OGH 1Ob188/14z

OGH1Ob188/14z22.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** E*****, vertreten durch Mag. Muna Duzdar, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei H***** A*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 5 C 58/11b des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. August 2014, GZ 14 R 77/14t‑7, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Wien vom 30. Juni 2014, GZ 5 Cg 36/14x‑3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00188.14Z.1022.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Rekursgericht hat bereits ausführlich die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage dargestellt, wann vom Vorliegen eines „neuen Beweismittels“ im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO auszugehen ist, und aus welchem Grund ein nach Abschluss des Hauptprozesses eingeholtes (privates) Sachverständigengutachten regelmäßig eine Wiederaufnahme nicht rechtfertigen kann. Dabei ist das Rekursgericht von den in der höchstgerichtlichen Judikatur entwickelten Grundsätzen nicht abgegangen, sondern hat diese auf den konkreten Fall angewendet, weshalb eine im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht zu beantworten ist. Auch eine erhebliche Fehlbeurteilung des Einzelfalls, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre, ist dem Rekursgericht nicht unterlaufen. Im Folgenden ist daher nur kurz auf die wesentlichen Argumente des außerordentlichen Rechtsmittels einzugehen.

2. Dass dem Sachverständigen im Hauptprozess, dem ursprünglich nur eine Fotokopie vorgelegt worden war, noch vor Beendigung seiner Begutachtung das Original der zu Vergleichszwecken herangezogenen handschriftlichen Bestätigung der Wiederaufnahmsbeklagten vom 3. 12. 1999 zur Verfügung stand, wurde von den Vorinstanzen zutreffend dargelegt. Die Auffassung des Rekursgerichts, es wäre Sache des Sachverständigen gewesen, das Gericht darauf hinzuweisen, dass er aus der Originalurkunde möglicherweise weitergehende Erkenntnisse gewinnen könnte, ist ebenso wenig zu beanstanden, wie die Schlussfolgerung, der Sachverständige sei offenbar der Auffassung gewesen, die Originalurkunde könnte seiner Ansicht nach zu einem weiteren Erkenntnisgewinn nicht beitragen, hätte er doch andernfalls das Gericht darauf hingewiesen, dass es aus Sachverständigensicht zweckmäßig erscheine, die Originalurkunde einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen.

Wenn der Revisionsrekurswerber nun darzulegen versucht, eine eingehendere Befassung mit der Originalurkunde hätte das Ergebnis des Gutachtens verändert, wirft er dem Sachverständigen einen „Kunstfehler“ vor, der allerdings nicht zur Wiederaufnahme berechtigt (vgl nur RIS‑Justiz RS0044834 [T5, T6, T9]). Die Rechtsansicht des Revisionsrekurswerbers, die rekursgerichtliche Auffassung widerspräche der höchstgerichtlichen Rechtsprechung und führe dazu, dass diese insoweit „de facto keine Anwendung“ finden könne, als darin eine Wiederaufnahme als zulässig angesehen wird, wenn das Sachverständigengutachten im Hauptprozess auf einer unvollständigen Grundlage beruhte, kann nicht gefolgt werden. Hier liegt ja keineswegs der Fall vor, dass dem Sachverständigen maßgebliche Umstände ‑ ohne dass ihm dies vorzuwerfen wäre ‑ verborgen geblieben wären. Vielmehr lag ihm die Originalurkunde vor und er sah dennoch keine Veranlassung, diese in seiner abschließenden Gutachtensaussage zu berücksichtigen.

3. Inwieweit das vom Wiederaufnahmskläger nach seinen Behauptungen nachträglich zufällig aufgefundene Telefax mit Schriftzügen der Wiederaufnahmsbeklagten auch nur abstrakt geeignet hätte sein können, das Ergebnis des Sachverständigengutachtens im Hauptprozess zu beeinflussen, wenn es bereits damals zur Verfügung gestanden wäre, vermag der Revisionsrekurswerber nicht darzulegen. Im Hauptprozess lag insbesondere die bereits erwähnte Bestätigung vom 3. 12. 1999 im Original vor und es hätte auch die Möglichkeit bestanden, die damalige Klägerin um die Abgabe weiterer Schriftproben zu ersuchen. Insbesondere behauptet der Revisionsrekurswerber auch nicht, dass dieses Telefax etwa für das Ergebnis des nunmehr von ihm vorgelegten Privatgutachtens eine Rolle gespielt hätte. Wenn das Rekursgericht unter diesen Umständen die Auffassung vertreten hat, die Urkunde sei auch abstrakt nicht geeignet, zu einem für den Wiederaufnahmswerber günstigeren Verfahrensergebnis zu führen, kann darin keine bedenkliche Fehlbeurteilung gesehen werden.

4. Schwer verständlich sind die Revisionsrekursausführungen zum angeblichen Vorliegen eines dem Rekursgericht vorzuwerfenden Verfahrensmangels. Das Rekursgericht hat ‑ wie dargelegt ‑ die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage durch das Erstgericht im Wesentlichen mit der Begründung gebilligt, es liege kein „neues Beweismittel“ vor. Anlass dazu, sich darüber hinaus mit der Frage auseinanderzusetzen, ob dem Wiederaufnahmskläger allenfalls ein Verschulden an der verspäteten Geltendmachung von Beweismitteln vorzuwerfen wäre, bestand nicht. Wenn das Rekursgericht unter diesen Umständen die (vom Erstgericht bejahte) Frage eines allfälligen Verschuldens unbeantwortet ließ, kann darin kein Verfahrensfehler liegen.

Stichworte