringung im nunmehrigen Verfahren bekannt gewesen. Ein Grund, warum dieses Vorbringen nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Verfahren, insbesondere vor Bestellung des Sachverständigen, erstattet worden sei, sei nicht einsichtig. Würde nicht das Prozesshindernis der entschiedenen Rechtssache sowie Verjährung entgegenstehen, hätte dieses Vorbringen jedenfalls zu einer Verfahrensverzögerung geführt, sei damit doch der Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens verknüpft, während überdies auch eine Ergänzung des bereits eingeholten Sachverständigengutachtens angezeigt gewesen wäre. Zum Anderen unterliege dieses Vorbringen der Präklusion nach § 411 ZPO. Auch im Vorprozess sei der Klägerin vor Schluss der Verhandlung am 27. 2. 2008 das Privatgutachten bekannt gewesen. Sie hätte daher dieses Vorbringen bereits im Vorverfahren zur Stützung ihres Anspruchs geltend machen können. Durch Unterbleiben dieser Geltendmachung sei dieses Vorbringen nunmehr präkludiert.
Unter Außerachtlassung des Einmaligkeitsprinzips wäre der Anspruch der Klägerin verjährt. Schadenersatzansprüche verjährten gemäß § 1489 ABGB binnen drei Jahren ab Kenntnis des Schadens und der Person des Schädigers. Kenntnis des Schadens heiße objektives Bekanntsein der maßgeblichen Tatumstände. Die Tatumstände müssten soweit bekannt sein, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden könne. Selbst wenn die Klägerin somit durch die mangelhafte Ausführung des Untergrunds am Grundstück des Beklagten und die Raseneinfassungssteine einen Schaden erlitten hätte, wären ihr diese Umstände spätestens aus der gutachterlichen Stellungnahme vom 18. 2. 2008 und deren Geltendmachung in der Berufung im Vorverfahren bekannt gewesen. Zum Zeitpunkt der Klageeinbringung im nunmehrigen Verfahren wäre die dreijährige Frist abgelaufen gewesen. Auch hier sei der die Verjährung geltend machende Vertreter des Beklagten unwidersprochen geblieben. Mit ihren Berufungsausführungen sei die Klägerin folglich auf obige Ausführungen zu verweisen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, diesen ersatzlos aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur allfälligen Ergänzung der Verhandlung und inhaltlichen Entscheidung über die Berufung zurückverweisen. In eventu beantragt die Klägerin jeweils nach ersatzloser Behebung des angefochtenen Beschlusses die Zurückverweisung der Rechtssache an das Prozessgericht erster Instanz zur allfälligen Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung sowie hilfsweise der Berufung Folge zu geben und dem Klagebegehren vollinhaltlich stattzugeben.
Der Beklagte erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung (richtig: Rekursbeantwortung) mit dem Antrag, das Rechtsmittel der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig und in seinem Primärantrag auch berechtigt.
1. Nach dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff kann von einer Identität des Streitgegenstands nur dann gesprochen werden, wenn sowohl der Entscheidungsantrag (Sachantrag) als auch die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen (rechtserzeugender Sachverhalt) dieselben sind (RIS‑Justiz RS0039347 [T24]).
2. Die Identität des Anspruchs, bei der eine neue Klage ausgeschlossen ist, liegt dann vor, wenn der Streitgegenstand der neuen Klage und der Urteilsgegenstand des schon vorliegenden Urteils gleich sind, also sowohl das Begehren inhaltlich dasselbe fordert, was bereits rechtskräftig zuerkannt oder aberkannt wurde, als auch die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen den im Prozess festgestellten entsprechen (RIS‑Justiz RS0039347 [T25]).
3. Das Erstgericht hat im Vorverfahren ausgehend vom dort erstatteten Vorbringen der Klägerin über einen Schadenersatzanspruch betreffend einen Feuchtigkeitsschaden im Inneren der Garage entschieden. Gegenstand des hier beurteilten Klagebegehrens ist ein Schadenersatzanspruch, der nach dem Vorbringen der Klägerin einen an der Außenwand der Garage eingetretenen Feuchtigkeitsschaden betrifft. Die in den beiden Verfahren beurteilten Begehren und damit der jeweils vorgelegene Streitgegenstand sind daher nicht identisch.
4. Das Berufungsgericht hat demnach zu Unrecht dass Prozesshindernis der entschiedenen Streitsache bejaht sowie die Nichtigkeit des Urteils und des durchgeführten Verfahrens angenommen. Der angefochtene Beschluss ist ersatzlos zu beheben. Das Berufungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren inhaltlich über die Berufung zu entscheiden haben (vgl RIS‑Justiz RS0065254). Auf die vom Berufungsgericht ‑ obiter ‑ behaupteten Klageabweisungs-gründe ist in diesem Verfahrensstadium nicht einzugehen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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